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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart




I.
Landesarbeitsgericht Köln
Urteil vom 30.09.2025 – 10 SLa 289/24

Schlagworte/Normen:
Kündigung einer Bonner Universitätsprofessorin ist wirksam

Volltext PE:
Die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln hat mit einem am heutigen Tage verkündeten Urteil die Berufung einer Bonner Universitätsprofessorin gegen ein Urteil des Arbeitsgerichts Bonn zurückgewiesen. Damit wurde die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die beklagte Universität zum 31. März 2023 als sozial gerechtfertigt und wirksam bestätigt.

Das Landesarbeitsgericht entschied, die Klägerin sei bereits im Rahmen des Bewerbungsverfahrens verpflichtet gewesen, wahrheitsgemäße Angaben zu den Tatsachen zu machen, die ihre Eignung für die ausgeschriebene Stelle als Professorin begründen und nur solche Werke als habilitationsadäquate Arbeiten vorzulegen, die den Grundsätzen guter wissenschaftlicher Praxis entsprächen. Durch die Vorlage einer mit Plagiaten behafteten Veröffentlichung habe die Klägerin diese Pflichten verletzt. Nach Überzeugung der Kammer habe die Klägerin dabei zumindest billigend in Kauf genommen, dass das Werk nicht den wissenschaftlichen Standards genügte. Dies sei insbesondere durch die Anzahl nicht ausreichend gekennzeichneter Übernahmen aus anderen Publikationen belegt.

Die Klägerin könne sich auch nicht darauf berufen, sie habe ihre Publikationen der beklagten Universität nur zur Prüfung durch die Berufskommission vorgelegt. Den maßgeblichen Begleitumständen sei jedenfalls konkludent die Erklärung zu entnehmen, dass diese Werke wissenschaftlichen Maßstäben entsprächen und keine Plagiate enthielten.

Das Gericht stellte klar, dass es sich bei der Einhaltung wissenschaftlicher Standards um eine zentrale Anforderung an das Berufsbild einer Hochschullehrerin handele. Die Pflichtverletzung der Klägerin betreffe den Kernbereich des Selbstverständnisses einer wissenschaftlich Tätigen und könne sich auch im Rahmen von Forschung und Lehre zukünftig auswirken. Verstöße gegen diese Standards, wie sie der Klägerin vorzuwerfen seien, wögen schwer und rechtfertigten die Kündigung – auch ohne vorherige Abmahnung. Die Interessenabwägung zwischen dem aufgrund der kurzen Beschäftigungsdauer nicht sehr ausgeprägten Bestandsschutz der Klägerin und dem Schutz der Integrität der Wissenschaft und Reputation der Universität falle zugunsten der Beklagten aus.

Das Gericht hat die Revision nicht zugelassen.

Siehe:
https://www.justiz.nrw.de/presse/2025-09-30

II.
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil vom 2.09.2025 – 4 SLa 200/24

Schlagworte/Normen:
Inlandsbezug des Betriebsbegriffs im KSchG

Leitsatz:
1. Für die Beschäftigtenzahl nach § 23 Abs. 1 KSchG ist regelmäßig nur auf Betriebsangehörige im Inland abzustellen.

2. Im Fall wurde ein Einzelarbeitsverhältnis nach mehreren örtlichen Geschäftszweigverkleinerungen (allseits bewusst) mit deutschem Vertragsstatut an ein ausländisches Partnerunternehmen abgegeben, für das sich ersichtlich keine Betriebsvoraussetzungen zum deutschen Kündigungsschutz mehr ergeben konnten; jedenfalls in solcher Konstellation fehlen besondere Schutzgesichtspunkte, um Abweichungen vom Inlandsbezug des § 23 Abs. 1 KSchG anzunehmen.

Siehe:
https://www.landesrecht.rlp.de/bsrp/document/NJRE001621578

III.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil vom 29.07.2025 – 11 Sa 29/25

Schlagworte/Normen:
Berechnung der Urlaubsabgeltung - Einbeziehung von Weihnachtsgeld

Leitsatz:
Gezahltes Weihnachtsgeld ist bei der Berechnung der Urlaubsabgeltung nicht mit einzubeziehen.

Siehe:
https://www.landesrecht-bw.de/bsbw/document/NJRE001621575

IV.
Landesarbeitsgericht Köln
Urteil vom 10.07.2025 – 8 SLa 582/24 –
veröffentlicht am 6.10.2025

Schlagworte/Normen:
Zulässigkeit eines Unterstützungsstreiks mit dem Ziel eines gemeinsamen Antrags auf Allgemeinverbindlichkeit

Volltext PE:
Die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln hat in einem nunmehr veröffentlichten Urteil vom 10.07.2025 entschieden, dass ein Unterstützungsstreik in einem konzernangehörigen Unternehmen zulässig sein kann, wenn der Hauptarbeitskampf unter anderem auf die gemeinsame Antragstellung der Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages nach § 5 Abs. 1 TVG gerichtet ist.

