Klageschrift löst die Hemmung der Verjährung aus, gleich ob sie unzulässig oder unbegründet ist
In einer sehr lesenswerten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof in einem Anwaltshaftungsfall umfassende Feststellung zur Fragen der Verjährungsunterbrechung durch Klageerhebung / Erhebung einer Stufenklage getroffen.
Selbst wenn im Rahmen der Stufenklage ein falscher Stichtag angegeben wird, kann hiernach der Lauf einer Verjährungsfrist unterbrochen werden. Allerdings fällt die verjährungsunterbrechende Wirkung weg, wenn das Verfahren über einen Zeitraum von 6 Monaten nicht weiterbetrieben wird.
Es darf aus den Entscheidungsgründen des Urteils vom 24.05.12 A.z.: IX ZR 168/ 11 wie folgt zitiert werden:
Die Verjährungsfrist für den Anspruch der Klägerin gegen ihren geschiedenen Ehegatten auf Zugewinnausgleich nach § 1378 Abs. 1 BGB betrug gemäß dem bis zum 31. Dezember 2009 geltenden § 1378 Abs. 4 Satz 1 BGB drei Jahre; nach dieser Vorschrift begann die Frist mit dem Zeitpunkt, in dem der Ehegatte erfuhr, dass der Güterstand beendet war.
Der Güterstand endete im Fall der Scheidung mit der formellen Rechtskraft des Scheidungsausspruchs (BGH, Urteil vom 22. April 1998 - XII ZR 281/96, NJW 1998, 2679; vom 9. Januar 2008 - XII ZR 33/06, FamRZ 2008, 675 Rn. 12). Nach den nicht angefochtenen Feststellungen des Berufungsurteils erfuhr die Klägerin spätestens im März 1999 von der Rechtskraft des Scheidungsurteils, mithin wusste sie spätestens am 31. März 1999 von der Beendigung des Güterstandes (vgl. BGH, Urteil vom 8. Februar 1995 - XII ZR 24/94, FamRZ 1995, 797; vom 19. März 1997 - XII ZR 287/95, NJW 1997, 2049 f; vom 22. April 1998 - XII ZR 281/96, NJW 1998, 2679, 2681).
Der Anspruch wäre deswegen - ohne Unterbrechung oder Hemmung der Verjährung - spätestens am 2. April 2002 (Dienstag nach Ostern) verjährt gewesen.
Als in Betracht kommende verjährungsunterbrechende oder verjährungshemmende Maßnahme erfolgte am 6. Februar 2002 die Zustellung der Stufenklage an den Ehemann der Klägerin.
Mit Inkrafttreten des Schuldrechtmodernisierungsgesetzes finden seit dem 1. Januar 2002 gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Verjährung in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung auf die an diesem Tag bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche Anwendung, insbesondere auch § 204 BGB in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung.
Jedenfalls zum 31. Dezember 2009 war der Anspruch der Klägerin gegen ihren Ehemann, wie noch aufzuzeigen sein wird, verjährt, so dass die infolge des Gesetzes zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts vom 24. September 2009 (BGBl. I 3142 ff) zu diesem Zeitpunkt erfolgte Aufhebung des § 1378 Abs. 4 BGB nicht zum Tragen kommt (Art. 229 § 23 Abs. 1 Satz 1 EGBGB).
Wird - wie hier - eine Stufenklage (§ 254 ZPO) erhoben, bei welcher sich der Kläger die Angabe der Leistungen, die er beansprucht, vorbehält, erfasst die Hemmung der Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 BGB den geltend gemachten unbezifferten Anspruch auf Leistung in jeder Höhe (zur Unterbrechung der Verjährung nach altem Recht vgl. BGH, Urteil vom 8. Februar 1995 - XII ZR 24/94, FamRZ 1995, 797, 798).
Das gilt auch dann, wenn ein falscher Stichtag für die Auskunftserteilung angegeben wird. Die Klägerin und ihr Ehemann haben in dem notariellen Vertrag aus dem Jahr 1994 in Abweichung von § 1384 BGB anstelle des Zeitpunkts der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags als Stichtag für die Berechnung des Endvermögens den 4. Juli 1994 vereinbart.
