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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart
I.
Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 31. Juli 2025 – 6 AZR 172/24
Schlagworte/Normen:
Keine Entscheidung zur Tariffähigkeit des Arbeitgeberverbands Diakonischer Dienstgeberverband Niedersachsen e.V. (DDN)
Volltext PE:
Nimmt ein Tarifvertrag auf einen anderen Tarifvertrag Bezug, werden die Regelungen des in Bezug genommenen Tarifvertrags inkorporierter Teil des verweisenden Tarifvertrags. Als solcher gelten sie unmittelbar und zwingend zwischen den an den Verweisungstarifvertrag gebundenen Parteien eines Arbeitsvertrags. Das gilt auch für den Fall, dass am Abschluss des in Bezug genommenen Tarifvertrags eine nicht tariffähige Partei beteiligt gewesen sein sollte.
Die Beklagte ist Mitglied des Diakonischen Werks der evangelisch-lutherischen Landeskirche Schaumburg-Lippe. Kirchenrechtliche Bestimmungen schreiben vor, dass dessen Mitglieder zugleich Mitglieder im DDN sind. Der DDN hat ua. den Tarifvertrag Diakonie Niedersachsen vom 19. September 2014 (TV DN) geschlossen. Die Beklagte betreibt ein Ende 2016 im Wege eines Betriebsübergangs übernommenes Krankenhaus. In diesem ist die Klägerin als Fachkrankenschwester im Herzkatheter-Labor beschäftigt. Dabei handelt es sich um Tätigkeiten einer Pflegefachkraft in einem Funktionsbereich. Seit der ab Mai 2019 geltenden Fassung gewährt Teil B Abschnitt I § 3 Abs. 1 TV DN eine monatliche Zulage zum Tabellenentgelt für „Arbeitnehmerinnen auf Arbeitsplätzen in der Pflege in Krankenhäusern“. Deren Zahlung beansprucht die Klägerin mit der vorliegenden Klage. Sie ist der Ansicht, dass der Begriff des „Arbeitsplatzes in der Pflege“ auch Funktionsbereiche wie bspw. das Herzkatheter-Labor umfasse. Die Beklagte steht demgegenüber auf dem Standpunkt, dass die Zulage nur an Pflegepersonal auf bettenführenden Stationen zu zahlen sei.
Der Senat hat die Parteien darauf hingewiesen, dass wegen einer Zwangsmitgliedschaft im DDN Zweifel an der Tariffähigkeit des auf Arbeitgeberseite am Vertragsschluss beteiligten DDN und damit an der Wirksamkeit des TV DN bestehen könnten. Darauf ist der aus Anlass des Betriebsübergangs ua. von der Beklagten sowie der Gewerkschaft ver.di, deren Mitglied die Klägerin ist, geschlossene Überleitungstarifvertrag vorgelegt worden. Dessen § 3 bestimmt, dass auf die übergehenden Arbeitsverhältnisse ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs die Bestimmungen des TV DN in der jeweils geltenden Fassung Anwendung finden. Darum konnte der Senat nicht mehr über die Frage der Tariffähigkeit des DDN befinden. Die Regelungen des TV DN sind aufgrund der Bezugnahme in § 3 des Überleitungstarifvertrags, an den die Parteien gemäß § 3 Abs. 1 TVG gebunden sind, inkorporierter Teil dieses Tarifvertrags. Als solcher gelten sie im Arbeitsverhältnis der Parteien unmittelbar und zwingend. Ob die Parteien daneben auch an den TV DN selbst gebunden sind, war deshalb irrelevant. Die Klage hatte dennoch keinen Erfolg. Funktionsbereiche wie bspw. das Herzkatheter-Labor sind vom Begriff der „Arbeitsplätze in der Pflege“ iSv. Teil B Abschnitt I § 3 Abs. 1 TV DN nicht umfasst.
Siehe:
https://www.bundesarbeitsgericht.de/presse/keine-entscheidung-zur-tariffaehigkeit-des-arbeitgeberverbands-diakonischer-dienstgeberverband-niedersachsen-e-v-ddn/
II.
Verwaltungsgericht Köln
Urteil vom 11.09.2025 - 15 K 1556/24
Schlagworte/Normen:
Bundesbeamte haben Anspruch auf zehn Tage vergüteten Vaterschaftsurlaub unmittelbar aus EU-Recht
Volltext PE:
Bundesbeamten steht unmittelbar aus dem EU-Recht ein Anspruch auf zehn Tage vergüteten Vaterschaftsurlaub anlässlich der Geburt ihres Kindes zu. Dies hat das Verwaltungsgericht Köln mit Urteil vom heutigen Tag (11.September 2025) entschieden und damit der Klage eines Beamten gegen die Bundesrepublik Deutschland als seinem Dienstherrn stattgegeben.