In dem Verfahren hatte eine Arbeitgeberin Schadensersatz in Höhe von rund 300.000 € von der beteiligten Gewerkschaft gefordert. Hintergrund war ein 24-stündiger Solidaritätsstreik, zu dem die Gewerkschaft aufgerufen hatte. Dieser sollte die Beschäftigten anderer Unternehmen desselben Konzerns unterstützen, die sich im Hauptstreik mit der Gewerkschaft befanden. Ein Ziel dieses Hauptarbeitskampfs war neben der Erhöhung der Tarifvergütung die gemeinsame Beantragung der Allgemeinverbindlicherklärung der Tarifverträge für den Groß- und Außenhandel NRW.

Die klagende Arbeitgeberin hielt diesen Unterstützungsstreik für unzulässig und damit rechtswidrig, weshalb die Gewerkschaft ihr den durch den Streik entstandenen Schaden zu ersetzen habe. Das Streikziel – die gemeinsame Antragstellung der Tarifvertragsparteien – sei kein legitimes Ziel eines Arbeitskampfes.

Das Landesarbeitsgericht bestätigte im Berufungsverfahren die Klageabweisung durch das Arbeitsgericht Köln. Es stellte klar, dass auch die gemeinsame Antragstellung nach § 5 Abs. 1 TVG ein rechtmäßiges Ziel eines Arbeitskampfs darstellen könne. Eine pauschale Ausklammerung solcher schuldrechtlichen Verpflichtungen aus dem Streikrecht sei mit Art. 9 Abs. 3 GG nicht vereinbar. Andernfalls würden bestimmte Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dem Arbeitskampf unzulässig entzogen („streikfrei“ gestellt). Der Einordnung der gemeinsamen Antragstellung nach § 5 Abs. 1 TVG als eine Regelung von Arbeits- und Wirtschaftsbeziehungen stehe auch nicht entgegen, dass die Allgemeinverbindlicherklärung auch die sogenannten Außenseiter, die nicht Mitglieder der tarifschließenden Parteien sind, erfassen würde. Vielmehr gehöre auch dies zu der den Koalitionen durch Art. 9 Abs. 3 GG zugewiesenen öffentlichen Aufgabe, Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu gestalten.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Klägerin hat Revision zum Bundesarbeitsgericht eingelegt (1 AZR 139/25).

Siehe:
https://www.justiz.nrw.de/presse/2025-10-06-2

V.
Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 23. Oktober 2025 – 8 AZR 300/24

Schlagworte/Normen:
Anspruch auf Entgeltdifferenz wegen Geschlechtsdiskriminierung - Paarvergleich

Volltext PE:
Männer und Frauen haben bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit Anspruch auf gleiches Entgelt. Klagt eine Arbeitnehmerin auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit, begründet der Umstand, dass ihr Entgelt geringer ist als das eines männlichen Kollegen, der die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichtet, regelmäßig die Vermutung, dass diese Benachteiligung wegen des Geschlechts erfolgt ist. Kann der Arbeitgeber die aus einem solchen Paarvergleich folgende Vermutung einer Benachteiligung wegen des Geschlechts nicht widerlegen, ist er zur Zahlung des Entgelts verpflichtet, das er dem zum Vergleich herangezogenen Kollegen gezahlt hat. Dies gibt die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union vor.

Die Klägerin begehrt von ihrem beklagten Arbeitgeber hinsichtlich mehrerer Entgeltbestandteile rückwirkend die finanzielle Gleichstellung mit bestimmten männlichen Vergleichspersonen. Zur Begründung ihrer Ansprüche hat sie sich ua. auf Angaben der Beklagten in einem sog. Dashboard gestützt, welches im Intranet der Erteilung von Auskünften im Sinne des Entgelttransparenzgesetzes dient. Das Einkommen der von der Klägerin zum Vergleich herangezogenen Kollegen liegt über dem Medianentgelt aller in derselben Hierarchieebene angesiedelten männlichen Arbeitnehmer. Die Beklagte hat geltend gemacht, dass die zum Vergleich herangezogenen Kollegen nicht die gleiche oder gleichwertige Arbeit wie die Klägerin verrichten. Zudem beruhe die unterschiedliche Entgelthöhe auf Leistungsmängeln der Klägerin. Aus diesem Grund werde die Klägerin auch unterhalb des Medianentgelts der weiblichen Vergleichsgruppe vergütet.

