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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart
I.
Mehrarbeit - Vergütungserwartung
Bundesarbeitsgericht, Presseerklärung vom 22. Februar 2012, Az. 5 AZR 765/10
Volltext PE:
Bei Fehlen einer (wirksamen) Vergütungsregelung verpflichtet § 612 Abs. 1 BGB den Arbeitgeber, geleistete Mehrarbeit zusätzlich zu vergüten, wenn diese den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Eine entsprechende objektive Vergütungserwartung ist regelmäßig gegeben, wenn der Arbeitnehmer kein herausgehobenes Entgelt bezieht.
Der Kläger war als Lagerleiter zu einem monatlichen Bruttoentgelt von 1.800,00 Euro bei der beklagten Spedition tätig. Im Arbeitsvertrag hatten die Parteien eine wöchentliche Arbeitszeit von 42 Stunden vereinbart. Bei betrieblichem Erfordernis sollte der Kläger ohne besondere Vergütung zu Mehrarbeit verpflichtet sein. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangt der Kläger Vergütung für 968 in den Jahren 2006 bis 2008 geleistete Überstunden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Der Senat hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Die Beklagte schuldet dem Kläger nach § 612 Abs. 1 BGB Überstundenvergütung. Angesichts der Höhe des vereinbarten Bruttoentgelts war die Leistung von Überstunden nur gegen eine zusätzliche Vergütung zu erwarten. Der vertragliche Ausschluss jeder zusätzlichen Vergütung von Mehrarbeit war wegen Intransparenz nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam. Der Arbeitsvertrag lässt aus der Sicht eines verständigen Arbeitnehmers nicht erkennen, welche Arbeitsleistung der Kläger für das regelmäßige Bruttoentgelt schuldete. Er konnte bei Vertragsschluss nicht absehen, was auf ihn zukommen würde.
II.
Keine Ablösung einzelvertraglicher Inbezugnahme durch (Haus-)Tarifvertrag
Bundesarbeitsgericht, Presseerklärung vom 22. Februar 2012 - 4 AZR 24/10
Ein Tarifvertrag kann selbst bei beiderseitiger Tarifgebundenheit eine Vereinbarung in einem Arbeitsvertrag nicht ablösen. Das gilt auch für nur aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwendbare Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR Caritas). Das Verhältnis der einzelvertraglichen und tarifvertraglichen Ansprüche zueinander ist nach dem Günstigkeitsprinzip des § 4 Abs. 3 TVG zu klären.
Die Klägerinnen und Kläger sind langjährig in einem Krankenhaus im nichtärztlichen Dienst beschäftigt und Mitglieder der Gewerkschaft ver.di. In den Arbeitsverträgen mit dem ursprünglichen Träger des Krankenhauses ist die Anwendbarkeit der AVR in der jeweils gültigen Fassung vereinbart worden. Diese sind auch nach Betriebsübergang auf eine GmbH jahrelang weiterhin dynamisch auf die Arbeitsverhältnisse der klagenden Parteien angewendet worden. Mit Wirkung zum 1. Mai 2007 hat die H-GmbH die Gesellschaftsanteile an der Beklagten übernommen.
Die H-GmbH als Konzernmutter hatte zuvor am 16. Januar 2007 mit Gewerkschaft ver.di verschiedene Tarifverträge für die Unternehmen des Konzerns abgeschlossen. Außerdem schloss sie am 1. November 2007 mit der Gewerkschaft ver.di einen Nachtragstarifvertrag ab, der für die Beklagte gelten sollte und nach dessen Maßgabe die Tarifverträge für die Unternehmen des Konzerns bei ihr zur Anwendung kommen sollten.
