Justizia
 
 
Stephan Schmelzer
Anwaltskanzlei Dr. Schmelzer
Ostberg 3
59229 Ahlen


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Vertragsstrafe im Arbeitsvertrag – Grenzen der Angemessenheit nach der Schuldrechtsreform

Mit Urteil vom 4. März 2004 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) eine seit der Schuldrechtsreform zum 1. Januar 2002 umstrittene Frage entschieden: Sind Vertragsstrafen in vorformulierten Arbeitsverträgen weiterhin zulässig?
Das Gericht bejahte dies grundsätzlich, stellte jedoch klar, dass die Angemessenheit der Vertragsstrafe entscheidend bleibt. Damit hat das BAG eine wichtige Leitlinie für die Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht geschaffen.


Sachverhalt / Hintergrund

In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Arbeitgeber in einem arbeitsvertraglichen Formular festgelegt, dass der Arbeitnehmer eine Vertragsstrafe in Höhe eines Bruttomonatsgehalts zu zahlen habe, wenn er das Arbeitsverhältnis nicht antritt oder vertragswidrig beendet.

Zudem war die Kündigung vor Arbeitsantritt ausgeschlossen, während in der Probezeit eine Kündigungsfrist von zwei Wochen galt. Fünf Tage vor dem vereinbarten Arbeitsbeginn erklärte der Arbeitnehmer, er werde die Tätigkeit nicht aufnehmen. Der Arbeitgeber forderte daraufhin die vereinbarte Vertragsstrafe.

Die Rechtslage war nach Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zunächst ungeklärt, weil unklar blieb, ob vorformulierte Vertragsstrafenregelungen in Arbeitsverträgen als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) den strengen Anforderungen der §§ 305 ff. BGB standhalten.

Rechtliche Würdigung / Analyse
1. Vertragsstrafe als zulässige Sanktion

Das BAG stellte klar, dass arbeitgeberseitig vorformulierte Vertragsstrafenversprechen nicht generell unzulässig sind.
Entgegen der bis dahin teilweise vertretenen Auffassung steht § 309 Nr. 6 BGB einer solchen Regelung nicht grundsätzlich entgegen. Diese Vorschrift betrifft in erster Linie Vertragsstrafen zu Lasten von Verbrauchern, nicht jedoch Arbeitnehmer, deren Vertragsverhältnis besonderen arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften unterliegt.

Das Gericht begründete seine Entscheidung mit dem besonderen Schutzmechanismus des Arbeitsrechts: Arbeitnehmer können zur Erbringung ihrer Arbeitsleistung nicht durch Zwangsgeld oder Zwangshaft angehalten werden. Vertragsstrafen dienen hier der Absicherung des Arbeitgebers gegen einen plötzlichen Vertragsbruch, insbesondere bei Nichtantritt der Arbeit.

2. Erforderlichkeit der Angemessenheit

Zwar bleibt die grundsätzliche Zulässigkeit einer Vertragsstrafe bestehen, sie unterliegt jedoch der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB.
Es darf kein Missverhältnis zwischen der Pflichtverletzung und der Höhe der Strafe bestehen. Eine unangemessene Höhe führt unmittelbar zur Unwirksamkeit der Klausel; eine richterliche Herabsetzung ist – anders als im früheren Recht – nicht mehr zulässig.

3. Unangemessenheit im konkreten Fall

Eine Vertragsstrafe in Höhe eines vollen Bruttomonatsgehalts für den bloßen Nichtantritt der Arbeit bei einer zweiwöchigen Kündigungsfrist hielt das BAG für überhöht.
Das Gericht stellte fest, dass eine solche Regelung regelmäßig ein krasses Missverhältnis zwischen der Pflichtverletzung und der Sanktion begründet. Der Arbeitgeber verliert lediglich wenige Tage Vorbereitungszeit, während der Arbeitnehmer eine unverhältnismäßig hohe Geldbuße tragen müsste.

Die Folge: Die Vertragsstrafenklausel war insgesamt unwirksam.

Fazit / Ausblick

Mit dieser Entscheidung hat das BAG klargestellt, dass Vertragsstrafen in Arbeitsverträgen weiterhin zulässig sind – jedoch nur innerhalb enger Grenzen. Arbeitgeber können sich somit weiterhin gegen unentschuldigtes Fernbleiben oder plötzlichen Vertragsbruch absichern, müssen aber auf Verhältnismäßigkeit und klare Formulierungen achten.

Für die Praxis gilt:

Vertragsstrafen sollten in abgestufter Höhe vereinbart werden (z. B. anteilig am Monatsgehalt).

Eine starre Pauschale in Höhe eines vollen Monatsgehalts ist in der Regel unangemessen.

Die Klausel muss transparent und verständlich formuliert sein, um der AGB-Kontrolle standzuhalten.

Arbeitnehmer profitieren von dieser Rechtsprechung, da überzogene Sanktionen keinen Bestand haben und die Vertragsfreiheit durch den Grundsatz der Angemessenheit begrenzt bleibt.

Rechtsanwalt Dr. Stephan Schmelzer
Fachanwalt IT-Recht, Fachanwalt Arbeitsrecht
http://www.dr-schmelzer.eu

Ostberg 3, 59229 Ahlen
Tel.: 02382.6646

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