Das Landesarbeitsgericht hat die – auf einen Ausgleich der Entgeltdifferenz zu den benannten Vergleichspersonen gerichteten – Hauptanträge abgewiesen. Es hat insoweit angenommen, die Klägerin könne sich für die Vermutung einer Entgeltbenachteiligung nicht auf eine einzige Vergleichsperson des anderen Geschlechts berufen. Angesichts der Größe der männlichen Vergleichsgruppe und der Medianentgelte beider vergleichbarer Geschlechtergruppen bestehe keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine geschlechtsbedingte Benachteiligung und damit kein Indiz iSv. § 22 AGG. Die Klägerin habe aber hinsichtlich einzelner Vergütungsbestandteile einen Anspruch in Höhe der Differenz zwischen dem Medianentgelt der weiblichen und dem der männlichen Vergleichsgruppe.

Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat das Urteil des Landesarbeitsgerichts auf die Revision der Klägerin und die beschränkte Anschlussrevision der Beklagten teilweise aufgehoben und die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Über die auf einen Paarvergleich gestützten Hauptanträge kann noch nicht abschließend entschieden werden. Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts bedarf es bei einer Entgeltgleichheitsklage keiner überwiegenden Wahrscheinlichkeit für eine geschlechtsbedingte Benachteiligung. Ein solches Erfordernis wäre mit den Vorgaben des primären Unionsrechts unvereinbar. Für die – vom Arbeitgeber zu widerlegende – Vermutung einer Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts genügt es, wenn die klagende Arbeitnehmerin darlegt und im Bestreitensfall beweist, dass ihr Arbeitgeber einem anderen Kollegen, der gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichtet, ein höheres Entgelt zahlt. Die Größe der männlichen Vergleichsgruppe und die Höhe der Medianentgelte beider Geschlechtsgruppen ist für das Eingreifen der Vermutungswirkung ohne Bedeutung. Die Klägerin hat – unter Verweis auf die Angaben im Dashboard – in Bezug auf eine Vergleichsperson hinreichende Tatsachen vorgetragen, die eine geschlechtsbedingte Entgeltbenachteiligung vermuten lassen. Das Landesarbeitsgericht wird im fortgesetzten Berufungsverfahren zu prüfen haben, ob die Beklagte diese Vermutung – ungeachtet der Intransparenz ihres Entgeltsystems – widerlegt hat. Beiden Parteien ist Gelegenheit zur Ergänzung ihres Sachvortrags zu geben.

Siehe:
https://www.bundesarbeitsgericht.de/presse/anspruch-auf-entgeltdifferenz-wegen-geschlechtsdiskriminierung-paarvergleich/

VI.
Bundesverfassungsgericht
Beschluss vom 29. September 2025- 2 BvR 934/19,
veröffentlicht am 23.10.2025

Schlagworte/Normen:
Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen arbeitsgerichtliche Entscheidung zum kirchlichen Arbeitsrecht/ Kirchenmitgliedschaft als Einstellungsvoraussetzung

Volltext PE:
Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts der Verfassungsbeschwerde eines kirchlichen Arbeitgebers stattgegeben, die sich gegen ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts richtet. Mit dem angegriffenen Urteil –dem eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union vorausgegangen war – hatte das Bundesarbeitsgericht den Beschwerdeführer zur Zahlung einer Entschädigung verurteilt, weil er eine konfessionslose Bewerberin für eine ausgeschriebene Stelle nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen habe und eine damit einhergehende Vermutung einer Benachteiligung wegen der Religion nicht gerechtfertigt werden könne und nicht widerlegt worden sei.

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem religiösen Selbstbestimmungsrecht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 Grundgesetz (GG) und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 Weimarer Reichsverfassung (WRV), weil die bei der Anwendung der Schrankenbestimmung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) vorgenommene Güterabwägung dem religiösen Selbstbestimmungsrecht des Beschwerdeführers nicht in dem verfassungsrechtlich gebotenen Umfang Rechnung trägt.

