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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart
I.
Arbeitsgericht Hamburg
Beschluss vom 23.04.2025 – 4 Ca 151/25
Schlagworte/Normen:
Kein Gerichtsstand des gewöhnlichen Arbeitsortes für Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG
Leitsatz:
Der Gerichtsstand des gewöhnlichen Arbeitsortes nach § 48 Abs. 1a ArbGG gilt nicht für Klagen auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG wegen Benachteiligung in einem Bewerbungsverfahren, wenn zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist.
Siehe:
https://www.landesrecht-hamburg.de/bsha/document/NJRE001606793
II.
Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss vom 28.04.2025 – 12 Ta 309/25
Schlagworte/Normen:
§ 33 RVG
Leitsatz:
Anträge auf Erteilung von Zwischen- und Endzeugnis werden entsprechend den Empfehlungen des Streitwertkatalogs mit insgesamt einer Monatsvergütung bewertet, auch wenn sie kumulativ oder hilfsweise gestellt sind.
Diese Begrenzung auf insgesamt ein Bruttomonatsgehalt gilt auch in den Fällen, in denen im Verfahren nur ein Zwischen- oder nur Endzeugnis beantragt ist und die Parteien in einem Vergleich eine Regelung über Zwischen- und Endzeugnis oder nur über das nicht eingeklagte Zwischen- oder Endzeugnis treffen.
Siehe:
https://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE250000512
III.
Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 6. Mai 2025 – 3 AZR 65/24
Schlagworte/Normen:
Berücksichtigung von Elternzeiten bei der Wartezeit in der Versorgungsanstalt der Deutschen Post
Volltext PE:
Ein Tarifvertrag darf bei der Ablösung eines Versorgungssystems, nach welchem Ansprüche auf Versorgung voraussetzten, dass die Arbeitnehmer eine ausreichende Anzahl vergüteter Monate bei der Arbeitgeberin gearbeitet haben (sog. Wartezeit), auch für die Einführung einer hierauf bezogenen Besitzstandskomponente danach unterscheiden, ob die Arbeitnehmer die Wartezeit erfüllt haben. Erziehungs- oder Elternzeiten ohne Vergütungsansprüche müssen dabei in die Wartezeit nicht einbezogen werden.
Die Parteien streiten über die Anerkennung von Erziehungszeiten als die Wartezeit erfüllende Zeit bei einer tariflich eingeführten Besitzstandskomponente. Auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin fanden kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme die Tarifverträge für die Arbeiter der Deutschen Bundespost, insbesondere der Versorgungstarifvertrag (VTV) Anwendung. Im Zusammenhang mit der Privatisierung der Deutschen Bundespost wurde die betriebliche Altersversorgung durch neue Regelungen abgelöst. Dabei wurde mit Tarifvertrag vom 28. Februar 1997 der VTV mit Ablauf des 30. April 1997 außer Kraft gesetzt. Gleichzeitig trat zum 1. Mai 1997 ein Tarifvertrag zur Regelung des Besitzstandes aus der bisherigen Zusatzversorgung in Kraft, der eine besondere Besitzstandskomponente regelte. Voraussetzung für die Komponente war das Erfüllen der fünfjährigen Wartezeit. Als auf diese Wartezeit anrechenbare Beschäftigungsmonate wurde für die Zeit vor dem 1. Mai 1997 jeder Kalendermonat berücksichtigt, der für den Arbeitnehmer nach der einschlägigen Satzung als Umlagemonat galt. Die Beklagte führte die entsprechenden Umlagen zum Arbeitsentgelt der Klägerin an die Versorgungsanstalt ab, nicht jedoch für die Zeiten ihres Erziehungsurlaubs in der Zeit vom 26. Februar 1992 bis zum 26. November 1996. Damit erfüllte die Klägerin die fünfjährige Wartezeit vor dem Stichtag 1. Mai 1997 nicht.
Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin die Berücksichtigung der Monate des Erziehungsurlaubs für die Erfüllung der Wartezeit. Sie meint, die Nichtberücksichtigung von Erziehungszeiten sei eine mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts, da hauptsächlich Frauen diese Erziehungszeiten in Anspruch genommen hätten. Die Beklagte meint, die Benachteiligung sei jedenfalls zulässig, da sie durch objektive Faktoren gerechtfertigt sei, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun hätten, und überdies die Versicherungszeiten der Klägerin in die neue Altersversorgung mit dem Faktor 1,4 überführt worden seien. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.