Der Kläger hatte Ende 2022 anlässlich der bevorstehenden Geburt seiner Tochter Vaterschaftsurlaub beantragt und sich zur Begründung auf die EU-Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige (sog. Vereinbarkeitsrichtlinie; RL (EU) 2019/1158) berufen. Die Beklagte hatte den Antrag abgelehnt. Einen Anspruch auf Vaterschaftsurlaub gebe es im nationalen Recht nicht. Der Kläger könne sich auch nicht unmittelbar auf die EU-Richtlinie berufen, weil Deutschland deren Vorgaben mit den Regelungen zu Elternzeit und Elterngeld erfüllt habe. Daraufhin hat der Kläger, der im Anschluss an die Geburt zunächst Erholungsurlaub genommen hatte, im März 2024 Klage erhoben.
Die Klage hatte Erfolg. Das Gericht hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger den beantragten Vaterschaftsurlaub rückwirkend zu gewähren und seinem Urlaubskonto gutzuschreiben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Kläger kann sich unmittelbar auf die Vorschriften zum Vaterschaftsurlaub in der Vereinbarkeitsrichtlinie berufen. Denn Deutschland ist seiner Verpflichtung, die Richtlinie bis zum 2. August 2022 umzusetzen, nicht nachgekommen. Zwar gab es während der Zeit der Ampel-Koalition einen Referentenentwurf für ein entsprechendes Gesetz. Dieses ist aber nicht verabschiedet worden. Auch auf die in der Richtlinie vorgesehenen Ausnahmen von der Umsetzungspflicht kann Deutschland sich nicht mit Erfolg berufen. Die Regelungen zu Elterngeld und Elternzeit genügen den Vorgaben der Richtlinie nicht. Zwar können Väter anlässlich einer Geburt auch nur einzelne Tage Elternzeit in Anspruch nehmen. Sie erhalten in diesem Fall aber nicht die von der Richtlinie vorgesehene Lohnfortzahlung. Ein Elternteil hat nämlich nur dann Anspruch auf Elterngeld, wenn er es mindestens für zwei Lebensmonate des Kindes bezieht.
Gegenüber privaten Arbeitgebern steht Beschäftigten kein Anspruch auf Vaterschaftsurlaub zu. Denn die unmittelbare Anwendbarkeit einer Richtlinie ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auch eine Sanktion gegenüber dem Mitgliedstaat dafür, dass dieser eine Richtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat. Dieser Gedanke greift im Verhältnis zwischen Privatpersonen nicht durch. In einem solchen Arbeitsverhältnis scheidet eine unmittelbare Anwendung von Richtlinien-Bestimmungen daher aus. Es könnten allenfalls staatshaftungsrechtliche Ansprüche bestehen.
Gegen das Urteil können die Beteiligten Berufung einlegen, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheiden würde.
Siehe:
https://www.vg-koeln.nrw.de/behoerde/presse/Pressemitteilungen/16_11092025/index.php
III.
Europäischer Gerichtshof (EuGH)
Urteil vom 11.09.2025 in der Rechtssache C-38/24 | [Bervidi]
Schlagworte/Normen:
Diskriminierung am Arbeitsplatz: Der Schutz der Rechte behinderter Personen vor indirekter Diskriminierung erstreckt sich auf Eltern behinderter Kinder
Volltext PE:
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat soeben entschieden, dass die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen in diesen Fällen so anzupassen sind, dass diese Eltern sich ohne die Gefahr einer mittelbaren Diskriminierung um ihr Kind kümmern können.
Eine Stationsaufsicht ersuchte ihren Arbeitgeber mehrmals, sie an einem Arbeitsplatz mit festen Arbeitszeiten einzusetzen. Dies begründete sie damit, dass sie sich um ihren schwerbehinderten, vollinvaliden Sohn kümmern müsse. Der Arbeitgeber gewährte ihr vorläufig bestimmte Anpassungen. Er lehnte es jedoch ab, diese Anpassungen auf Dauer zu gewähren. Die Stationsaufsicht focht diese Ablehnung vor den italienischen Gerichten an, bis die Rechtssache schließlich dem italienischen Kassationsgerichtshof vorgelegt wurde.