Der Senat führt in seinem Beschluss aus, dass bei dem nach grundrechtlichen Maßstäben vorzunehmenden Ausgleich zwischen den Belangen religiöser Arbeitgeber und der Arbeitnehmer das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union aus dem Vorlageverfahren zu berücksichtigen ist. Dies führt zu einer Konkretisierung der bisherigen verfassungsgerichtlichen Maßstäbe für die Zweistufenprüfung auf der Ebene der Beschränkung des religiösen Selbstbestimmungsrechts. Die Anpassung der Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts an die Vorgaben des unionsrechtlichen Rahmens ist hierbei kraft des Vorrangs des Unionsrechts zwingend. Der Vorrang des Unionsrechts entfällt vorliegend auch nicht, da das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union keinen Ultra-vires-Akt darstellt. Es bestehen auch im Hinblick auf die Reichweite des Selbstbestimmungsrechts der Religionsgemeinschaften im Bereich des Arbeitsrechts keine unüberwindbaren Widersprüche zwischen dem nationalen Verfassungsrecht und dem Unionsrecht.

Der Senat hat das Urteil des Bundesarbeitsgerichts aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

Sachverhalt:
Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein kirchlicher Arbeitgeber für eine konkret zu besetzende Stelle die Mitgliedschaft in der Kirche verlangen darf und inwieweit die staatlichen Gerichte dies im Hinblick auf das religiöse Selbstbestimmungsrecht überprüfen können.

I. Der Beschwerdeführer ist ein kirchlicher Arbeitgeber. In einer Ausschreibung für eine Projektstelle gab der Beschwerdeführer unter anderem an: „Die Mitgliedschaft in einer evangelischen oder der ACK angehörenden Kirche und die Identifikation mit dem diakonischen Auftrag setzen wir voraus.“. Die konfessionslose Klägerin des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Klägerin) bewarb sich auf die ausgeschriebene Stelle, ohne sich zu ihrer Religionszugehörigkeit zu äußern. Sie wurde nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Sie erhob daraufhin Klage zum Arbeitsgericht und verlangte vom Beschwerdeführer gemäß § 15 Abs.2 AGG eine Entschädigung, weil sie aus religiösen Gründen benachteiligt worden sei. Nachdem das Arbeitsgericht der Klägerin eine Entschädigung zusprach, wies das Landesarbeitsgericht auf die Berufung des Beschwerdeführers die Klage ab. Ein Anspruch bestehe nicht, weil die unterschiedliche Behandlung wegen der Religion jedenfalls nach § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG gerechtfertigt sei.

II. Im Rahmen des von der Klägerin angestrengten Revisionsverfahrens leitete das Bundesarbeitsgericht ein Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 267 AEUV vor dem Gerichtshof der Europäischen Union ein. Es sei notwendig, die Auslegung von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG (Gleichbehandlungsrichtlinie) klären zu lassen. Der Bedeutungsgehalt dieser Bestimmung sei ausschlaggebend für die Auslegung von § 9 Abs. 1 AGG und insbesondere sei zu klären, welche Anforderungen an die Art der Tätigkeit oder die Umstände ihrer Ausübung als wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation gemäß Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie zu stellen seien und ob den staatlichen Gerichten eine umfassende Kontrolle obliege.

III. Mit Urteil vom 17. April 2018 erkannte der Gerichtshof der Europäischen Union –vereinfacht dargestellt–, dass die Ablehnung eines Bewerbers mit der Begründung, die Religion sei nach der Art der betreffenden Tätigkeiten eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos dieser Kirche oder Organisation, Gegenstand einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle sein können muss. Die Kontrolle der Einhaltung der in Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie festgelegten Kriterien liefe ins Leere, wenn sie in Zweifelsfällen keiner unabhängigen Stelle wie einem staatlichen Gericht obläge. Bei der Auslegung des Begriffs „wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte Anforderung“ in Art. 4 Abs.2 Gleichbehandlungsrichtlinie müssten die Gerichte einerseits beachten, dass die Legitimität des Ethos der betreffenden Kirche oder Organisation nicht beurteilt werden dürfe, andererseits, dass das Recht der Arbeitnehmer, wegen der Religion keine Diskriminierung zu erfahren, nicht verletzt werde. Es obliege den nationalen Gerichten zu entscheiden, ob und inwieweit eine nationale Rechtsvorschrift wie § 9 Abs. 1 AGG im Einklang mit Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie ausgelegt werden könne oder unangewendet bleiben müsse.

IV. Mit hier angegriffenem Urteil verurteilte das Bundesarbeitsgericht den Beschwerdeführer, an die Klägerin eine Entschädigung zu zahlen. § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG sei nicht mit den unionsrechtlichen Vorgaben vereinbar und müsse unangewendet bleiben. Auch § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG könne die unterschiedliche Behandlung wegen der Religion nicht rechtfertigen. Zwar bestehe vorliegend ein direkter Zusammenhang zwischen der beruflichen Anforderung und der ausgeschriebenen Tätigkeit. Auch unter Beachtung des Selbstverständnisses der Religionsgemeinschaft stelle sich die Kirchenmitgliedschaft nach der Art der Tätigkeit oder den Umständen ihrer Ausübung jedoch nicht als wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung dar.

