Widerruf der Dienstwagennutzung bei Freistellung – Neue Klarstellung des BAG
Mit Urteil vom 12. Februar 2025 – 5 AZR 171/24 hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) erneut Gelegenheit, die Rechtslage zur Widerrufbarkeit der Privatnutzung eines Dienstwagens zu konkretisieren. Die Entscheidung befasst sich mit der Frage, ob der Arbeitgeber die private Nutzung eines Dienstwagens während einer Freistellung nach Kündigung wirksam untersagen darf. Das BAG knüpft hier an seine bisherige Linie an, entwickelt sie aber im Detail weiter.
Sachverhalt / Hintergrund
Der Kläger war Arbeitnehmer und nutzte einen vom Arbeitgeber überlassenen Dienstwagen auch privat. Nach einer betriebsbedingten Kündigung zum 31. August 2023 wurde er unter Fortzahlung der Bezüge freigestellt. Der Arbeitgeber forderte zugleich die Rückgabe des Dienstwagens unter Berufung auf eine arbeitsvertragliche Widerrufsklausel.
Diese Klausel sah vor, dass die private Nutzung des Dienstwagens widerrufen werden könne, wenn
das Arbeitsverhältnis gekündigt und der Arbeitnehmer freigestellt oder suspendiert sei,
der Arbeitnehmer vertragswidrig handle oder
länger als sechs Wochen arbeitsunfähig sei.
Ferner sollte „ein Anspruch des Mitarbeiters wegen des Entzugs der privaten Nutzung“ ausgeschlossen sein.
Der Arbeitnehmer gab das Fahrzeug zurück, verlangte aber für die Zeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist eine Nutzungsausfallentschädigung in Höhe des geldwerten Vorteils der privaten Nutzung.
Rechtliche Würdigung
1. Dienstwagen als Vergütungsbestandteil
Die Überlassung eines Dienstwagens zur Privatnutzung ist nach ständiger BAG-Rechtsprechung ein geldwerter Vorteil und damit Teil des Arbeitsentgelts i.S.d. § 107 Abs. 2 Satz 1 GewO. Der Anspruch auf Privatnutzung besteht grundsätzlich solange das Arbeitsverhältnis gegen Entgelt fortbesteht, also auch während der Entgeltfortzahlung bei Krankheit oder während des Annahmeverzugs (vgl. BAG, Urteile vom 23.06.1994 – 8 AZR 537/92; 21.08.2001 – 3 AZR 746/00; 14.12.2010 – 9 AZR 631/09).
2. Widerrufsvorbehalt und AGB-Kontrolle
Ein solcher Vergütungsbestandteil kann nur bei wirksamem Widerrufsvorbehalt entzogen werden.
Nach § 611a Abs. 2 BGB ist der Arbeitgeber zur Gegenleistung verpflichtet, solange das Arbeitsverhältnis besteht. Vorformulierte Widerrufsvorbehalte unterliegen der AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB, insbesondere § 308 Nr. 4 BGB. Sie dürfen die Hauptleistungspflichten des Arbeitgebers nicht unangemessen einschränken.
Darüber hinaus unterliegt der konkrete Widerruf einer Ermessenskontrolle nach § 315 Abs. 1 BGB. Er ist nur wirksam, wenn er billigem Ermessen entspricht (vgl. BAG, Urteile vom 19.12.2006 – 9 AZR 294/06; 13.04.2010 – 9 AZR 113/09; 21.03.2012 – 5 AZR 651/10).
3. Nutzungsausfallentschädigung bei unberechtigtem Entzug
Ein unberechtigter Widerruf führt zu einem Ersatzanspruch des Arbeitnehmers in Form einer Nutzungsausfallentschädigung. Diese orientiert sich an der steuerlichen Bewertung des geldwerten Vorteils der Privatnutzung (vgl. BAG, Urteile vom 19.12.2006 – 9 AZR 294/06; 21.03.2012 – 5 AZR 651/10; 12.10.2022 – 5 AZR 30/22).
Entscheidung des BAG vom 12. Februar 2025 – 5 AZR 171/24
Das BAG hielt den Widerruf der Privatnutzung während der Freistellung nur teilweise für wirksam.
Es sprach dem Kläger eine Nutzungsausfallentschädigung für die Zeit vom 23. bis 31. Mai 2023 zu, lehnte jedoch einen Anspruch für den Zeitraum ab Juni 2023 bis zum Ende der Kündigungsfrist ab.
Das Gericht stellte klar:
Die Widerrufsklausel sei als AGB-Klausel wirksam, soweit sie den Entzug bei Freistellung nach Kündigung vorsehe.
Der Entzug müsse aber unverzüglich und unter Wahrung billigen Ermessens erfolgen.
Für den Zeitraum zwischen Rückgabe des Fahrzeugs und Wirksamwerden des Widerrufs (hier: wenige Tage) bestehe ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung.
Damit bestätigte das BAG seine bisherige Linie: Der Dienstwagen als Teil des Arbeitsentgelts darf grundsätzlich bis zum tatsächlichen Ende der Entgeltzahlung genutzt werden – es sei denn, ein klar formulierter, kontrollfester Widerrufsvorbehalt greift und wird billig ausgeübt.
Fazit / Ausblick
Die Entscheidung betont erneut die hohen Anforderungen an Widerrufsvorbehalte in Arbeitsverträgen. Arbeitgeber sollten:
Widerrufsklauseln präzise formulieren und auf die Voraussetzungen des § 308 Nr. 4 BGB abstimmen,
sicherstellen, dass der Widerruf zeitnah und unter nachvollziehbarer Interessenabwägung erfolgt,
im Falle einer Freistellung deutlich kommunizieren, ab wann die Privatnutzung endet.
Arbeitnehmer können sich auf die vertragliche Vergütungsbindung berufen, solange kein wirksamer Widerruf erklärt ist. Ein unberechtigter Entzug führt regelmäßig zu einer Nutzungsausfallentschädigung.
Rechtsanwalt Dr. Stephan Schmelzer
Fachanwalt IT-Recht, Fachanwalt Arbeitsrecht
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Ostberg 3, 59229 Ahlen
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