Die Revision der Klägerin blieb vor dem Dritten Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolglos. Eine mögliche mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts ist jedenfalls gerechtfertigt. In Systemen der betrieblichen Altersversorgung ist es – jedenfalls bei umlagebasierten Systemen, die an vergütungspflichtige Zeiten anknüpfen – zulässig, Monate ohne Entgelt – und damit auch Zeiten des ruhenden Arbeitsverhältnisses wegen Erziehungs- oder Elternzeiten – von der Berücksichtigung auszunehmen. Das gilt auch bei einem System-wechsel, wenn die vorher erdienten Zeiten weiterhin Berücksichtigung finden oder sogar – wie hier – höher gewertet werden. Diese Grundsätze sind in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union hinreichend geklärt, so dass es keines Vorabentscheidungsverfahrens bedurfte.
Siehe:
https://www.bundesarbeitsgericht.de/presse/beruecksichtigung-von-elternzeiten-bei-der-wartezeit-in-der-versorgungsanstalt-der-deutschen-post/
IV.
Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 8. Mai 2025 – 8 AZR 209/21
Schlagworte/Normen:
Schadenersatz nach Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) - Betriebsvereinbarung – Workday
Volltext PE:
Ein Arbeitnehmer kann einen Anspruch auf Schadenersatz wegen einer Verletzung der Datenschutz-Grundverordnung haben, wenn der Arbeitgeber personenbezogene Echtdaten innerhalb des Konzerns an eine andere Gesellschaft überträgt, um die cloudbasierte Software für Personalverwaltung „Workday“ zu testen.
Die Beklagte verarbeitete personenbezogene Daten ihrer Beschäftigten ua. zu Abrechnungszwecken mit einer Personalverwaltungs-Software. Im Jahr 2017 gab es Planungen, konzernweit Workday als einheitliches Personal-Informationsmanagementsystem einzuführen. Die Beklagte übertrug personenbezogene Daten des Klägers aus der bisher genutzten Software an die Konzernobergesellschaft, um damit Workday zu Testzwecken zu befüllen. Der vorläufige Testbetrieb von Workday war in einer Betriebsvereinbarung geregelt. Danach sollte es der Beklagten erlaubt sein, ua. den Namen, das Eintrittsdatum, den Arbeitsort, die Firma sowie die geschäftliche Telefonnummer und E-Mail-Adresse zu übermitteln. Die Beklagte übermittelte darüber hinaus weitere Daten des Klägers wie Gehaltsinformationen, die private Wohnanschrift, das Geburtsdatum, den Familienstand, die Sozialversicherungsnummer und die Steuer-ID.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO ein immaterieller Schadenersatz wegen einer Verletzung der ab dem 25. Mai 2018 geltenden Datenschutz-Grundverordnung iHv. 3.000,00 Euro zu. Die Beklagte habe die Grenzen der Betriebsvereinbarung überschritten.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit Beschluss vom 22. September 2022 (- 8 AZR 209/21 (A) – BAGE 179, 120) hatte der Senat das Revisionsverfahren ausgesetzt und den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) um die Beantwortung von Rechtsfragen betreffend die Auslegung des Unionsrechts ersucht. Der EuGH hat diese mit Urteil vom 19. Dezember 2024 (- C-65/23 – [K GmbH]) beantwortet.
Die Revision des Klägers hatte vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts teilweise Erfolg. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadenersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO iHv. 200,00 Euro. Soweit die Beklagte andere als die nach der Betriebsvereinbarung erlaubten personenbezogenen Daten an die Konzernobergesellschaft übertragen hat, war dies nicht erforderlich iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO und verstieß damit gegen die Datenschutz-Grundverordnung. Der immaterielle Schaden des Klägers liegt in dem durch die Überlassung der personenbezogenen Daten an die Konzernobergesellschaft verursachten Kontrollverlust. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt, dass er sich nicht weiter darauf beruft, auch die Übertragung der von der Betriebsvereinbarung erfassten Daten sei nicht erforderlich gewesen. Der Senat hatte daher nicht zu prüfen, ob die Betriebsvereinbarung so ausgestaltet war, dass die Anforderungen der Datenschutz-Grundverordnung erfüllt wurden.
Siehe:
https://www.bundesarbeitsgericht.de/presse/schadenersatz-nach-datenschutz-grundverordnung-dsgvo-betriebsvereinbarung-workday/
V.