Wesentliche Erwägungen des Senats:
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und begründet, soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des religiösen Selbstbestimmungsrechts durch die Anwendung der Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union rügt (inzidente Ultra-vires-Rüge). Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer in seinem religiösen Selbstbestimmungsrecht.

I. Beurteilungsmaßstab der Verfassungsbeschwerde sind die Grundrechte des Grundgesetzes. Das Bundesverfassungsgericht prüft innerstaatliches Recht und dessen Anwendung grundsätzlich auch dann am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes, wenn es im Anwendungsbereich des Unionsrechts liegt, durch dieses aber nicht vollständig determiniert ist. Die hier maßgeblichen Normen der Gleichbehandlungsrichtlinie zur Reichweite des religiösen Selbstbestimmungsrechts im Bereich des religiösen Arbeitsrechts belassen den Mitgliedstaaten bei ihrer Durchführung Gestaltungsspielräume und indizieren Grundrechtspluralität. Die Gestaltungsspielräume bestehen innerhalb des Rahmens, den Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie in der Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union setzt.

II. 1. Der Schutzbereich des religiösen Selbstbestimmungsrechts ist eröffnet, da hier das streitige Einstellungskriterium „Mitgliedschaft in einer evangelischen oder der ACK angehörenden Kirche und die Identifikation mit dem diakonischen Auftrag“ vom Gewährleistungsumfang des Selbstbestimmungsrechts umfasst ist.

2. Das religiöse Selbstbestimmungsrecht unterliegt der Schranke „des für alle geltenden Gesetzes“. Darunter fallen die hier einschlägigen Regelungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Bei Auslegung und Anwendung dieser Bestimmungen ist das religiöse Selbstbestimmungsrecht mit jenen Rechtsgütern, deren Schutz das einschränkende Gesetz dient, grundsätzlich weiterhin auf der Grundlage einer zweistufigen Prüfung in Ausgleich zu bringen.

a) Die erste Prüfungsstufe knüpft an die für die Eröffnung des Schutzbereichs anzustellende Plausibilitätsprüfung an, die der Klärung der Frage dient, welche Angelegenheit als eine religiöse betrachtet wird und welche Bedeutung ihr nach dem kirchlichen Selbstverständnis für die Verwirklichung des religiösen Ethos zukommt. Auf der zweiten Prüfungsstufe der Schrankenziehung erfolgt eine offene Gesamtabwägung zwischen den Interessen und Belangen der Arbeitnehmer und dem religiösen Selbstbestimmungsrecht.

b) Bei der Durchführung des Ausgleichs zwischen den Belangen des religiösen Arbeitgebers und der Arbeitnehmer ist aufgrund des Vorrangs des Unionsrechts der durch Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie nach Maßgabe der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gesetzte Rahmen zu berücksichtigen. Dies lässt sich über eine unionsrechtskonforme Auslegung der einschlägigen nationalen Bestimmungen umsetzen und führt zu einer Konkretisierung der bisherigen verfassungsgerichtlichen Maßstäbe für die Zweistufenprüfung.

aa) Die erste Stufe der Schrankenziehung erfährt insoweit eine Schärfung, als ausgehend vom Selbstverständnis der Religionsgemeinschaft eine wirksame gerichtliche Kontrolle dahingehend erfolgt, inwieweit sich aus der Tätigkeit oder den Umständen ihrer Ausübung objektiv ein direkter Zusammenhang zwischen der aufgestellten beruflichen Anforderung –hier der Kirchenmitgliedschaft– und der fraglichen Tätigkeit ergibt. Der Religionsgemeinschaft obliegt es, diesen Zusammenhang für die konkret betroffene Tätigkeit im Hinblick auf ihr religiöses Selbstverständnis plausibel darzulegen.

bb) Die auf der zweiten Stufe erfolgende Gesamtabwägung der betroffenen rechtlichen Belange erfährt eine Konturierung dahingehend, dass die in Rede stehende berufliche Anforderung im Hinblick auf die konkrete Tätigkeit für die Wahrung des religiösen Selbstverständnisses geeignet, erforderlich und angemessen im engeren Sinn, mithin verhältnismäßig sein muss. Dies lässt es weiterhin zu, dem religiösen Selbstverständnis aufgrund seiner Nähe zum vorbehaltlos gewährten Recht auf korporative Religionsfreiheit ein besonderes Gewicht beizumessen. Je größer die Bedeutung der betroffenen Position für die religiöse Identität der Religionsgemeinschaft nach innen oder außen, desto mehr Gewicht besitzt der von der Kirche in Wahrnehmung ihres Selbstbestimmungsrechts vorgetragene Belang und ein daraus abgeleitetes Erfordernis der Kirchenmitgliedschaft. Je weniger Relevanz die jeweilige Position für die Verwirklichung des religiösen Ethos hat, desto eher wird dem Diskriminierungsschutz der Vorzug zu geben sein. Dessen hoher verfassungsrechtlicher Bedeutung ist bei der Abwägung durch die Gerichte Rechnung zu tragen.

