Arbeitnehmerbewertungen auf Kununu – Meinungsfreiheit, rechtliche Grenzen und Verteidigungsstrategien
Kritische Arbeitgeberbewertungen sind rechtlich zulässig, solange sie wahr, sachlich und nicht beleidigend sind. Die Meinungsfreiheit schützt Arbeitnehmer auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Abmahnungen und rechtliche Drohungen dienen oft der Einschüchterung und sollten nicht ungeprüft akzeptiert werden. Wer sorgfältig formuliert, seine Aussagen belegen kann und rechtlichen Rat einholt, hat gute Chancen, seine Bewertung erfolgreich zu verteidigen.
1. Ausgangssituation: Wenn Kritik rechtliche Folgen hat
Immer häufiger sehen sich Arbeitnehmer mit rechtlichen Schritten konfrontiert, nachdem sie auf Plattformen wie Kununu oder Glassdoor eine kritische Bewertung ihres ehemaligen Arbeitgebers veröffentlicht haben. Nicht selten werden Abmahnungen, Unterlassungsaufforderungen oder Schadensersatzforderungen ausgesprochen – häufig mit dem Ziel, kritische Stimmen einzuschüchtern oder zur Löschung zu bewegen.
Dabei gilt: Kritische, aber sachliche Bewertungen sind grundsätzlich von der Meinungsfreiheit gedeckt. Arbeitnehmer müssen sich nicht jede Form der rechtlichen Einschüchterung gefallen lassen.
2. Meinungsfreiheit im Arbeitsverhältnis
Die Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG schützt auch Arbeitnehmer, die öffentlich ihre Erfahrungen mit Arbeitgebern schildern. Das gilt ausdrücklich auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Der Schutz umfasst negative, emotionale und auch scharfe Kritik, sofern diese auf tatsächlichen Erfahrungen beruht und nicht die Grenze zur Schmähkritik oder Verleumdung überschreitet.
Die Rechtsprechung betont seit Jahren, dass Meinungsfreiheit ein hohes Gut ist. Schon das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 – 1 BvR 1696/98) hat klargestellt, dass auch provozierende oder verletzende Kritik zulässig ist, solange sie einen sachlichen Bezug hat. Arbeitgeber müssen sich also Kritik gefallen lassen, sofern sie nicht bewusst unwahr oder ehrverletzend ist.
3. Abgrenzung zwischen Meinung und Tatsachenbehauptung
Entscheidend für die rechtliche Bewertung ist die Unterscheidung zwischen Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung:
Meinungen sind durch subjektive Wertungen geprägt („Ich habe mich unfair behandelt gefühlt“). Sie genießen umfassenden Schutz.
Tatsachenbehauptungen sind objektiv überprüfbar („Gehälter wurden nicht ausgezahlt“) und müssen zutreffend sein.
Unwahre Tatsachenbehauptungen können zivil- oder strafrechtliche Konsequenzen haben, etwa nach § 186 StGB (Üble Nachrede) oder § 823 Abs. 1 BGB (Schadensersatz wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung).
Meinungsäußerungen verlieren ihren Schutz, wenn sie zur reinen Schmähung oder persönlichen Herabwürdigung werden – etwa durch beleidigende oder diffamierende Formulierungen.
4. Grenzen zulässiger Kritik
Zulässig sind:
Subjektive, nachvollziehbare Erfahrungsberichte.
Negative Bewertungen, auch in scharfer oder emotionaler Form.
Kritik an Arbeitsbedingungen, Führungsstil oder Unternehmenskultur.
Unzulässig sind:
Beleidigungen oder Schmähkritik („Betrüger“, „Idiot“).
Unwahre Behauptungen, etwa über angebliche Gesetzesverstöße oder nicht gezahlte Löhne.
Verletzung von Geschäftsgeheimnissen oder Veröffentlichung interner Daten (§ 2 GeschGehG).
5. Typische Reaktionsmuster von Unternehmen
In der Praxis reagieren Unternehmen häufig mit standardisierten Abmahnschreiben, ohne die konkrete Bewertung im Detail zu prüfen. Typische Merkmale solcher Einschüchterungsversuche sind:
Allgemeine Behauptungen, die Bewertung sei „rechtswidrig“, ohne konkrete Begründung.
Überzogene Schadensersatzforderungen, oft im fünfstelligen Bereich.
Androhung strafrechtlicher Schritte oder extrem kurzer Fristen für Unterlassungserklärungen.