Die Vorinstanzen haben den auf Neuregelungen der AVR Caritas nach Abschluss des Haustarifvertrages gestützten Klageanträgen stattgegeben. Streitpunkt war dabei allein, ob nach dem Abschluss des Firmentarifvertrages die bisher auf die Arbeitsverhältnisse „anzuwendenden … AVR … in der jeweils gültigen Fassung“ noch anzuwenden sind. Dies hat der Senat mit den Vorinstanzen bejaht. Ein Haustarifvertrag kann die einzelvertraglich begründete Anwendbarkeit der AVR Caritas nicht ablösen. Im Übrigen scheidet hier eine Ablösung bereits aus einem weiteren Grund aus: Der für die Beklagte abgeschlossene Nachtragstarifvertrag gilt bei der Beklagten nicht. Sie ist weder durch ihre Konzernmutter ordnungsgemäß vertretene Tarifvertragspartei gewesen, noch hat ein tariffähiger Verband für sie gehandelt (§ 2 TVG).
III.
Urlaubsansprüche
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21.12.2011, Az. 10 Sa 19/11
LAG Presseerklärung vom 28.12.2011:
Urlaubsansprüche gehen bei durchgehender Arbeitsunfähigkeit spätestens 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres unter und sind bei einer späteren Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht abzugelten - Urteil 21.12.2011 - 10 Sa 19/11
Auch in einem konkludent vereinbarten ruhenden Arbeitsverhältnis zum Bezug von Arbeitslosengeld entsteht bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch: Dieser verfällt nicht am Ende des Übertragungszeitraums nach § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG.
Urlaubsansprüche gehen bei durchgehender Arbeitsunfähigkeit jedoch spätestens 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres unter und sind bei einer späteren Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht abzugelten. Eine unbegrenzte Ansammlung überschreitet die Grenzen der richtlinienkonformen Rechtsfortbildung.
IV.
Rechtsweg, GmbH-Geschäftsführer
Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 12.01.2012, Az. 12 Ta 274/11
1. Für die Klage des Geschäftsführers einer GmbH gegen die Kündigung seines Anstellungsvertrags sind die Arbeitsgerichte nicht zuständig (§ 2 Abs. 1 Nr. 3, § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG).
2. Das gilt auch dann, wenn der Geschäftsführer geltend macht, er sei wegen seiner eingeschränkten Kompetenz in Wirklichkeit Arbeitnehmer gewesen.
3. In einem auf die Bestellung zum Organvertreter gerichteten Vertrag ist der Dienstnehmer nicht etwa bis zur Bestellung Arbeitnehmer und erst danach Nichtarbeitnehmer i. S. d. § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG. Dies ist auch anzunehmen, wenn der Bestellung eine Probezeit als Geschäftsführer vorgeschaltet wird. Die gesetzliche Fiktion gilt auch in der Probezeit.
4. Das Anstellungsverhältnis des Organs einer juristischen Person ändert sich mit der Beendigung der Organstellung nicht automatisch in ein Arbeitsverhältnis.
Siehe:
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/arbgs/koeln/lag_koeln/j2012/12_Ta_274_11beschluss20120112.html
V.
Kündigung eines HIV-infizierten in der Probezeit
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.01.2012, Az. 6 Sa 2159/11
1. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines HIV-infizierten Arbeitnehmers in der Probezeit, der als Chemisch-Technischer Assistent für Tätigkeiten im Reinraumbereich eines pharmazeutischen Unternehmens eingestellt worden war, verstößt nicht gegen das Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung nach § 7 Abs. 1 AGG.
2. Jedenfalls stellen die Sicherheitsstandards des Arbeitgebers zur Vermeidung einer Infektion der Patienten berufliche Anforderungen i. S. d. § 8 Abs. 1 AGG dar, die eine unterschiedliche Behandlung wegen einer HIV-Infektion gestatten.
3. Damit ist die Kündigung weder gemäß § 138 oder § 242 BGB unwirksam, noch besteht ein Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers gemäß § 15 Abs. 2 AGG.
