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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart


I.
Reichweite einer Kostenregelung für Teile des Gemeinschaftseigentums
BGH, Urteil vom 23.05.2025, Az.: V ZR 36/24

Eine Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung, wonach einzelne Wohnungseigentümer die Kosten für die Instandhaltung und Instandsetzung von bestimmten Teilen des Gemeinschaftseigentums im räumlichen Bereich ihres Sondereigentums (hier: Fenster) zu tragen haben, umfasst im Zweifel die Kosten für die Beseitigung anfänglicher Mängel.

II.
Vorenthaltung der Mietsache
BGH, Urteil vom 18.06.2025, Az.: VIII ZR 291/23

a) Die Mietsache wird dem Vermieter dann im Sinne des § 546a Abs. 1 BGB nach Beendigung des Mietverhältnisses vorenthalten, wenn - kumulativ - der Mieter die Mietsache nicht zurückgibt und das Unterlassen der Herausgabe dem Willen des Vermieters widerspricht.

b) An einem Rückerlangungswillen des Vermieters fehlt es etwa, wenn er - trotz Kündigung des Mieters - vom Fortbestehen des Mietverhältnisses ausgeht.

c) Für einen bereicherungsrechtlichen Nutzungsersatzanspruch des Vermieters, der dann gegeben sein kann, wenn der (ehemalige) Mieter die Sache über die vereinbarte Laufzeit hinaus nutzt, kommt es maßgeblich auf die tatsächlich gezogenen Nutzungen an; der bloße (unmittelbare oder mittelbare) Besitz an der Wohnung reicht hierfür nicht aus.

d) Zur Bemessung des Werts der nach dieser Maßgabe herauszugebenden Nutzungen, wenn der (ehemalige) Mieter die Wohnung nach Ablauf der vereinbarten Mietzeit nicht mehr als solche - also zum Wohnen -, sondern nur noch in der Form nutzt, dass er einige Möbelstücke dort belässt.

III.
Zur Frage der kaufrechtlichen Verjährung nach Ablauf der Verjährungshöchstfrist gemäß §§ 438 Abs. 3, 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB bei fehlender Baugenehmigung für ein Nebengebäude und fehlender Kenntnis des Käufers von diesem Mangel.
OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 22.07.2025, Az.: 7 U 25/25

1. Schadensersatzansprüche aus einem Kaufvertrag über ein Grundstück verjähren auch bei arglistig verschwiegenen Mängeln – hier: fehlende Baugenehmigung für ein Nebengebäude (sog. Behelfsheim aus der Nachkriegszeit) – spätestens mit Ablauf von zehn Jahren nach ihrer Entstehung, ohne dass es hierfür auf die (fehlende) Kenntnis des Käufers ankommt.

2. Der Schadenseintritt bestimmt sich für die Zwecke des Verjährungsrechts bei mehreren Schadensfolgen anhand des Grundsatzes der Schadenseinheit. Danach gilt der gesamte Schaden, der auf einem bestimmten einheitlichen Verhalten beruht, bereits mit der ersten Vermögenseinbuße als eingetreten. Der Zeitpunkt der einzelnen Schadensfolgen spielt so lange keine Rolle, als diese eine bloße Weiterentwicklung darstellen und mit ihnen bereits beim Auftreten des ersten Schadens gerechnet werden konnte.

3. Der Minderwert des mit einem Mangel behafteten Grundstücks gegenüber seinem Verkehrswert ohne den Mangel stellt einen (ersten) Schaden dar, der bereits mit dem Abschluss des Kaufvertrages, spätestens jedoch mit dessen Vollzug eintritt. Tätigt der Käufer später Aufwendungen, die sich angesichts des Mangels – hier: fehlende Genehmigung des Nebengebäudes – als nutzlos erweisen, stellt dieser (zweite) Schaden eine bloße Weiterentwicklung des bereits eingetretenen Schadens dar.

IV.
HGB: Auskunftsanspruch nach § 87c Abs. 3 HGB
BGH, Urteil vom 24.07.2025, Az.: VII ZR 176/24

a) Der Anspruch des Versicherungsvertreters auf Auskunft nach § 87c Abs. 3 HGB über eine Information, die nicht im Buchauszug enthalten ist, besteht neben dem Anspruch auf Erteilung des Buchauszugs nach § 87c Abs. 2 HGB.

b) Der Anspruch des Versicherungsvertreters auf Auskunft darüber, welche ursprünglich von ihm an den Versicherer vermittelten Verträge nach der Beendigung des Versicherungsvertretervertrags in der Stornohaftungszeit durch die Kunden gekündigt oder in der Beitragszahlung eingeschränkt worden sind, bei denen der jeweilige Kunde im Anschluss an die Kündigung oder Beitragseinschränkung einen Ersatz- oder Ergänzungsvertrag über das gleiche versicherte Risiko oder Produkt bei den Gesellschaften der Versicherungsgruppe des Versicherers abgeschlossen hat, ist auf vom Versicherungsvertreter vermittelte Verträge beschränkt, bei denen der Versicherer Provisionsrückbelastungen oder Provisionskürzungen zu Lasten des Versicherungsvertreters vorgenommen hat.