Der italienische Kassationsgerichtshof hat sich an den Gerichtshof gewandt, denn er hat Zweifel in Bezug auf die Auslegung des Unionsrechts zum Schutz vor mittelbarer Diskriminierung eines Arbeitnehmers, der sich, ohne selbst behindert zu sein, um sein schwerbehindertes minderjähriges Kind kümmert.
Der Gerichtshof antwortet, dass das Verbot der mittelbaren Diskriminierung wegen einer Behinderung nach der Rahmenrichtlinie zur Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf auch für einen Arbeitnehmer gilt, der wegen der Unterstützung seines behinderten Kindes diskriminiert wird.
Ausweislich des Urteils Coleman, in dem der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass nach dieser Richtlinie eine unmittelbare „Mitdiskriminierung“ wegen einer Behinderung verboten ist, zielt diese Richtlinie darauf ab, in Beschäftigung und Beruf jede Form der Diskriminierung wegen einer Behinderung zu bekämpfen. Außerdem ist diese Richtlinie im Licht des Diskriminierungsverbots, der Wahrung der Rechte der Kinder und des Rechts behinderter Personen auf Eingliederung – jeweils in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vorgesehen – in Verbindung mit dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu sehen. Aus diesen Rechtsakten geht hervor, dass zur Wahrung der Rechte von behinderten Menschen, insbesondere Kindern, das allgemeine Diskriminierungsverbot auch die mittelbare „Mitdiskriminierung “wegen einer Behinderung erfasst, damit auch die Eltern behinderter Kinder in Beschäftigung und Beruf gleichbehandelt und nicht aufgrund der Lage ihrer Kinder benachteiligt werden.
Dem Gerichtshof zufolge ist ein Arbeitgeber, um die Gleichbehandlung der Arbeitnehmer zu gewährleisten, verpflichtet, angemessene Vorkehrungen zu treffen, damit Arbeitnehmer ihren behinderten Kindern die erforderliche Unterstützung zukommen lassen können, sofern dadurch der Arbeitgeber nicht unverhältnismäßig belastet wird. Das nationale Gericht wird daher zu prüfen haben, ob in dieser Rechtssache das Ersuchen des Arbeitnehmers den Arbeitgeber nicht unverhältnismäßig belastet hätte.
Siehe:
https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2025-09/cp250119de.pdf
IV.
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Urteil vom 17.09.2025 - 1 K 5204/24
Schlagworte/Normen:
Täuschende Lehrerin wird zu Recht nicht eingestellt
Volltext PE:
Das Land Nordrhein-Westfalen durfte einer Lehrerin die Verbeamtung versagen, weil sie bei der erforderlichen amtsärztlichen Überprüfung über ihren Gesundheitszustand getäuscht hat. Der Versagungsbescheid der Bezirksregierung Düsseldorf wegen berechtigter Zweifel an der charakterlichen Eignung der Lehrerin ist rechtmäßig. Dies hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen mit Urteil vom 17. September 2025 entschieden.
Die Klägerin war angestellte Lehrerin. Sie wollte verbeamtet werden. Im Zuge der hierfür notwendigen amtsärztlichen Untersuchung erklärte sie der zuständigen Amtsärztin, sie sei vor kurzem zur Abklärung einer Bauchraumverhärtung operiert worden. Daraufhin forderte die Amtsärztin von der Klägerin weitere Unterlagen und wies sie darauf hin, sie könne ihre Erklärung über die Schweigepflichtentbindung auch widerrufen. Dies tat die Klägerin, vereinbarte aber sogleich einen neuen Termin bei demselben Gesundheitsamt für eine neue amtsärztliche Untersuchung. Diese fand bei einer anderen Amtsärztin statt. Ihr verschwieg die Klägerin die Operation sowie die Verhärtung, so dass die Amtsärztin ihr die für die Verbeamtung notwendige gesundheitliche Eignung attestieren wollte. Bevor es zur Verbeamtung kam, fiel die doppelte Untersuchung auf. Die zuständige Bezirksregierung Düsseldorf lehnte die Bewerbung der Klägerin unter Verweis auf ihre mangelnde charakterliche Eignung als Lehrerin ab.