3. Die Anpassung der Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts an die Vorgaben des unionsrechtlichen Rahmens für den mitgliedstaatlichen Gestaltungsspielraum ist kraft des Vorrangs des Unionsrechts zwingend. Der Vorrang des Unionsrechts entfällt vorliegend nicht.
Das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 17. April 2018 stellt keinen Ultra-vires-Akt dar. Es liegt weder ein offensichtlicher Verstoß gegen das Prinzip der Einzelermächtigung vor, noch ist erkennbar, dass der Gerichtshof die Kompetenznorm des Art. 19 Abs. 1 AEUV, wonach die Europäische Union im Rahmen der ihr durch die Verträge übertragenen Zuständigkeiten geeignete Vorkehrungen gegen Diskriminierungen aus Gründen unter anderem der Religion oder der Weltanschauung treffen kann, offensichtlich willkürlich ausgelegt hat. Auch führt das Urteil nicht zu einer Rechtslage, die den vom Grundgesetz als unabdingbar vorausgesetzten Grundrechtsstandard im Hinblick auf das religiöse Selbstbestimmungsrecht unterschreitet.

III. Nach den genannten Maßstäben verletzt das Urteil des Bundesarbeitsgerichts den Beschwerdeführer in seinem religiösen Selbstbestimmungsrecht, weil die bei der Anwendung des § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG vorgenommene Güterabwägung dem religiösen Selbstbestimmungsrecht des Beschwerdeführers nicht in dem verfassungsrechtlich gebotenen Umfang Rechnung trägt.

1. Das Bundesarbeitsgericht berücksichtigt nicht hinreichend, dass Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie in der Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union im Urteil vom 17. April 2018 dem nationalen Recht Spielräume belässt, innerhalb derer die grundrechtlichen Vorgaben des religiösen Selbstbestimmungsrechts gelten. Dies bildet den Ausgangspunkt dafür, dass das Bundesarbeitsgericht dem religiösen Selbstbestimmungsrecht im Rahmen der Abwägung mit dem Recht der Klägerin, nicht wegen ihrer Religion diskriminiert zu werden, nicht das Gewicht beimisst, welches ihm nach der Verfassung zukommt. Das Bundesarbeitsgericht stellt sein eigenes Verständnis einer glaubwürdigen Vertretung des kirchlichen Ethos nach außen an die Stelle des Verständnisses des Beschwerdeführers. Damit, dass dessen Verständnis von vornherein nicht plausibel dargelegt sei, setzt sich das Gericht nicht auseinander.

2. Mangels Berücksichtigung des plausibel –und damit ausreichend– dargelegten christlichen Profils der verfahrensgegenständlichen Stelle überspannt das Bundesarbeitsgericht in der Folge bei der Anwendung der einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG die nach Maßgabe der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu beachtenden Vorgaben zulasten des religiösen Selbstbestimmungsrechts. Indem das Gericht seine Sicht auf die ausgeschriebene Tätigkeit und deren Zusammenhang mit der Kirchenmitgliedschaft an die Stelle der Sicht des Beschwerdeführers setzt, wird das Interesse des Beschwerdeführers nicht in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise gewichtet.

Die vom Bundesarbeitsgericht geäußerten erheblichen Zweifel daran, dass die vom Beschwerdeführer geforderte berufliche Anforderung der Zugehörigkeit zu einer evangelischen oder der ACK angehörenden Kirche „wesentlich“ im Sinne von § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG ist, lassen die gebotene Einbeziehung des religiösen Selbstbestimmungsrechts des Beschwerdeführers nicht erkennen. Auch soweit das Bundesarbeitsgericht ausführt, dass die vom Beschwerdeführer formulierte berufliche Anforderung nicht gerechtfertigt ist, trägt es dem religiösen Selbstbestimmungsrecht nicht ausreichend Rechnung. Das Bundesarbeitsgericht geht davon aus, dass der Beschwerdeführer weder eine Gefahr der Beeinträchtigung seines Rechts auf Autonomie noch seines Ethos dargetan habe. Auch insoweit ist nicht erkennbar, dass die Sicht des Beschwerdeführers auf den Inhalt und die Bedeutung der Aufgabe überhaupt in die Prüfung eingeflossen ist.