Siehe:
http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de/jportal/portal/t/1gf2/bs/10/page/sammlung.psml?pid=Dokumentanzeige%20%3Chttp://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de/jportal/portal/t/1gf2/bs/10/page/sammlung.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=527&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE120003883%3Ajuris-r03&doc.part=L&doc.price=0.0&doc.hl=1&doc.norm=all#focuspoint%3E%20&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=527&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE120003883%3Ajuris-r03&doc.part=L&doc.price=0.0&doc.hl=1&doc.norm=all#focuspoint
VI.
Betriebsübergang im Bewachungsgewerbe
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 17.02.2012, Az. 1 Sa 24/11
Die Neuvergabe eines Auftrags zur Erbringung von umfassenden Sicherheitsdienstleistungen (Betriebsschutz- und Objektleitung, Sicherheitsleitstelle, Besucherempfang, Ausweismanagement, Parkplatzverwaltung, Schließsysteme, vorbeugender Brandschutz, Sicherheitssysteme und Streifen- und Kontrolldienst) kann einen Betriebsübergang nach § 613a BGB darstellen. Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung kann hierbei ein ausschlaggebendes Kriterium sein, dass der bisherige Auftragnehmer ein speziell für die Bedürfnisse des Auftraggebers entwickeltes DV-Sicherheitssystem eingesetzt hat, dieses System unverzichtbare Voraussetzung für die effiziente Wahrnehmung des Auftrags ist und der neue Auftragsnehmer dieses DV-System weiterhin verwendet (Abgrenzung gegenüber BAG 25. September 2008 - 8 AZR 607/07).
VII.
Arbeitgeber darf nicht auf Betriebsratsdateien zugreifen - keine Protokolldateien für den Betriebsrat
Landesarbeitsgericht Düsseldorf Beschlüsse vom 07.03.2012 - 4 TaBV 87/11 und 11/12
In zwei Verfahren streiten die Beteiligten darüber, ob der Arbeitgeber auf Dateien, die sich auf dem Betriebsratslaufwerk des EDV-Systems der Arbeitgeberin befinden, zugreifen darf (4 TaBV 11/12) und ob der Betriebsrat vom Arbeitgeber Einsicht in Protokolldateien für Zugriffe auf das Betriebsratslaufwerk verlangen kann (4 TaBV 87/11). Auf dem Betriebsratslaufwerk befindet sich unter dem Briefkopf des Betriebsrats eine nicht unterzeichnete achtseitige Stellungnahme in einem Kündigungsschutzverfahren, das Mitarbeiter der Arbeitgeberin betrifft. Die Arbeitgeberin verdächtigt ein nicht freigestelltes Betriebsratsmitglied, diese Stellungnahme während seiner Arbeitszeit verfasst und so einen Arbeitszeitbetrug begangen zu haben. Die Arbeitgeberin verlangt mit ihrem Antrag deshalb festzustellen, dass sie die vollständige Dokumentenhistorie der achtseitigen Stellungnahme ohne Zustimmung des Betriebsrats zurückverfolgen darf, um festzustellen, wann die Datei durch wen bearbeitet wurde. Hilfsweise begehrt sie die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu diesem Vorgehen. Der Betriebsrat möchte seinerseits vom Arbeitgeber die Protokolldateien für Zugriffe auf den Betriebsratsserver an bestimmten Tagen verschafft bekommen.
Die Anträge der Arbeitgeberin und des Betriebsrats hatten vor dem Arbeitsgericht und vor dem Landesarbeitsgericht keinen Erfolg. Dem Arbeitgeber steht nicht das Recht zu, in die Dateien des Betriebsrats Einsicht zu nehmen. Der Betriebsrat verwaltet seine Dateien genauso wie seine sonstigen schriftlichen Unterlagen eigenverantwortlich, weil die Betriebsverfassung durch eine autonom ausgestaltete Interessenwahrnehmung geprägt ist. Auf die Eigentumsverhältnisse an den Datenlaufwerken kommt es insoweit nicht an. Dem Betriebsrat seinerseits fehlt das Rechtsschutzinteresse, um vom Arbeitgeber die Protokolldateien zu verlangen. Der Betriebsrat weiß, dass es bei seinem Laufwerk eine „undichte Stelle“ gibt. Es obliegt dem Betriebsrat in eigener Verantwortung, diese zu schließen.