Landesarbeitsgericht Hamburg
Beschluss vom 6.05.2025 – 7 Ta 7/25
Schlagworte/Normen:
Festsetzung des Gegenstandswertes - Einsetzung Einigungsstelle
Leitsatz:
1. Selbst wenn bei einem Regelungsstreit über die Einsetzung einer Einigungsstelle jeweils Streit über die Zuständigkeit der Einigungsstelle, Person des unparteiischen Vorsitzenden und/oder Anzahl der Beisitzer bestanden hat, handelt es sich um einen einheitlichen Streitgegenstand, der einheitlich zu bewerten ist.
2. Für den Regelungsstreit über die Einsetzung einer Einigungsstelle nebst der Person des unparteiischen Vorsitzenden und der Anzahl der Beisitzer ist der Hilfswert von 5.000,00 € als regelmäßig angemessen anzusetzen.
Siehe:
https://www.landesrecht-hamburg.de/bsha/document/NJRE001607410
VI.
Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss vom 2.05.2025 – 10 Ta 402/25
Schlagworte/Normen:
§§ 765a, 764 ZPO, § 62 ArbGG
Leitsatz:
Für einen Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 765a ZPO ist auch dann das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht zuständig, wenn es um die Vollstreckung aus arbeitsgerichtlichen Titeln geht.
Siehe:
https://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE250000530
VII.
Oberverwaltungsgericht NRW
Beschluss vom 21. Mai 2025 – 6 B 1231/24
Schlagworte/Normen:
Polizeibeamter durfte wegen rechts¬extremistischen Posts in WhatsApp-Gruppen entlassen werden
Volltext PE:
Das Oberverwaltungsgericht hat heute entschieden, dass die Einstellung von rechts-extremistischen, rassistischen, menschenverachtenden und sonst intolerablen Inhal¬ten in einen Chat die sofortige Entlassung eines Polizeivollzugsbeamten, der sich im Beamtenverhältnis auf Probe befindet, rechtfertigen kann. Damit hat es den vorange¬gangenen Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen bestätigt.
Der 25-Jährige Beamte wurde in der Polizeiwache Bottrop eingesetzt. Im Rahmen eines gegen einen anderen (ehemaligen) Polizeivollzugsbeamten gerichteten Verfah¬rens wurde dessen Mobiltelefon beschlagnahmt und ausgewertet. Dabei wurde fest¬gestellt, dass der Antragsteller Mitglied in Chatgruppen war, in denen eine Vielzahl von Dateien eingestellt worden waren, deren Inhalt der Dienstherr als rechtsextre¬mistisch, rassistisch, menschenverachtend oder sonst intolerabel erachtet. Das Land entließ den Antragsteller daraufhin wegen fehlender charakterlicher Eignung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe. Er habe drei Bilddateien und eine Videodatei vor¬genannten bzw. tierpornographischen Inhalts in die Chats eingestellt. Der Antragstel¬ler habe solche Inhalte anderer Chat-Mitglieder darüber hinaus passiv hingenommen und sich nicht gegen sie gestellt. Zudem bestehe der strafrechtliche Verdacht des Besitzes kinderpornographischer Inhalte. Den gegen die Entlassungsverfügung ge¬richteten Eilantrag hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen abgelehnt. Die dage¬gen vom Antragsteller erhobene Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht blieb erfolglos.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts im Wesentlichen ausgeführt: Der Antragsteller hat mit seiner Beschwerde die An¬nahme fehlender charakterlicher Eignung, die zu einer Entlassung aus dem Probe¬beamtenverhältnis führt, nicht durchgreifend in Zweifel gezogen. Möglicherweise bis¬lang gezeigte gute fachliche Leistungen lassen nicht darauf schließen, dass die un¬abhängig hiervon erforderliche charakterliche Eignung gegeben ist. Die eingestellten Inhalte sind offensichtlich nicht nur wie vom Antragsteller vorgebracht - als ge¬schmacklose "Witze" anzusehen, sondern sie berühren in Teilen die verfassungs¬rechtliche Menschenwürdegarantie und verharmlosen die nationalsozialistische Ge-walt- und Willkürherrschaft. Sollte der Antragsteller die Tragweite der eingestellten Inhalte verkannt haben und - worauf dieser sich berufen hat - keine rassistische, menschenverachtende und rechtsextreme Gesinnung aufweisen, ergibt sich seine mangelnde Bewährung aus dem Fehlen nötiger emotionaler Festigkeit und Selbst¬kontrolle. Im öffentlichen Interesse an einer sachgerechten Aufgabenerfüllung des Polizeivollzugsdienstes rechtfertigt die Verhinderung weiterer Dienstausübung durch einen (charakterlich) ungeeigneten Beamten auch für sich genommen dessen sofort vollziehbare Entlassung.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Siehe:
https://www.justiz.nrw.de/presse/2025-05-21
VIII.
