Arbeitsrecht: Darf der Arbeitgeber nach einer Schwerbehinderung fragen?
Seit dem Inkrafttreten des AGG ist es umstritten, ob und wann bzw. wie der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nach einer Schwerbehinderung fragen darf. Nun hat hierzu das BAG eine teilweise Klärung vorgenommen. Was heißt das jetzt in der Praxis für Arbeitgeber und Bewerber?
Seit dem Inkrafttreten des AGG ist es umstritten, ob und wann bzw. wie der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nach einer Schwerbehinderung fragen darf. Nun hat hierzu das BAG eine teilweise Klärung vorgenommen. Was heißt das jetzt in der Praxis für Arbeitgeber und Bewerber?
Das Wissen über eine Schwerbehinderung eines Bewerbers oder schon eingestellten Arbeitnehmers ist für eine ganze Reihe von Folgefragen für den Arbeitgeber wichtig.
So muss zunächst einmal ein Stellenplatzinhaber in körperlich-geistiger Hinsicht in der Lage sein, die geforderten Arbeiten verrichten zu können. Ist eine Stelle beispielsweise mit dem Tragen schwerer Lasten verbunden, scheiden Personen aus, die körperlich diesbezügliche Einschränkungen haben. Der Arbeitgeber muss dies erfragen dürfen. Weiter ist für Unternehmen die Kenntnis von der Schwerbehinderung im Hinblick auf besondere gesetzliche Vorschriften insbesondere nach dem Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) von Relevanz. So können Kündigungen von Schwerbehinderten nur mit Zustimmung des Integrationsamts ausgesprochen werden. Der Arbeitgeber muss wissen, ob er die Anzahl an Pflichtarbeitsplätzen erfüllt oder eine Ausgleichsabgabe zu zahlen hat. Schwerbehinderte haben Zusatzurlaub und der Arbeitgeber ihnen gegenüber besondere Fürsorgepflichten. Das heißt: Ohne die Kenntnis über die Schwerbehinderung kann der Arbeitgeber die gesetzlichen Anforderungen nicht erfüllen.
Vor dem Inkrafttreten des AGG im Jahr 2006 war es dem Arbeitgeber daher erlaubt, nach der Schwerbehinderteneigenschaft zu fragen. Der Arbeitnehmer musste hierauf wahrheitsgemäß antworten.
Mit dem Inkrafttreten des AGG war die herrschende Literaturmeinung, dass der Arbeitgeber aus Diskriminierungsgründen nicht mehr nach der Schwerbehinderteneigenschaft fragen dürfe, sofern diese nicht für die Ausübung der Tätigkeit entscheidend ist. Im Jahr 2011 ließ das BAG noch offen, ob die Frage nach der Schwerbehinderteneigenschaft zulässig ist, weil es im Fall nicht darauf ankam.
Das war im Jahr 2012 jetzt anders (Urteil vom 16.2.1012, 6 AZR 553/10). Das BAG musste Farbe bekennen und entschied: Im bestehenden Arbeitsverhältnis ist jedenfalls nach sechs Monaten, also nach dem Erwerb des Sonderkündigungsschutzes für behinderte Menschen, die Frage des Arbeitgebers nach der Schwerbehinderung zulässig, insbesondere im Vorfeld von Kündigungen. Dem Arbeitgeber muss es ermöglicht werden, sich rechtstreu zu verhalten. Die Frage nach der Schwerbehinderung stellt nach Ansicht des BAG keine Diskriminierung dar und verstößt auch nicht gegen Datenschutzrecht.
Noch nicht abschließend höchstrichterlich geklärt ist, ob die Frage nach der Schwerbehinderung auch schon im Einstellungsverfahren zulässig ist, wenn die Schwerbehinderung nicht stellenrelevant ist. Richtigerweise wird man dies auch bejahen müssen. Der Arbeitgeber hat vom ersten Tag an Pflichten, der Schwerbehinderte eine besonders geschützte Stellung. Es kann nicht auf den Ablauf von 6 Monaten für den Kündigungsschutz ankommen. Das heißt, auch bei der Einstellung muss der Arbeitgeber fragen dürfen.
Um hier als Arbeitgeber aber auf Nummer sicher zu gehen, ist zu empfehlen, die Frage nach der Schwerbehinderung nach Ablauf von 6 Monaten zur schriftlichen Beantwortung den Neueingestellten nochmals zu stellen, weil erst ab diesem Zeitpunkt Rechtssicherheit besteht und dann bei falschen Angaben auch arbeitsrechtliche Maßnahmen ergriffen werden können.
Wenn der Arbeitnehmer diese Frage falsch beantwortet, hat dies Konsequenzen. Im Fall des BAG aus 2012 konnte sich der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess nicht mehr darauf berufen, dass er schwerbehindert ist. Die Falschbeantwortung kann auch zu einer verhaltensbedingten Kündigung führen, wenn das Vertrauen in den Arbeitnehmer nicht mehr vorhanden ist. Eine personenbedingte Kündigung ist ebenfalls denkbar, wenn die vertraglich geschuldete Tätigkeit von einem Schwerbehinderten nicht ausgeübt werden kann oder darf und dies der Arbeitgeber nachträglich erfährt. Bejaht man die Frage nach der Schwerbehinderung auch im Einstellungsverfahren, kann der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten, wenn der Arbeitnehmer ihm diesbezüglich wissentlich eine falsche Auskunft gegeben hat.
Quelle: haufe.de/recht- News vom 28.02.2012; Autor: Dr. Marc Spielberger, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Partner der Kanzlei Beiten Burkhardt in München
Mitgeteilt von Rechtsanwalt Martin J. Warm, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Steuerrecht, Anwalt für Mittelstand und Wirtschaft, Paderborn, www.warm-wirtschaftsrecht.de
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