Das Landesarbeitsgericht hat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen.
Siehe:
http://www.justiz.nrw.de/JM/Presse/presse_weitere/PresseLArbGs/07_03_2012/index.php
VIII.
LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 03.02.2012, Az. 6 Ta 206/11
Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten, Umschulung, Berufsausbildung, Kündigung, Teilnehmervertrag, Umschulungsvereinbarung
IX.
Arbeitgeber müssen persönliche Daten ausgeschiedener Arbeitnehmer von ihrer Homepage löschen
Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Januar 2012, Az. 19 SaGa 1480/11
Volltext PE:
Das Persönlichkeitsrecht eines Arbeitnehmers ist verletzt, wenn ein Arbeitgeber persönliche Daten und Fotos ausgeschiedener Arbeitnehmer weiter auf seiner Homepage präsentiert. Der betroffene Arbeitnehmer kann deren Löschung im Wege der einstweiligen Verfügung verlangen.
Das hat das Hessische Landesarbeitsgericht entschieden und damit ein entsprechendes Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main bestätigt.
Die Klägerin ist Rechtsanwältin und zudem im Besitz einer US-amerikanischen Anwaltszulassung. Sie war vom 1. Mai 2011 bis 31. Juli 2011 in der Steuerberater- und Anwaltssozietät der drei Beklagten tätig. Während der Dauer des Arbeitsverhältnisses wurde die Klägerin mit entsprechendem Profil als Rechtsanwältin der Kanzlei auf der Homepage der Sozietät geführt. Ferner wurde in dem News Blog der Homepage eine Webseite geführt, in der ebenfalls Profil und Foto der Klägerin dargestellt wurden, verbunden mit der Nachricht, dass sie das Anwaltsteam nun im Bereich Handels- und Gesellschaftsrecht verstärke.
Beide Veröffentlichungen erfolgten mit Wissen und Wollen der Klägerin.
Nach dem Ausscheiden war die Klägerin weiter als Rechtsanwältin zugelassen. Sie wurde zudem Leiterin der Rechtsabteilung eines Unternehmens. Von ihren ehemaligen Arbeitgebern verlangte sie die Löschung ihrer persönlichen Daten auf beiden Websites. Die beklagte Sozietät löschte die Daten von ihrer Homepage, nicht aber von der Website im Rahmen des News Blogs.
Die hiergegen beantragte einstweilige Verfügung war vor dem Arbeitsgericht erfolgreich. Die Berufung der Beklagten war ohne Erfolg. Auch das Hessische Landesarbeitsgericht war der Ansicht, dass die beklagte Sozietät die persönlichen Daten der Klägerin samt Foto von allen Seiten ihrer Internetpräsentation löschen müsse. Den Beklagten wurde für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von 50.000 € angedroht.
Die Veröffentlichung greife nach Ende des Arbeitsverhältnisses unberechtigt in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin ein. Das veröffentlichte Profil habe werbenden Charakter. Bewusst würden durch Foto und Text die individuelle Persönlichkeit und die berufliche Qualifikation der Klägerin herausgestellt. Es entstehe der unzutreffende Eindruck, dass die Klägerin nach wie vor in der Sozietät arbeite. Dies führe auch zu Wettbewerbsnachteilen der Klägerin in ihrer Position als Rechtsanwältin. Potentielle Mandanten würden auf die Homepage der Beklagten verwiesen.
Ein berechtigtes Interesse der Beklagten an der Veröffentlichung der Daten der Klägerin nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses gebe es nicht.