Damit haben sie wirksam vertraglich den gesetzlichen Zugewinnausgleich modifiziert (vgl. Jaeger in Johannsen/Henrich, Familienrecht, 5. Aufl., § 1378 Rn. 15; MünchKomm-BGB/Koch, 5. Aufl., § 1378 Rn. 37; von Eichel, ZFE 2007, 326, 328).
Demgegenüber hat Rechtsanwalt Z. im Auskunftsantrag den gesetzlichen Stichtag angegeben. Entsprechend haben beide Ehegatten gegenseitig anerkannt, über ihr Endvermögen zu diesem Stichtag Auskunft zu erteilen, und sind entsprechend verurteilt worden.
In der Rechtsprechung ist streitig, ob die Verjährung des Anspruchs auf Zugewinnausgleich durch eine Stufenklage unterbrochen oder gehemmt wird, wenn im Auskunftsantrag ein falscher Stichtag genannt ist. Das Oberlandesgericht Hamm (FamRZ 1996, 864, 865) hat diese Frage in einem Anwaltsregressprozess verneint, ohne dies allerdings zu begründen.
Das Kammergericht (FamRZ 2001, 105 f) und das Oberlandesgericht Zweibrücken (NJW-RR 2001, 865, 866) haben sie in Familiensachen bejaht. Diese Gerichte verweisen darauf, dass der Leistungsantrag unabhängig vom falschen Stichtag im Auskunftsantrag wirksam erhoben sei. Der Auskunftsantrag mit dem falschen Stichtag sei lediglich unbegründet; die Berichtigung des Datums führe zu keinem Wechsel des Streitgegenstands des Zahlungsantrags im Sinne einer Klageänderung.
In der Literatur ist die Ansicht des Oberlandesgerichts Hamm auf keine Zustimmung gestoßen.
Selbst die unzulässige Klage unterbreche die Verjährung für den geltend gemachten Anspruch gemäß § 209 BGB aF, wenn die Klageerhebung keine Mängel aufweise, die ihre Wirksamkeit beeinträchtigten. Dann aber werde erst Recht die Verjährung durch eine Klage unterbrochen, mit der ein Anspruch geltend gemacht werde, der nach der für ihn gegebenen Begründung unbegründet sei.
Die Angabe des falschen Stichtages mache lediglich den Auskunftsanspruch unbegründet, die Leistungsklage sei weiterhin bestimmt (vgl. MünchKomm-BGB/Koch, 5. Aufl., § 1378 Rn. 29; Bamberger/Roth/J. Mayer, BGB, 3. Aufl., § 1378 Rn. 24; jurisPK-BGB/Lakkis, 5. Aufl., § 204 BGB Rn. 7; Büte, Zugewinnausgleich in der Ehescheidung, 4. Aufl., Rn. 266; Haußleiter/Schulz, Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung, 5. Aufl., Rn. 497; Kogel, Strategien beim Zugewinnausgleich, 3. Aufl., Rn. 924; Krause, Zugewinnausgleich in der Praxis, Rn. 533, 555; Jaeger, FPR 2007, 185, 189; Ludwig, FamRZ 1997, 421 f).
Der Senat hält diejenige Auffassung für richtig, die zu einer Hemmung der Verjährung trotz Angabe eines unrichtigen Stichtags führt.
Nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 BGB wird die Verjährung durch die Erhebung einer Leistungsklage gehemmt. Dem liegt der Rechtsgedanke zugrunde, dass der Gläubiger durch aktives Betreiben seines Anspruchs seinen Rechtsverfolgungswillen so deutlich macht, dass der Schuldner gewarnt wird und sich auf eine Inanspruchnahme auch nach Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist einstellen muss (BGH, Urteil vom 26. März 1981 – VII ZR 160/80, BGHZ 80, 222, 226; vom 5. Mai 1988 - VII ZR 119/87, BGHZ 104, 268, 273; vom 20. November 1997 - IX ZR 136/97, BGHZ 137, 193, 198).
Eine Klage, welche die Geltendmachung des Anspruchs nur vorbereitet, hemmt hingegen die Verjährung dieses Anspruchs nicht, insbesondere auch nicht eine Klage, deren Ziel sich in der Erteilung der Auskunft und gegebenenfalls Rechnungslegung erschöpft (MünchKomm-BGB/Grothe, 6. Aufl., § 204 Rn. 11; Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, 13. Aufl., § 204 Rn. 2).