Siehe:
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2025/bvg25-096.html

VII.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss vom 30.09.2025 – 2 TaBV 2/25

Schlagworte/Normen:
Einigungsstelle – offensichtliche Unzuständigkeit – Sozialplan – Beginn der Umsetzung einer Betriebsänderung – nachträglich gegründeter Betriebsrat – Wettlauf – Täuschung über Planungsstand –Vereitelung der rechtzeitigen Wahl eines Betriebsrats

Leitsatz:
1. Wird in einem bislang betriebsratslosen Betrieb ein Betriebsrat erst gebildet, nachdem der Arbeitgeber mit der Umsetzung der Betriebsänderung begonnen hat, steht dem Betriebsrat nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung (zuletzt BAG 8. Februar 2022 – 1 ABR 2/21 – BAGE 177, 104 ff) kein erzwingbares Mitbestimmungsrecht auf Abschluss eines Sozialplans zu.

2. Ein Betriebsrat kann und soll nach der gesetzlichen Konzeption bei Vorliegen der Voraussetzungen unabhängig von einem bestimmten Mitbestimmungstatbestand gebildet werden.

3. Täuscht der Arbeitgeber die Belegschaft über den Planungsstand betreffend eine Betriebsänderung, kann hieraus eine Schadensersatzpflicht nach § 280 Abs. 1 BGB entstehen. Die Pflicht, nicht bewusst die Unwahrheit über betriebliche Planungen zu verbreiten, besteht nach ihrem Schutzzweck aber nicht zur Ermöglichung der rechtzeitigen Gründung eines Betriebsrats zur Wahrnehmung eines Beteiligungsrechts betreffend diese Planungen. Täuschungen über tatsächliche Umstände, die ein bestimmtes Mitbestimmungsrecht auslösen können, sind nicht deshalb verboten, weil sie Einfluss auf die Willensbildung der Belegschaft zur Gründung eines Betriebsrats haben könnten.

4. Eine generelle Verpflichtung des Arbeitgebers, mit einer an sich beteiligungspflichtigen Maßnahme so lange zu warten, bis im Betrieb ein funktionsfähiger Betriebsrat vorhanden ist, enthält das Betriebsverfassungsgesetz nicht. Genauso wenig ist es dem Arbeitgeber verboten, den zunächst geplanten Beginn der Umsetzung einer Maßnahme in Ansehung einer Betriebsratsgründung zu beschleunigen. Einen „Wettlauf“, bei dem zwar die Beibehaltung des eingeschlagenen Tempos erlaubt, die Beschleunigung jedoch verboten ist, gibt es aus Rechtsgründen nicht.

Siehe:
https://www.landesrecht-bw.de/bsbw/document/NJRE001622706

VIII.
Arbeitsgericht Karlsruhe
Beschluss vom 23.09.2025 – 7 BV 2/25

Schlagworte/Normen:
Rüge der Verfahrensart - Beschlussverfahren - Urteilsverfahren - Vorabentscheidung - Abmahnung eines Betriebsratsmitglieds

Leitsatz:
1. Rügt eine Seite ausdrücklich die gewählte Verfahrensart, muss das Gericht vorab für jeden Antrag klären, ob das Beschluss- oder das Urteilsverfahren die zulässige Verfahrensart ist.

2. Ein Beschlussverfahren ist zulässig, wenn sich das Verfahren auf das betriebsverfassungsrechtliche Verhältnis der Betriebspartner bezieht.

3. Für die Anforderungen an den Vortrag gelten die für die Rechtswegzuständigkeit entwickelten Grundsätze: In et-et-Fällen ist es erforderlich, die Tatsachen, die das gewählte Rechtsverhältnis begründen, schlüssig darzulegen. Dagegen genügt in sic-non-Fällen die bloße Rechtsbehauptung, dass das gewählte Rechtsverhältnis bestehe.

Siehe:
https://www.landesrecht-bw.de/bsbw/document/NJRE001623344

IX.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss vom 19.08.2025 – 10 Sa 31/24

Schlagworte/Normen:
Erledigung einer Berufung der Beklagten/Berufungsklägerin nach Rücknahme der Klage durch den Kläger/Berufungsbeklagten

Leitsatz:
1. Ein Rechtsmittel - hier: eine Berufung - kann Gegenstand einer auch einseitig bleibenden Erledigungserklärung sein (im Anschluss an BGH 12.05.1998 - XI ZR 219/97 - Rn. 11, juris)

2. Für eine solche Erledigungserklärung besteht jedenfalls dann ein Bedürfnis, wenn nur auf diese Weise eine angemessene Kostenentscheidung möglich ist. Dies ist u.a. dann der Fall, wenn der Kläger/Berufungsbeklagte durch die Rücknahme der Klage die ursprünglich zulässige Berufung der Beklagten/Berufungsklägerin gegenstandslos werden lässt.