Bundesarbeitsgericht
Beschluss vom 22. Mai 2025 – 7 ABR 28/24
Schlagworte/Normen:
Betriebsratswahl - aktives Wahlrecht von Führungskräften in mehreren Betrieben bei einer unternehmensinternen Matrix-Struktur
Volltext PE:
Ein Arbeitnehmer, der mehreren Betrieben desselben Unternehmens angehört, hat bei der Wahl des Betriebsrats in sämtlichen dieser Betriebe das aktive Wahlrecht. Das gilt auch für Führungskräfte in Unternehmen mit einer unternehmensinternen Matrix-Struktur.
Die Arbeitgeberin erbringt IT-Dienstleistungen und vertreibt IT-Produkte an verschiedenen Standorten. Aufgrund einer Gesamtbetriebsvereinbarung (GBV) sind bei ihr abweichend von den Betriebsstrukturen des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) fünf Organisationseinheiten – ua. der Betrieb Region Süd – gebildet, in denen jeweils ein Betriebsrat gewählt wird. Die Erledigung der Arbeitsaufgaben im Unternehmen der Arbeitgeberin gliedert sich in verschiedene Bereiche, in denen Arbeitnehmer aus verschiedenen Organisationseinheiten in Teams zusammenarbeiten und von sog. Matrix-Führungskräften, die keine leitenden Angestellten sind, geführt werden (unternehmensinterne Matrix-Struktur). Bei der Wahl des Betriebsrats im Betrieb Region Süd im Jahr 2022 hat der Wahlvorstand auch diejenigen Matrix-Führungskräfte als wahlberechtigt angesehen, welche Vorgesetzte der dem Betrieb Region Süd angehörenden Arbeitnehmer sind.
Die Arbeitgeberin hat die Wahl angefochten und dies darauf gestützt, dass die Führungskräfte nicht wahlberechtigt seien, weil sie dem Betrieb Region Süd nicht angehörten. Die Vorinstanzen haben die Wahl für unwirksam erklärt. Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, die Matrix-Führungskräfte seien bereits einem der vier anderen auf der Grundlage der GBV bestimmten Betriebe zugeordnet und damit ausschließlich dort wahlberechtigt; eine Mehrfach-Wahlberechtigung scheide aus.
Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Betriebsrats hatte Erfolg. Der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben. Nach § 7 Satz 1 BetrVG sind wahlberechtigt alle Arbeitnehmer des Betriebs, die das 16. Lebensjahr vollendet haben. Damit knüpft die Wahlberechtigung an die Zugehörigkeit des Arbeitnehmers zum Betrieb an, welche durch die Eingliederung in die Betriebsorganisation begründet wird. Der Umstand, dass ein Arbeitnehmer bereits in einem Betrieb eingegliedert und damit in diesem wahlberechtigt ist, steht seiner Wahlberechtigung in einem weiteren Betrieb nicht entgegen. Es ist möglich, in mehreren Betrieben wahlberechtigt zu sein. Ob dies vorliegend der Fall ist, konnte der Senat nicht abschließend beurteilen und entsprechend auch keine abschließende Entscheidung in der Sache treffen. Es bedarf einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts durch das Landesarbeitsgericht, ua. zur Wirksamkeit und zu den Maßgaben der mit der GBV festgelegten Betriebsratsstruktur sowie ggf. zur Eingliederung der Matrix-Führungskräfte in den Betrieb Region Süd.
Siehe:
https://www.bundesarbeitsgericht.de/presse/betriebsratswahl-aktives-wahlrecht-von-fuehrungskraeften-in-mehreren-betrieben-bei-einer-unternehmensinternen-matrix-struktur/
IX.
Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss vom 4.04.2025 – 6 Ta 186/24
Schlagworte/Normen:
Aussetzung; Ermessen; anhängiger Streit über Rechtsgrundlage
Leitsatz:
Wird in einem Beschlussverfahren die Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung angegriffen, so ist die Aussetzung eines Individualverfahrens, bei dem die Parteien um Ansprüche aus dieser Betriebsvereinbarung streiten, in der Regel nicht ermessensfehlerhaft.