Nur die wirksam erhobene Leistungsklage ist geeignet, die Verjährung zu hemmen, weil die unwirksame Klage, die insbesondere den Mindestanforderungen des § 253 Abs. 2 ZPO nicht entspricht, nicht als Klage im Sinne des Gesetzes angesehen werden kann. Im Gegensatz dazu löst eine wirksame wenn auch mit Fehlern behaftete Klageschrift die Hemmung aus, gleich ob sie unzulässig oder unbegründet ist (BGH, Urteile vom 26. März 1981 und vom 5. Mai 1988, aaO; MünchKomm-BGB/Grothe, 6. Aufl., § 204 Rn. 21 ff, Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, 13. Aufl., § 204 Rn. 3). Denn auch eine unzulässige oder unschlüssige Klage macht für den Schuldner den Rechtsverfolgungswillen des Gläubigers deutlich.
Diese Grundsätze gelten auch für die in einer Stufenklage nach § 254 ZPO zusammengefassten Klagen, bei welcher der Kläger vorläufig seiner prozessualen Pflicht enthoben ist, den Leistungsantrag zu beziffern. Werden bei ihr die Ansprüche auf Rechnungslegung, Vorlage eines Vermögensverzeichnisses oder Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung mit dem Anspruch auf Herausgabe desjenigen verbunden, was der Beklagte aus dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis schuldet, kann die bestimmte Angabe der geforderten Leistung vorbehalten werden, bis die Rechnung mitgeteilt, das Vermögensverzeichnis vorgelegt oder die eidesstattliche Versicherung abgegeben ist. Dabei ist die Stufenklage ein Sonderfall der objektiven Klagehäufung (BGH, Urteil vom 26. Mai 1994 - IX ZR 39/93, NJW 1994, 3102, 3103, insoweit nicht bei BGHZ 126, 138 abgedruckt; vom 2. März 2000 - III ZR 65/99, NJW 2000, 1645, 1646). Ihre Besonderheit liegt darin, dass der vorgeschaltete Auskunftsantrag keine selbständige Bedeutung hat, sondern nur ein Hilfsmittel zur Bezifferung des eigentlichen Klageziels, des Zahlungsantrages, ist (BGH, Urteil vom 5. Mai 1999 - XII ZR 184/97, BGHZ 141, 307, 317; vom 2. März 2000, aaO). Durch die Zustellung der Stufenklage wird sofort der in dritter Stufe erhobene, noch nicht bezifferte Zahlungsanspruch rechtshängig (BGH, Beschluss vom 13. April 1988 - IVb ARZ 13/88, BGHR ZPO § 261 Abs. 3 Nr. 2 Stufenklage 1; Urteil vom 8. Februar 1995 - XII ZR 24/94, FamRZ 1995, 797 f).
Eine im Wege der Stufenklage erhobene, zunächst unbezifferte Leistungsklage ist wegen der Angabe eines unrichtigen Stichtags nicht unwirksam und deswegen zur Verjährungshemmung nicht ungeeignet, obwohl die begehrte Auskunft wegen des falschen Stichtags zur Bezifferung der Leistungsklage nicht förderlich ist. Allerdings ist ein Rechtsschutzbegehren als Stufenklage im Sinne von § 254 ZPO unzulässig, wenn der Kläger mit der in erster Stufe erhobenen Auskunftsklage nicht die Bezifferbarkeit des erhobenen Leistungsanspruchs erreichen will, sondern die Auskunft etwa benötigt, um beurteilen zu können, ob überhaupt ein Schadensersatzanspruch besteht. In diesem Falle ist dann die unbezifferte Leistungsklage wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitserfordernis unzulässig (vgl. BGH, Urteil vom 2. März 2000, aaO).