Siehe:
http://www.lag-frankfurt.justiz.hessen.de/irj/LAG_Hessen_Internet?rid=HMdJ_15/LAG_Hessen_Internet/sub/9c1/9c124493-f81e-5317-9cda-a2b417c0cf46,11111111-2222-3333-4444-100000005003%26overview=true.htm
X.
Jugendamtsleiter - Anfechtung unwirksam, fristlose Kündigung wirksam
Landesarbeitsgericht Düsseldorf´, Urteil vom 8.03.2012, Az. 5 Sa 684/11
Volltext PE:
Der Kläger ist seit Juli 2009 bei dem beklagten Kreis als Jugendamtsleiter beschäftigt. Er war zuvor seit dem Jahre 1993 bei den Jugendämtern anderer Städte tätig. Mit Schreiben vom 18.01.2011 erklärte der beklagte Kreis die Anfechtung des Arbeitsvertrages. Mit Schreiben vom 19.01.2011 kündigte er zusätzlich fristlos. Nachfolgend sprach der beklagte Kreis eine weitere Anfechtung und mehrere neuerliche Kündigungen aus. Er wirft dem Kläger vor, für das Amt des Jugendamtsleiters charakterlich ungeeignet zu sein. Der Kläger weist die Vorwürfe als pauschal und unzutreffend zurück. Er hat zudem ebenso wie der beklagte Kreis die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung beantragt.
Nach Vernehmung mehrerer Zeugen ist das Landesarbeitsgericht Düsseldorf ebenso wie das Arbeitsgericht Krefeld zu dem Ergebnis gekommen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Anfechtung vom 18.01.2011 nicht aufgelöst wurde. Gründe für eine Anfechtung des Arbeitsverhältnisses lagen nicht vor. Anders als das Arbeitsgericht Krefeld hat das Landesarbeitsgericht die fristlose Kündigung vom 19.01.2011 für wirksam erachtet. Diese hat das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung beendet. Nach der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger in mehreren Fällen durch sexuell grenzüberschreitende Äußerungen gegenüber bzw. in Anwesenheit von Mitarbeitern seine Pflichten als Jugendamtsleiter erheblich verletzt hat, zumal die Äußerungen jedenfalls teilweise Jugendliche betrafen. Aufgrund der Gesamtheit aller bewiesenen Äußerungen ist eine vorherige Abmahnung nicht erforderlich gewesen. Auch die Interessenabwägung fiel zu Lasten des Klägers aus. Hierbei hat das Landesarbeitsgericht u.a. die nur kurze Beschäftigungszeit des Klägers und seine Stellung als Jugendamtsleiter berücksichtigt.
Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen.
Siehe:
http://www.justiz.nrw.de/JM/Presse/presse_weitere/PresseLArbGs/08_03_2012/index.php
XI.
Frist zur Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen nach AGG
Bundesarbeitsgericht Urteil vom 15. März 2012, Az. 8 AZR 160/11
Volltext PE:
Will ein Arbeitnehmer Ansprüche auf Entschädigung oder Schadensersatz nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geltend machen, so muss er dafür die Zweimonatsfrist des § 15 Abs. 4 AGG einhalten. Die Frist ist wirksam und begegnet nach europäischem Recht keinen Bedenken. Bei Ablehnung einer Bewerbung beginnt die Frist in dem Moment zu laufen, in dem der Bewerber von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.
Das beklagte Land schrieb zur Jahresmitte 2008 drei Stellen für Lehrkräfte an einer Justizvollzugsanstalt aus. Der Kläger bewarb sich dafür, wobei er auf seine anerkannte Schwerbehinderteneigenschaft hinwies. Mit Schreiben vom 29. August 2008 lehnte das beklagte Land die Bewerbung des Klägers ab. Dieses Schreiben erhielt der Kläger am 2. September 2008. Mit einem beim beklagten Land am 4. November 2008 eingegangenen Schreiben meldete der Kläger Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche an, weil er nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden war.