Die Ablehnung erfolgte zurecht, wie die zuständige 1. Kammer des Verwaltungsgerichts nunmehr entschieden hat. Die Kammer sieht es als erwiesen an, dass die Klägerin zu ihren Gunsten getäuscht hat, um die Bauchraumverhärtung zu verschweigen und so täuschungsbedingt ihre gesundheitliche Eignung zu erschleichen. Dies ist mit dem Leitbild eines Lehrers, wie es die Bezirksregierung zulässigerweise formuliert, nicht zu vereinbaren. Lehrer stellen gerade auch in Ausübung ihrer Erziehungsfunktion ein Vorbild für aufrichtiges und regelkonformes Verhalten dar. Die Bezirksregierung hat dieses Leitbild zu Recht durch das Täuschungsmanöver der Klägerin als nachhaltig beschädigt angesehen. Ihr Vortrag, sie erachte die Verhärtung für medizinisch irrelevant, ist nicht durchschlagend. Bereits die Ausführungen der ersten Amtsärztin mussten der Klägerin deutlich gemacht haben, dass die Verbeamtung auch von der Abklärung der Bauchraumverhärtung abhängen wird. Die Kammer sah in dem Verhalten eine arglistige Täuschung, die selbst bei erfolgter Verbeamtung den Tatbestand der notwendigen Rücknahme einer Ernennung erfüllt hätte.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Klägerin kann bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen die Zulassung der Berufung beantragen.
Siehe:
https://www.justiz.nrw.de/presse/2025-09-17-0
V.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.05.2025, Az.: 10 SLa 687/24
Schlagworte/Normen:
Auflösungsantrag eines Arbeitnehmers im Fall der Rechtsunwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung
Leitsatz:
1. Eine Druckkündigung liegt vor, wenn Dritte unter Androhung von Nachteilen für den Arbeitgeber von diesem die Entlassung eines bestimmten Arbeitnehmers verlangen. Dabei sind zwei Fallgruppen zu unterscheiden: Das Verlangen des Dritten kann gegenüber dem Arbeitgeber durch ein Verhalten des Arbeitnehmers oder einen in dessen Person liegenden Grund objektiv gerechtfertigt sein. In diesem Falle liegt es im Ermessen des Arbeitgebers, ob er eine personen- oder verhaltensbedingte Kündigung ausspricht. Fehlt es an einer objektiven Rechtfertigung der Drohung, kommt eine Kündigung aus betriebsbedingten Gründen in Betracht.
2. Beim Verlangen der Belegschaft oder eines Teils der Belegschaft auf Entlassung eines Arbeitnehmers darf der Arbeitgeber diesem nicht ohne weiteres nachgeben. Er hat sich aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht schützend vor den betroffenen Arbeitnehmer zu stellen und alles Zumutbare zu versuchen, um die Belegschaft von ihrer Drohung abzubringen. Nur wenn daraufhin trotzdem ein Verhalten in Aussicht gestellt wird, z.B. Streik oder Massenkündigung, und dadurch schwere wirtschaftliche Schäden für den Arbeitgeber drohen, kann die Kündigung gerechtfertigt sein. Dabei ist jedoch Voraussetzung, dass die Kündigung das einzig in Betracht kommende Mittel ist, um die Schäden abzuwenden.
3. Im Fall der Rechtsunwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung steht der Auflösungsantrag ausschließlich dem Arbeitnehmer zu. Eine analoge Anwendung von § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG auf Fälle der für unwirksam erklärten fristlosen arbeitgeberseitigen Kündigung kommt nicht in Betracht. Dies gilt auch dann, wenn das Recht des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis ordentlich zu kündigen, tariflich ausgeschlossen ist. Der Ausschluss des Antragsrechts gilt auch im Zusammenhang mit einer für unwirksam erkannten außerordentlichen Kündigung, die unter Einhaltung einer der ordentlichen Kündigung entsprechenden Auslauffrist ausgesprochen worden ist, und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine notwendige oder um eine soziale Auslauffrist handelt.
Siehe:
https://voris.wolterskluwer-online.de/browse/document/da7951bb-4e12-453f-9559-a1d869201b84
VI.
Landesarbeitsgericht Köln
Urt. v. 19.08.2025, Az.: 7 SLa 647/24
Schlagworte/Normen:
Rückzahlung Fortbildungskosten, Rückzahlung Gehalt, AGB-Kontrolle, Vertretenmüssen
Leitsatz:
1. Für den in einer Rückzahlungsklausel verwendeten Begriff des Vertretenmüssens kommen zwei vertretbare Auslegungsmöglichkeiten in Betracht: Der Begriff kann im Sinne des § 276 BGB als Verschulden durch vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten interpretiert werden. Er kann aber auch als dahingehend interpretiert werden, dass er alle Gründe umfasst, die aus der jeweiligen Verantwortungs- und Risikosphäre stammen.