Siehe:
https://nrwe.justiz.nrw.de/arbgs/koeln/lag_koeln/j2025/6_Ta_186_24_Beschluss_20250404.html
X.
Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss vom 11.03.2025 – 1 SHa 1/25
Schlagworte/Normen:
Landesamt für Besoldung und Versorgung des Landes Nordrhein-Westfalen; Bindungswirkung von Beschlüssen über die örtliche Zuständigkeit; grobe Rechtsverletzung, krass rechtswidrig, rechtliches Gehör
Leitsatz:
Es stellt keine krasse Rechtsverletzung dar, die eine Durchbrechung der Bindungswirkung eines Beschlusses über die örtliche Zuständigkeit rechtfertigt, wenn ein Arbeitsgericht in seinem grundsätzlich unanfechtbaren Beschluss über die örtliche Zuständigkeit gem. den §§ 48 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG verkennt, dass das Landesamt für Besoldung und Versorgung des Landes Nordrhein-Westfalen das Land bei Zahlungsklagen der Tarifbeschäftigten vertritt und demgemäß nach § 18 ZPO an seinem Sitz in C verklagt werden kann, sofern das Landesamt die komplexen Vertretungsregelungen des beklagten Landes erst dem Arbeitsgericht in ausreichendem Umfang vorgetragen hat, an das verwiesen worden ist.
Siehe:
https://nrwe.justiz.nrw.de/arbgs/hamm/lag_hamm/j2025/1_SHa_1_25_Beschluss_20250311.html
XI.
Landesarbeitsgericht Köln
Urteil vom 7.05.2025 – 4 SLa 438/24
Schlagworte/Normen:
auflösende Bedingung - Klagefrist - Schwerbehinderung - Kenntnis des Arbeitgebers
Leitsatz:
Dem Arbeitgeber kann weder die Kenntnis der Schwerbehindertenvertretung noch die eines Fachvorgesetzten von der Schwerbehinderung des Arbeitnehmers zugerechnet werden.
Siehe:
https://nrwe.justiz.nrw.de/arbgs/koeln/lag_koeln/j2025/4_SLa_438_24_Urteil_20250507.html
XII.
Landesarbeitsgericht Köln
Urteil vom 17.04.2025 – 6 SLa 542/24
Schlagworte/Normen:
Kündigung; Mutterschutz; rechnerische Schwangerschaft; biologische Schwangerschaft; rechtzeitige Mitteilung
Leitsatz:
1. Auch, wenn feststeht, dass im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung eine Schwangerschaft der betroffenen Arbeitnehmerin biologisch ausgeschlossen ist, beginnt der besondere Kündigungsschutz nach § 17 MuSchG nach der Berechnungsmethode der ständigen Rechtsprechung des BAG (zuletzt: BAG v. 24.11.2022 - 2 AZR 11/22 -) 280 Tage vor dem errechneten Entbindungstermin.
2. Während der besagten 280 Tage ist eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich verboten, es sei denn es liegt eine behördliche Erlaubnis vor. Notwendige Voraussetzung für dieses Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ist aber die rechtzeitige Mitteilung der Arbeitnehmerin an die Arbeitgeberin über diese Schwangerschaft - und nicht etwa über eine andere. Eine Mitteilung über eine ggfls. zuvor bestehende Schwangerschaft reicht daher nicht.
3. Die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage gemäß § 4 KSchG beginnt in einem solchen Fall mit dem Ablauf des Tages des Kündigungszugangs. Eine erst vier Monate später erhobene Klage gilt gemäß § 7 KSchG als sozial gerechtfertigt.
4. Der europarechtliche Schwangerschaftsbegriff (RL 92/85/EWG) ist ein biologischer.
Siehe:
https://nrwe.justiz.nrw.de/arbgs/koeln/lag_koeln/j2025/6_SLa_542_24_Urteil_20250417.html
XIII.
Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss vom 6.05.2025 - 13 Ta 344/24
Schlagworte/Normen:
Einsatz einer Abfindung als Vermögen - Schonvermögen
Leitsatz:
•1.
Eine im Kündigungsschutzprozess vereinbarte und ausgezahlte Abfindung ist gemäß § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPOals Vermögen einzusetzen, soweit das der Partei nach § 115 Abs. 3 Satz 2 ZPOiVm. § 90 SGB XII zu belassende Schonvermögen unangetastet bleibt.