V.
Kündigungsrecht bei Online-Partnervermittlung
BGH, Urteil vom 17.07.2025, Az.: III ZR 388/23

a) Das Kündigungsrecht des § 627 Abs. 1 BGB besteht nicht bei einem Vertrag über die Nutzung eines Online-Partnervermittlungsportals, bei dem die Leistung maßgeblich im Bereitstellen einer Online-Datenbank besteht und das die Partnersuche regelhaft ausschließlich durch vollständig automatisierte Vorgänge unterstützt.

b) Zur (Un-)Wirksamkeit einer Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Betreibers eines Online-Partnervermittlungsportals, die bei Verträgen mit einer bei Vertragsschluss gewählten Laufzeit von sechs, zwölf oder 24 Monaten vorsieht, dass eine Verlängerung der Mitgliedschaft um zwölf Monate eintritt, sofern nicht spätestens zwölf Wochen vor Ablauf der bei Vertragsschluss gewählten Laufzeit gekündigt wird.

VI.
DSGVO: keine Entschädigung für rein hypothetisches Risiko der missbräuchlichen Verwendung
BGH, Urteil vom 13.05.2025, Az.: VI ZR 186/22

Ein rein hypothetisches Risiko der missbräuchlichen Verwendung personenbezogener Daten durch einen unbefugten Dritten kann nicht zu einer Entschädigung gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO führen.

VII.
Formularmäßige Freistellungsberechtigung des Arbeitgebers ohne Vorliegen weiterer Voraussetzungen innerhalb der Kündigungsfrist
LAG Niedersachsen, Urteil vom 22.05.2025, Az.: 5 SLa 249/25

Eine formularmäßige Klausel, die den Arbeitgeber berechtigt, einen Arbeitnehmer ohne Vorliegen weiterer Voraussetzungen innerhalb der Kündigungsfrist freizustellen, verstößt gegen § 307 BGB und ist unwirksam.

VIII.
Feststellungsklage eines Versicherungsnehmers auf Leistungen wegen eines umfangreichen Wasserschadens gegen die Versicherung aus einer privaten Gebäudeversicherung
OLG Celle, Urteil vom 10.07.2025, Az.: 11 U 179/24

Ein Wohngebäude, in dem seit mehr als einem Jahr niemand mehr wohnt und der letzte Bewohner nach seinem - absehbar endgültigen - Umzug in ein Altenpflegeheim lediglich noch die Möbel nebst sonstigem Inventar zurückgelassen hat, die in dem Heim keinen Platz fanden, ist im Sinne der Gebäudeversicherungsbedingungen ungenutzt. Es besteht dann die Obliegenheit, die Wasserversorgung abzusperren.

IX.
Zur Auslegung eines Vorbehalts in einer Abfindungsvereinbarung und zur verjährungsrechtlich maßgeblichen Kenntnis eines Piloten von einer möglichen künftigen Berufsunfähigkeit
OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 24.06.2025, Az.: 7 U 197/22

1. In einer Abfindungsvereinbarung, die einen Vorbehalt hinsichtlich möglicher künftiger Ansprüche wegen Berufsunfähigkeit enthält, liegt ohne Hinzutreten weiterer Umstände weder ein konstitutives Schuldanerkenntnis noch ein Verjährungsverzicht.

2. Für die Beurteilung, ob bei einem Berufspiloten, der bei einem Verkehrsunfall verletzt wurde (HWS-Verletzung), künftig eine unfallbedingte Berufsunfähigkeit droht, kommt es nicht auf die fliegerärztliche Einschätzung der aktuellen Flugtauglichkeit an.

3. Die für den Verjährungsbeginn gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB maßgebliche Kenntnis liegt jedenfalls dann vor, wenn der behandelnde Hausarzt „die Ausübung seines Berufs als Pilot als gefährdet“ einschätzt und auf Grundlage dieser Einschätzung Ansprüche gegenüber der gegnerischen Haftpflichtversicherung geltend gemacht werden.

X.
LG Lübeck, Beschluss vom 13.08.2025, Az.: 7 T 329/25

Klagt ein Miterbe Nachlassforderungen in gesetzlicher Prozessstandschaft nach § 2039 BGB auf Leistung an die „Erbengemeinschaft“ ein, ist das Urteil nur dann hinreichend bestimmt und damit zur Zwangsvollstreckung geeignet, wenn sich aus dem Urteilstenor alle Mitglieder der Erbengemeinschaft als Gläubiger zur gesamten Hand ergeben. Die Bezeichnung „Erbengemeinschaft nach dem Tod von …“ genügt nicht.

Michael Henn
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Erbrecht Fachanwalt für Arbeitsrecht
Schriftleiter mittelstandsdepesche
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