Siehe:
https://www.landesrecht-bw.de/bsbw/document/NJRE001621980

X.
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Beschluss vom 29.09.2025 – 3 Ta 169/25

Schlagworte/Normen:
Rechtsweg bei nachvertraglichem Hausverbot und Kundenkontaktaufnahmeverbot

Leitsatz:
1. Wird nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses seitens der Konzernmutter- und Obergesellschaft der Arbeitgeberin des Arbeitnehmers diesem gegenüber ein konzernweites Haus- und Kundenkontaktaufnahmeverbot ausgesprochen, ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten im Streitverhältnis zur Konzernmuttergesellschaft mangels Arbeitsverhältnis der Parteien allenfalls über § 2 Abs. 3 ArbGG als Zusammenhangsklage begründbar, falls ein Verfahren auch gegen die frühere Arbeitgeberin geführt wird, für dieses die Rechtswegzuständigkeit der Arbeitsgerichte gegeben ist und ein rechtlicher oder unmittelbar wirtschaftlicher Zusammenhang besteht._____

2. Spricht die frühere Arbeitgeberin nahezu zwei Jahre nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber ihrem früheren Arbeitnehmer ein Haus- und Kundenkontaktaufnahmeverbot aus, ohne dass hierbei irgendwie auf das frühere Arbeitsverhältnis Bezug genommen wird, ohne dass ein Wettbewerbsverbot oder eine sogenannte Kundenschutzklausel vertraglich vereinbart worden wären, sondern allein mit der Begründung, dass ihr Hauptlieferant dies verlangt hätte, liegt weder eine Rechtsstreitigkeit aus dem - lange beendeten - Arbeitsverhältnis noch eine solche aus dessen Nachwirkungen vor.

3. Voraussetzung für die Annahme einer Nachwirkung aus dem beendeten Arbeitsverhältnis im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. c) ArbGG ist, dass der geltend gemachte Anspruch seine Grundlage in Rechten und Pflichten aus dem früheren Arbeitsverhältnis hat, die auch nach Beendigung desselben weiter Wirkung entfalten, also "nach"-wirken. Anderenfalls stehen sich ehemaliger Arbeitnehmer und ehemaliger Arbeitgeber rechtlich wie zwei sonstige Rechtssubjekte gegenüber und ist demgemäß der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten, nicht aber jener zur Fachgerichtsbarkeit der Arbeitsgerichte eröffnet.

Siehe:
https://nrwe.justiz.nrw.de/arbgs/duesseldorf/lag_duesseldorf/j2025/3_Ta_169_25_Beschluss_20250929.html

XI.
Landesarbeitsgericht Köln
Urteil vom 19.08.2025 – 7 SLa 647/24

Schlagworte/Normen:
Rückzahlung Fortbildungskosten, Rückzahlung Gehalt, AGB-Kontrolle, Vertretenmüssen

Leitsatz:
1. Für den in einer Rückzahlungsklausel verwendeten Begriff des Vertretenmüssens kommen zwei vertretbare Auslegungsmöglichkeiten in Betracht: Der Begriff kann im Sinne des § 276 BGB als Verschulden durch vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten interpretiert werden. Er kann aber auch als dahingehend interpretiert werden, dass er alle Gründe umfasst, die aus der jeweiligen Verantwortungs- und Risikosphäre stammen.

2. Eine Rückzahlungsklausel ist auch dann unangemessen benachteiligend iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn sie den Arbeitnehmer, der das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Bindungsdauer kündigt, weil es ihm z.B. aufgrund eines durch eigene leichteste Fahrlässigkeit verursachten Unfalls nicht mehr möglich ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, zur Erstattung der Fortbildungskosten verpflichten soll.

3. Eine Rückzahlungsklausel im Vertrag eines Brandmeisteranwärters, die vorsieht, dass die während der 18-monatigen Ausbildung zum Brandmeister gezahlte Bruttovergütung bei einem vorzeitigen Ausscheiden zeitratierlich zurückzuzahlen ist, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Siehe:
https://nrwe.justiz.nrw.de/arbgs/koeln/lag_koeln/j2025/7_SLa_648_24_Urteil_20250819.html

Neu eingestellte Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein:
keine

Michael Henn
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht
VDAA – Präsident
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