Inkassoforderungen der 36media GmbH („KircheAustreten“) – Was Betroffene wissen müssen
Immer häufiger wenden sich Betroffene an uns, nachdem sie Post von der 36media GmbH oder dem Inkassounternehmen Debtist GmbH erhalten haben. In den Schreiben wird zur Zahlung eines angeblich offenen Betrags aus einem Online-Vertrag über die Plattform „KircheAustreten“ aufgefordert. Viele Empfänger sind überrascht – sie haben keine bewusste kostenpflichtige Bestellung in Erinnerung. Der folgende Beitrag erklärt, wie diese Forderungen rechtlich einzuordnen sind, welche Schritte Sie unternehmen sollten und wann anwaltliche Hilfe erforderlich ist.
Die 36media GmbH, mit Sitz in Düsseldorf (Niederrheinstr. 180a, 40474 Düsseldorf), betreibt die Plattform „KircheAustreten“.
Das Angebot richtet sich an Personen, die ihren Kirchenaustritt planen. Die Website stellt Informationen, Formulare und Hilfestellungen bereit und wirbt damit, den bürokratischen Aufwand des Austritts zu reduzieren.
Teil des Geschäftsmodells ist ein Online-Dienst zur Erstellung von Austrittserklärungen, der – nach Unternehmensangaben – 34,95 € kostet. Nutzer sollen so unkompliziert die notwendigen Unterlagen erhalten. In der Praxis fühlen sich viele Betroffene jedoch überrumpelt, da die Kostenpflicht nicht immer hinreichend deutlich erkennbar war.
Rechtliche Würdigung / Analyse
1. Vertragsgrundlage und Transparenz
Damit eine Zahlungspflicht besteht, muss ein wirksamer Vertrag zwischen dem Nutzer und der 36media GmbH zustande gekommen sein.
Nach deutschem Zivilrecht (§§ 145 ff. BGB) setzt dies voraus, dass der Nutzer über den Preis klar und deutlich informiert wurde und dem kostenpflichtigen Angebot bewusst zugestimmt hat.
Fehlt es an einer solchen eindeutigen Zustimmung, liegt kein wirksamer Vertrag vor – eine Zahlungspflicht besteht dann nicht.
Besonders bei Online-Angeboten ist entscheidend, ob die Preisangabe „unmittelbar vor Absenden der Bestellung“ klar erkennbar war (§ 312j Abs. 3 BGB). Eine versteckte Preisangabe oder missverständliche Formulierung („kostenlos“, „unverbindlich“) macht den Vertrag anfechtbar oder nichtig.
2. Inkasso durch Debtist GmbH
Erfolgt keine Zahlung, beauftragt die 36media GmbH regelmäßig die Debtist GmbH mit der Einziehung der Forderung.
In diesen Fällen erhalten Betroffene Mahnungen, die neben der ursprünglichen Forderung auch Inkassokosten und Mahngebühren enthalten.
Wichtig:
Inkassobüros dürfen nur bestehende und fällige Forderungen einziehen.
Besteht Zweifel am Vertragsschluss, sollten Sie die Forderung schriftlich bestreiten.
Eine Zahlung ohne Prüfung kann als Schuldanerkenntnis gewertet werden (§ 781 BGB).
3. Gerichtliche Schritte und Mahnbescheid
Bei weiterer Zahlungsverweigerung kann ein gerichtlicher Mahnbescheid beantragt werden.
Spätestens dann ist sofortiges Handeln erforderlich:
Innerhalb von zwei Wochen Widerspruch einlegen.
Bei Unsicherheit: Rechtsanwalt einschalten, um Fristen zu wahren.
Ein unterlassener Widerspruch führt zur Rechtskraft des Titels (§ 700 Abs. 1 ZPO) und ermöglicht Zwangsvollstreckungsmaßnahmen – etwa Kontopfändung oder Schufa-Eintrag.
Praktische Handlungsempfehlungen
Ruhe bewahren: Lassen Sie sich nicht durch Drohungen oder Fristen verunsichern.
Keine Zahlung ohne Prüfung: Überweisen Sie nichts, bevor Sie die Rechtmäßigkeit der Forderung geprüft haben.
Forderung anfordern: Verlangen Sie eine vollständige Vertragskopie und Nachweise über den angeblichen Vertragsschluss.
Kein Telefonkontakt: Kommunizieren Sie ausschließlich schriftlich, um Beweissicherheit zu wahren.
Fristen beachten: Bei gerichtlichen Schreiben unverzüglich reagieren.
Kein voreiliges Kündigungsschreiben: Eine vorschnelle Kündigung könnte als Anerkenntnis gewertet werden.
Rechtliche Beratung: Lassen Sie den Vorgang durch einen Fachanwalt prüfen. Viele Kanzleien bieten eine kostenlose Ersteinschätzung an.
Inkassokosten prüfen: Selbst bei wirksamen Verträgen sind überhöhte Inkassogebühren regelmäßig nicht erstattungsfähig (§ 254 BGB analog).
Bewertung
Fälle wie die der 36media GmbH zeigen erneut die rechtliche Grauzone kostenpflichtiger Online-Dienste.
Zwar ist es zulässig, für digitale Unterstützung beim Kirchenaustritt eine Gebühr zu verlangen – Voraussetzung bleibt aber eine klare Preiskennzeichnung und informierte Zustimmung des Verbrauchers.
Fehlt diese Transparenz, kann der Verbraucher den Vertrag anfechten (§ 119 BGB) oder wegen Täuschung widerrufen (§ 355 BGB).
Inkassoschreiben ohne eindeutige Vertragsgrundlage sind daher nicht bindend, solange die Forderung substanziiert bestritten wird.
Fazit / Ausblick
Wer ein Inkassoschreiben von der Debtist GmbH im Zusammenhang mit der 36media GmbH („KircheAustreten“) erhält, sollte:
keine unüberlegte Zahlung leisten,
den Vertragsschluss bestreiten, falls unklar,
und gegebenenfalls anwaltliche Unterstützung suchen.
Gerade bei Online-Diensten, die auf schnelle Bestellungen ausgelegt sind, ist eine juristische Prüfung der Vertragsentstehung oft erfolgreich. Betroffene können sich gegen unberechtigte Forderungen wirksam verteidigen.
Rechtsanwalt Dr. Stephan Schmelzer
Fachanwalt IT-Recht, Fachanwalt Arbeitsrecht
http://www.dr-schmelzer.eu
Ostberg 3, 59229 Ahlen
Tel.: 02382.6646
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