Viele dieser Schreiben sind rechtlich unbegründet. Arbeitnehmer sollten sie prüfen lassen, bevor sie reagieren oder etwas unterschreiben. Eine vorschnelle Unterlassungserklärung kann langfristig nachteilige Folgen haben.
6. Verteidigungsstrategien gegen Abmahnungen
Wer eine Abmahnung wegen einer Kununu-Bewertung erhält, sollte:
Ruhe bewahren und Fristen prüfen.
Keine vorschnellen Erklärungen abgeben oder Änderungen vornehmen.
Dokumentation sichern: Belege (z. B. E-Mails, Arbeitsunterlagen, Zeugen) sammeln, die die geschilderten Erfahrungen stützen.
Juristische Bewertung durch einen spezialisierten Anwalt einholen.
Wird der Wahrheitsgehalt Ihrer Bewertung durch Belege gestützt und sind keine Beleidigungen enthalten, bestehen gute Erfolgsaussichten, sich gegen Unterlassungs- oder Schadensersatzforderungen zu verteidigen.
7. Rechtssichere Formulierungen für Bewertungen
Zur Vermeidung rechtlicher Risiken empfiehlt es sich, Bewertungen nach folgenden Grundsätzen zu gestalten:
Subjektive Wahrnehmung betonen:
Statt „Das Unternehmen zahlt keine Überstundenvergütung“ lieber „Nach meiner Erfahrung wurden Überstunden nicht regelmäßig vergütet“.
Tatsachen belegen können:
Nur solche Vorgänge schildern, die Sie selbst erlebt haben oder sicher belegen können.
Sachliche Kritik statt Emotionen:
Kritik darf deutlich sein, sollte aber nicht beleidigend wirken.
Keine Interna preisgeben:
Geschäftsgeheimnisse, Kundendaten oder interne Abläufe gehören nicht in öffentliche Bewertungen.
8. Besonderer Schutz in bestimmten Konstellationen
Bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern genießen bei kritischen Äußerungen erweiterten Schutz:
Betriebsratsmitglieder dürfen im Rahmen ihrer Aufgaben Missstände offen ansprechen (§ 2 Abs. 1 BetrVG).
Whistleblower sind nach dem Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) geschützt, wenn sie auf erhebliche Rechtsverstöße oder Gefahren aufmerksam machen.
Öffentliches Interesse kann eine kritische Bewertung rechtfertigen, wenn Missstände über den Einzelfall hinaus von Bedeutung sind (vgl. EGMR, Urteil vom 21.07.2011 – Heinisch ./. Deutschland).
9. Kosten und Risiken
Rechtliche Auseinandersetzungen über Arbeitgeberbewertungen bergen finanzielle Risiken, die aber häufig überschaubar sind:
Wird eine Klage des Unternehmens abgewiesen, trägt dieses die gesamten Kosten (§ 91 ZPO).
Arbeitnehmer können Prozesskostenhilfe beantragen, wenn sie über geringe Einkünfte verfügen.
Viele Rechtsschutzversicherungen decken Internet- und Persönlichkeitsrechtsstreitigkeiten ab – ein Blick in die Police lohnt sich.
10. Künftige Entwicklungen: Digitale Meinungsfreiheit im Wandel
Mit der zunehmenden Bedeutung digitaler Bewertungsplattformen wird auch das Online-Reputationsrecht weiter an Bedeutung gewinnen.
Zukünftige EU-Regelungen, etwa der Digital Services Act (DSA), werden die Rechte von Nutzern gegenüber Plattformbetreibern stärken und für mehr Transparenz bei Löschungen sorgen. Arbeitnehmer erhalten dadurch künftig besseren Schutz gegen ungerechtfertigte Löschungen oder Blockierungen.
11. Fazit
Kritische Arbeitgeberbewertungen sind rechtlich zulässig, solange sie wahr, sachlich und nicht beleidigend sind. Die Meinungsfreiheit schützt Arbeitnehmer auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Abmahnungen und rechtliche Drohungen dienen oft der Einschüchterung und sollten nicht ungeprüft akzeptiert werden. Wer sorgfältig formuliert, seine Aussagen belegen kann und rechtlichen Rat einholt, hat gute Chancen, seine Bewertung erfolgreich zu verteidigen.
Rechtsanwalt Dr. Stephan Schmelzer, Fachanwalt IT-Recht, Fachanwalt Arbeitsrecht, http://www.dr-schmelzer.eu, Ostberg 3, 59229 Ahlen, Tel.: 02382.6646.
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