Die Klage blieb in allen drei Instanzen ohne Erfolg. Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat die Auffassung der Vorinstanzen bestätigt, wonach der Kläger die Fristenregelung des § 15 Abs. 4 AGG zu beachten hatte. Mit Erhalt des Ablehnungsschreibens hatte der Kläger Kenntnis von den Indizien seiner Benachteiligung, da er bei der Bewerbung auf seine Schwerbehinderung hingewiesen hatte und er abgelehnt worden war, ohne nach § 82 SGB IX von dem öffentlichen Arbeitgeber zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden zu sein. Damit war der Kläger mit Erhalt des Ablehnungsschreibens am 2. September 2008 in der Lage, seine Benachteiligung geltend zu machen. Sein dazu gefertigtes Schreiben erreichte das beklagte Land jedoch erst am 4. November 2008, also zu spät.
XII.
selbständige Einrichtung zum Zweck der Altersversorgung
Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 14.12.2011, Az. 8 Sa 777/11
1. Gründet ein Arbeitgeber eine rechtlich selbständige Einrichtung zum Zweck der Altersversorgung seiner Mitarbeiter, liegt darin regelmäßig die Zusage an die Arbeitnehmer ihnen durch diese Einrichtung betriebliche Altersversorgung nach deren Satzung oder Richtlinien zu gewähren. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Bestehen der Einrichtung bei den Arbeitnehmern bekannt ist.
2. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, einer von ihm eingerichteten Unterstützungskasse die finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen, die diese benötigt, um die Versorgungsansprüche seiner ehemaligen Arbeitnehmer zu erfüllen.
Siehe:
http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/jportal/portal/t/bhp/page/bslaredaprod.psml?pid=Dokumentanzeige%20%3Chttp://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/jportal/portal/t/bhp/page/bslaredaprod.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=16&numberofresults=3714&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE120005308%3Ajuris-r02&doc.part=L&doc.price=0.0&doc.hl=1#focuspoint%3E%20&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=16&numberofresults=3714&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE120005308%3Ajuris-r02&doc.part=L&doc.price=0.0&doc.hl=1#focuspoint
XIII.
Beschäftigter im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG
Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 16.12.2011, Az. 16 Sa 965/11
Leitsätze:
1.Wer sich nicht subjektiv ernsthaft um eine Stelle bewirbt, ist kein Beschäftigter im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG.
2.Voraussetzung für eine unmittelbare Benachteiligung im Sinne des § 3 Abs. 1 AGG ist eine ungünstigere Behandlung des Bewerbers in einer vergleichbaren Situation. Dies setzt die objektive Eignung für die ausgeschriebene Stelle voraus. Wer für die ausgeschriebene Stelle objektiv überqualifiziert ist, ist kein objektiv geeigneter Bewerber.
Siehe:
http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/jportal/portal/t/b0q/page/bslaredaprod.psml?doc.hl=1%20%3Chttp://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/jportal/portal/t/b0q/page/bslaredaprod.psml?doc.hl=1&doc.id=JURE120005302%3Ajuris-r00&documentnumber=14&numberofresults=3714&showdoccase=1&doc.part=K¶mfromHL=true#focuspoint%3E%20&doc.id=JURE120005302%3Ajuris-r00&documentnumber=14&numberofresults=3714&showdoccase=1&doc.part=K¶mfromHL=true#focuspoint
XIV.
BetrVG
Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 6.02.2012, Az. 16 Sa 1134/11
Leitsätze:
1.Bei der Einführung von Mitarbeiterjahresgesprächen handelt es sich um eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.
2.Die Mitbestimmung ist nicht nach § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG ausgeschlossen. Eine gesetzliche oder tarifliche Regelung in Bezug auf Mitarbeiterjahresgespräche besteht nicht.
3.Die von den Betriebspartnern abgeschlossene Betriebsvereinbarung über Mitarbeiterjahresgespräche verstößt nicht gegen Art. 5 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG.