•2.
Jedenfalls nach Anhebung des Vermögensfreibetrags von Leistungsbeziehern der Sozialhilfe in § 1 der Durchführungsverordnung zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII auf 10.000,00 € können die durch den Verlust des Arbeitsplatzes entstehenden Kosten nicht mehr typisierend durch einen weiteren Schonbetrag zusätzlich von der Abfindung abgesetzt werden.
Siehe:
https://nrwe.justiz.nrw.de/arbgs/hamm/lag_hamm/j2025/13_Ta_344_24_Beschluss_20250506.html
XIV.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 08.04.2025, Az.: 9 SHa 284/25
Schlagworte/Normen:
Tatsächlicher Einsatzort eines Leiharbeitnehmers als Gerichtsstand des gewöhnlichen Arbeitsorts
Leitsatz:
1.
Für den gewöhnlichen Arbeitsort im Sinne von § 48 Abs. 1a Satz 1 ArbGG ist auf den tatsächlichen Einsatzort abzustellen. Der tatsächliche Einsatzort eines Leiharbeitnehmers ist daher grundsätzlich der Gerichtsstand des gewöhnlichen Arbeitsorts.
2.
Zur Durchbrechung der Rechtskraft eines Beschlusses über eine örtliche Unzuständigkeit eines Arbeitsgerichts bei Abweichen vom gesetzlichen Regelungszweck
Siehe:
https://voris.wolterskluwer-online.de/browse/document/f7d38a26-e917-4155-b5a9-4770ba289ebc
XV.
Landgericht Frankenthal
Urteil vom 15.04.2025, Az. 8 O 214/24
Schlagworte/Normen:
Fehlende Widerrufsbelehrung kostet Handwerksbetrieb den gesamten Lohn
Volltext PE:
Die 8. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal hatte kürzlich über einen Fall zu entscheiden, der in manchem Handwerksbetrieb für Aufsehen sorgen dürfte. Einem Handwerker, der einen Verbraucher nicht über sein Widerrufsrecht belehrt, steht im Fall des Widerrufs auch nach vollständig erbrachter Arbeit kein Geld zu. Die für Bausachen zuständige Kammer hat deshalb die Klage eines Gartenbauers auf Zahlung des kompletten Werklohns abgewiesen.
Im April 2024 bestellte der Besitzer eines im Landkreis Bad Dürkheim gelegenen großen Gartens den Gartenbauer auf sein Grundstück. Vor Ort gab der Gartenbesitzer umfangreiche Arbeiten an dem völlig verwilderten Gelände in Auftrag. Nach Abschluss der Arbeiten stellte der Gartenbauer seine Rechnung in Höhe von knapp 19.000 Euro. Es kam aber zum Streit über den vereinbarten Stundensatz sowie die Frage, ob die erstellte Rechnung prüffähig sei. Der Gartenbesitzer verweigerte schließlich die Zahlung und widerrief den Vertrag im September 2024.
Die Kammer gab dem Gartenbesitzer vollumfänglich recht. Da er als Verbraucher anzusehen sei und sämtliche Arbeiten außerhalb von Geschäftsräumen in Auftrag gegeben wurden, stehe ihm ein gesetzliches Widerrufsrecht zu. Die grundsätzlich mit Vertragsschluss beginnende vierzehntägige Widerrufsfrist habe nicht zu laufen begonnen, weil der Gartenbauer den Verbraucher nicht darüber belehrt habe. Es gelte in diesem Fall eine Höchstfrist von einem Jahr und vierzehn Tagen für den Widerruf, die vorliegend eingehalten worden sei. Der Anspruch des Werkunternehmers auf Werklohn sei dadurch vollständig entfallen. Wegen der unterlassenen Belehrung könne er auch keinen Wertersatz oder einen sonstigen Ausgleich für seine Arbeit verlangen. Denn das europäische Verbraucherschutzrecht verlange bei einer unterlassenen Widerrufsbelehrung eine Sanktion von Unternehmern, um sie zur ordnungsgemäßen Belehrung anzuhalten, so die Kammer unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 17. Mai 2023, Az. C-91/22).
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Es ist Berufung zum Pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken möglich.
Siehe:
https://lgft.justiz.rlp.de/presse-aktuelles/detail/entscheidung-des-monats-april-2025
Michael Henn
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht
VDAA – Präsident
VDAA - Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e.V.
Gerokstr. 8 70188 Stuttgart
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