2. Eine Rückzahlungsklausel ist auch dann unangemessen benachteiligend iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn sie den Arbeitnehmer, der das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Bindungsdauer kündigt, weil es ihm z.B. aufgrund eines durch eigene leichteste Fahrlässigkeit verursachten Unfalls nicht mehr möglich ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, zur Erstattung der Fortbildungskosten verpflichten soll.
3. Eine Rückzahlungsklausel im Vertrag eines Brandmeisteranwärters, die vorsieht, dass die während der 18-monatigen Ausbildung zum Brandmeister gezahlte Bruttovergütung bei einem vorzeitigen Ausscheiden zeitratierlich zurückzuzahlen ist, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Siehe:
https://nrwe.justiz.nrw.de/arbgs/koeln/lag_koeln/j2025/7_SLa_647_24_Urteil_20250819.html
VII.
Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss v. 1.07.2025, Az.: 9 TaBV 25/25
Schlagworte/Normen:
Einigungsstelle - offenkundige Unzuständigkeit - Festlegung des Orts, an dem die Arbeitszeit beginnen und enden soll
Leitsatz:
Die Einigungsstelle ist für die Regelung des Ortes, dessen Erreichen oder Verlassen für den Zeitpunkt des Beginns und Endes der Arbeitszeit maßgebend sein soll, offensichtlich unzuständig.
Siehe:
https://nrwe.justiz.nrw.de/arbgs/koeln/lag_koeln/j2025/9_TaBV_25_25_Beschluss_20250701.html
VIII.
Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss v. 25.07.2025, Az.: 9 TaBV 7/25
Schlagworte/Normen:
Informationsanspruch des Betriebsrats - Vorlage von Unterlagen - Dateien - Arbeitszeiterfassung – Vergleich
Leitsatz:
1. Dem Anspruch des Betriebsrats auf Zurverfügungstellung erforderlicher Unterlagen (hier: Stempelzeiten Reports) steht nicht entgegen, dass die begehrten Informationen nur als Datei vorliegen und noch generiert werden müssen, sofern dies mit einem vorhandenen Programm-Tool ohne Weiteres möglich ist.
2. Die Betriebsparteien können diese Vorlagepflicht in einem gerichtlichen Vergleich wirksam auf einzelfallbezogene Anlässe beschränken.
Siehe:
https://nrwe.justiz.nrw.de/arbgs/koeln/lag_koeln/j2025/9_TaBV_7_25_Beschluss_20250725.html
IX.
Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss v. 24.07.2025, Az.: 13 Ta 56/25
Schlagworte/Normen:
Aufhebung der Beiordnung - Kontaktabbruch - wichtiger Grund
Leitsatz:
Ein vorübergehender Kontaktabbruch zu dem Mandanten stellt keinen Grund zur Aufhebung der Beiordnung iSd § 48 Abs. 2 BRAO dar.
Siehe:
https://nrwe.justiz.nrw.de/arbgs/hamm/lag_hamm/j2025/13_Ta_56_25_Beschluss_20250724.html
Neu eingestellte Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein:
EinstelldatumAktenzeichenGerichtSchlagworteDatei
09/09/20252 Ta 42/25LAG Schleswig-HolsteinStreitwert, Unterlassungsklage, negative Bewertung, ArbeitgeberbewertungsportalBeschluss-2-Ta-42-25-03-06-2025.pdf
(240.3 KB)
18/07/20253 Ca 1149 öD d/24ArbG KielEingruppierung, Erzieherin, Tätigkeiten, Grundschule, Ganztagsbetreuung, Grundsatz der TarifautomatikUrteil-3-Ca-1149 öD d-24-28-11-2024_Kiel.pdf
(578.7 KB)
Sonstiges:
I.
Bundesgerichtshof
Urteil vom 8. Juli 2025 - II ZR 165/23 – veröffentlicht am 30.07.2025
Schlagworte/Normen:
BGB § 826 D., Gg
Leitsatz:
Zur Haftung eines abberufenen Geschäftsführers wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung durch Betreiben eines Schneeballsystems.
Siehe:
https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&Seite=8&nr=142446&anz=1093&pos=246
II.
Bundesgerichtshof
Urteil vom 13. Mai 2025 - VI ZR 67/23 – veröffentlicht am 31.07.2025
Schlagworte/Normen:
DSGVO Art. 82 Abs. 1
Leitsatz:
Zu den Anforderungen an die Darlegung eines immateriellen Schadens im Sinne von Art. 82 Abs. 1 DSGVO.
Siehe:
https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&Seite=7&nr=142460&anz=1093&pos=235
Michael Henn
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht
VDAA – Präsident
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