Kündigung in der Insolvenz – Rechte, Pflichten und Erfolgsaussichten einer Klage
Kündigung in der Insolvenz – Rechte, Pflichten und Erfolgsaussichten einer Klage
1. Fortbestand des Arbeitsverhältnisses trotz Insolvenz
Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens führt nicht automatisch zur Beendigung bestehender Arbeitsverhältnisse. Diese bleiben grundsätzlich bestehen (§ 108 Abs. 1 InsO). Arbeitnehmer sind daher verpflichtet, ihre Arbeitsleistung weiterhin anzubieten und zu erbringen. Auch der Anspruch auf Arbeitsentgelt bleibt bestehen, wobei Löhne aus der Zeit vor der Insolvenzeröffnung als Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) gelten, während Ansprüche nach Verfahrenseröffnung Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO) darstellen.
2. Kündigungsmöglichkeiten des Insolvenzverwalters
Der Insolvenzverwalter tritt gemäß § 80 InsO an die Stelle des Arbeitgebers und ist berechtigt, Arbeitsverhältnisse zu kündigen. Für diese Kündigung gilt eine Sonderregelung in § 113 InsO:
Danach kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von höchstens drei Monaten zum Monatsende beendet werden, selbst wenn vertraglich oder tariflich längere Kündigungsfristen vereinbart sind. Diese Vorschrift ist zwingendes Recht und stellt für langjährig Beschäftigte regelmäßig eine erhebliche Verkürzung ihrer Kündigungsfrist dar (vgl. BAG, Urteil vom 21.03.2002 – 2 AZR 188/01).
3. Erfolgsaussichten einer Kündigungsschutzklage
Eine Kündigung durch den Insolvenzverwalter unterliegt denselben Voraussetzungen wie jede andere arbeitgeberseitige Kündigung. Das bedeutet insbesondere:
Es muss ein personen-, verhaltens- oder betriebsbedingter Kündigungsgrund im Sinne von § 1 KSchG vorliegen.
Der Betriebsrat ist gemäß § 102 BetrVG anzuhören.
Sonderkündigungsschutz (z. B. für Schwangere, Betriebsratsmitglieder, Schwerbehinderte, Elternzeit) bleibt bestehen; erforderliche behördliche Zustimmungen müssen vor Ausspruch der Kündigung vorliegen.
Verstößt der Insolvenzverwalter gegen diese Vorgaben, ist die Kündigung unwirksam. Die Erfolgsaussichten einer Klage unterscheiden sich daher im Grundsatz nicht von einer Kündigung außerhalb der Insolvenz.
Allerdings kann das Gericht bei der betrieblichen Dringlichkeit betriebsbedingter Kündigungen tendenziell großzügiger urteilen, wenn die wirtschaftliche Notlage objektiv nachvollziehbar ist. Gleichwohl hat auch in der Insolvenz eine willkürliche oder sozial unausgewogene Auswahlentscheidung keinen Bestand.
4. Durchsetzbarkeit und wirtschaftliche Erwägungen
Selbst bei erfolgreicher Klage kann die wirtschaftliche Durchsetzbarkeit der Ansprüche problematisch sein, wenn die Insolvenzmasse erschöpft ist. Dennoch sollte ein Arbeitnehmer nicht vorschnell auf seine Rechte verzichten.
Oft ergibt sich im Verlauf des Verfahrens ein Betriebs(teil)übergang nach § 613a BGB, wodurch die Ansprüche gegen den Erwerber übergehen können. In solchen Fällen steigen die Chancen erheblich, Abfindungen oder Weiterbeschäftigung zu erreichen.
5. Fristen und Formerfordernisse
Die Klagefrist entspricht der allgemeinen Regelung des § 4 KSchG:
Der Arbeitnehmer muss innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht erheben.
Versäumt er diese Frist, gilt die Kündigung als wirksam (§ 7 KSchG). Die Klage kann formlos eingereicht werden, sollte aber aus Beweisgründen schriftlich oder über das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) erfolgen.
6. Arbeitszeugnis in der Insolvenz
Das Arbeitszeugnis wird grundsätzlich vom Insolvenzverwalter als Arbeitgebervertreter ausgestellt (§ 109 GewO).
In größeren Unternehmen erfolgt die Erstellung häufig über die bisherige Personalabteilung.
Da solche Zeugnisse oftmals knapp gehalten sind, empfiehlt es sich, frühzeitig ein Zwischenzeugnis zu beantragen, sobald sich wirtschaftliche Schwierigkeiten abzeichnen. Dieses kann bei späteren Bewerbungen regelmäßig einen besseren Eindruck hinterlassen.
7. Praktische Hinweise für Arbeitnehmer
Prüfen Sie die Klagefrist unverzüglich nach Zugang der Kündigung.
Ziehen Sie möglichst einen Fachanwalt für Arbeitsrecht hinzu, der Erfahrung mit insolvenzbedingten Kündigungen hat.
Eine Rechtsschutzversicherung deckt in der Regel die Kosten einer Kündigungsschutzklage und verschafft strategische Vorteile bei Verhandlungen über Abfindungen.
Selbst wenn die Insolvenzmasse gering erscheint, kann sich eine Klage lohnen, insbesondere bei drohendem Betriebsübergang oder Veräußerung des Unternehmens.
Fazit:
Eine Kündigung in der Insolvenz unterliegt denselben rechtlichen Maßstäben wie jede andere Kündigung. Zwar verkürzt § 113 InsO die Kündigungsfrist auf maximal drei Monate, doch bleibt der Insolvenzverwalter an die Vorgaben des Kündigungsschutzgesetzes gebunden. Wer innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist reagiert, hat – je nach Kündigungsgrund und Verfahrenslage – weiterhin realistische Chancen auf Weiterbeschäftigung oder Abfindung, selbst im Insolvenzverfahren.
« zurück