Vorliegend benötigte die Klägerin jedoch die Auskünfte über das Endvermögen zur Bezifferung der Leistungsklage, auch wenn sie zunächst - nach dem bestrittenen Vortrag der Beklagten - die ehevertraglichen Vereinbarungen verschweigen wollte, weil ihr die Berechnung des Zugewinnausgleichs zum gesetzlichen Stichtag günstiger erschien. Mithin war die ursprünglich in erster Stufe erhobene Auskunftsklage zum falschen Stichtag zwar wirksam, weil bestimmt und zulässig, aber unbegründet, weil der verklagte Ehemann zu dem falschen Stichtag die Auskunft nicht schuldete. Damit war die in dritter Stufe erhobene unbezifferte Leistungsklage nach § 254 ZPO ebenfalls wirksam und zulässig, weil nach der Klage das Auskunftsbegehren dem Ziel dienen sollte, den Leistungsantrag zu beziffern. Dass der Zugewinn der Ehegatten nicht nach dem Stichtag im Mai 1999, sondern im Juli 1994 zu berechnen war, machte die (in dritter Stufe unbezifferte) Leistungsklage in diesem Punkt nur unschlüssig.
Allerdings hemmt die Erhebung der Leistungsklage die Verjährung nur für Ansprüche in der Gestalt und in dem Umfang, wie sie mit der Klage geltend gemacht werden, also nur für den streitgegenständlichen prozessualen Anspruch. Hingegen erstreckt sich die Verjährungshemmung nicht auf Ansprüche, die nicht Gegenstand der Klageerhebung waren (BGH, Urteil vom 8. Mai 2007 - XI ZR 278/06, NJW 2007, 2560 Rn. 15 mwN).
Mit der Klage wird nicht ein bestimmter materiell-rechtlicher Anspruch geltend gemacht. Gegenstand des Rechtsstreits ist vielmehr der als Rechtsschutzbegehren oder Rechtsfolgebehauptung aufgefasste eigenständige prozessuale Anspruch. Dieser wird bestimmt durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet. In diesem Sinne geht der Klagegrund über die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale einer Rechtsgrundlage ausfüllen, hinaus. Zu ihm sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden, den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtungsweise zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens dem Gericht zu unterbreiten hat (BGH, aaO Rn. 16 mwN).
Gemessen hieran hat sich der Streitgegenstand der in dritter Stufe geltend gemachten Leistungsklage nicht dadurch geändert, dass die Klägerin den Stichtag für die Berechnung des Endvermögens nach Eintritt der Rechtshängigkeit ausgetauscht hat.
Es gibt nur einen Anspruch auf Zugewinnausgleich nach geschiedener Ehe, sei es dass er allein aufgrund Gesetzes begründet, sei es dass dieser gesetzliche Anspruch durch vertragliche Vereinbarung der Ehegatten wirksam geändert worden ist. Welcher Stichtag maßgeblich ist, der gesetzliche oder ein vertraglich vereinbarter, wirkt sich nur für die Berechnung des Zugewinns aus, lässt den Streitgegenstand der zunächst unbezifferten Leistungsklage jedoch unberührt. Mit dem geänderten Stichtag änderte sich nur der Streitgegenstand der in erster Stufe erhobenen Auskunftsklage. Diese ist jedoch für die Frage der Hemmung bedeutungslos.
Mithin wurde die Verjährung des Zugewinnausgleichsanspruchs der Klägerin durch die Zustellung der Stufenklage im Februar 2002 wirksam gehemmt. Nach § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB endete die Hemmung frühestens sechs Monate nach der am 23. August 2002 erfolgten Zustellung des Teilanerkenntnisurteils an die Prozessbevollmächtigten der Ehegatten am 23. Februar 2003. Damit war der Anspruch der Klägerin auf Zugewinnausgleich noch nicht verjährt, als sie die Beklagte im Oktober 2002 mit der Durchsetzung dieses Anspruchs beauftragte.
MJH Rechtsanwälte, Herr Rechtsanwalt Martin J. Haas meint:
Es ist sehr bedauerlich, dass dann in dem vom BGH entschiedenen Fall dann doch die Verjährung aufgrund des Wegfalls der unterbrechenden Wirkung angenommen wurde. Hier ist jedem Kollegen zu empfehlen auch im Fall von einer Stufenklage möglichst schnell auf den Leistungsantrag umzustellen. Eine Wiedervorlagefrist von ggf. 4 Monaten nach Klageerhebung oder kürzer kann hilfreich sein. Dies unabhängig von sonstigen Prozesshandlungen der Gegenseite.
« zurück