Siehe:
http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/jportal/portal/t/b0q/page/bslaredaprod.psml?doc.hl=1%20%3Chttp://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/jportal/portal/t/b0q/page/bslaredaprod.psml?doc.hl=1&doc.id=JURE120005301%3Ajuris-r02&documentnumber=1&numberofresults=3714&showdoccase=1&doc.part=K¶mfromHL=true#focuspoint%3E%20&doc.id=JURE120005301%3Ajuris-r02&documentnumber=1&numberofresults=3714&showdoccase=1&doc.part=K¶mfromHL=true#focuspoint
XV.
Betriebsratswahlanfechtung
Landesarbeitsgericht München, Beschluss vom 12.01.2012, Az. 4 TaBV 7/11
Leitsätze:
Erfolglose Anfechtung der Wahl eines einheitlichen Betriebsrats für die sechs Einzelhandelsfilialen und die Zentrale der Arbeitgeberin in München - im konkreten Fall liegen keine als selbstständige Betriebe anzusehenden Betriebsteile wegen räumlich weiter Entfernung von einem Hauptbetrieb i. S. d. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG oder einer relativen Eigenständigkeit durch Aufgabenbereich und Organisation i. S. d. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BetrVG vor.
Siehe:
http://www.arbg.bayern.de/muenchen/entscheidungen/neue/22206/index.html
XVI.
Betriebsratstätigkeit, Zeiterfassungssystem, Betriebsvereinbarung, Freistellung
Landesarbeitsgericht München, Beschluss vom 2.02.2012, Az. 3 TaBV 56/11
Leitsätze:
Die Freistellung eines Betriebsratsmitglieds nach § 38 BetrVG führt zur Befreiung von der arbeitsvertraglich fixierten Hauptleistungspflicht zur Arbeit, nicht aber von der Einhaltung der vertraglichen Arbeitszeit. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 38 Abs. 1 BetrVG ("von ihrer beruflichen Tätigkeit sind ... freizustellen"), dem Sinn und Zweck des § 38 BetrVG und der systematischen Auslegung unter Berücksichtigung der Teilfreistellung in § 38 Abs. 1 Satz 3 BetrVG. Freigestellte Betriebsratsmitglieder haben deshalb grundsätzlich das Recht und die Pflicht auf Anwendung der Zeiterfassungssysteme regelnden Betriebsvereinbarung. Ein Verzicht der Arbeitgeberin auf diese Anwendung verstößt, sofern nicht in der Betriebsvereinbarung geregelt, gegen § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG
Siehe:
http://www.arbg.bayern.de/muenchen/entscheidungen/neue/22203/index.html
XVII.
Angelegenheiten aus dem BetrVG
Arbeitsgericht Leipzig, Beschluss vom 15.02.2012, Az. 11 BV 79/11
1. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat im Zustimmungsverfahren nach § 99 Abs. 1 BetrVG nicht unterrichten über sachliche Gründe für seine Entscheidung zur Einstellung von Leiharbeitnehmern.
2. § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG, wonach die Überlassung von Leiharbeitnehmern vorübergehend erfolgt, stellt keine Verbotsnorm i.S.v. § 99 Abs. Nr. 1 BetrVG dar. Der Betriebsrat kann die Zustimmung zur Einstellung von Leiharbeitnehmern nicht mit der Begründung verweigern, die Einstellung sei nicht "vorübergehend".
3. Die vorläufige Besetzung von Arbeitsplätzen mit Leiharbeitnehmern, zu deren Einstellung die fehlende Zustimmung des Betriebsrats durch das Gericht ersetzt wird, ist aus sachlichen Gründen dringend erforderlich.
Siehe:
http://www.justiz.sachsen.de/lag/download/11BV79-11_ArbG-L_20120216.pdf
Mit freundlichen kollegialen Grüßen
Ihr
Michael Henn
Rechtsanwalt/
Fachanwalt für Arbeitsrecht/
Fachanwalt für Erbrecht
VDAA - Präsident
VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V.
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