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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart
I.
Zahlungsklage - Vergütung einer Service-Mitarbeiterin
Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 28.12.2011, Az. 8 Ta 346/11
Wird die Vergütung der Arbeit einer Service-Mitarbeiterin in einer Gaststätte als lohnsteuerpflichtige Tätigkeit abgerechnet, ist von einem Arbeitsverhältnis auszugehen, auch wenn die Mitarbeiterin gleichzeitig Gesellschafterin ist.
http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/jportal/portal/t/1sm7/page/bslaredaprod.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=3664&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE120002411%3Ajuris-r02&doc.part=L&doc.price=0.0&doc.hl=1#focuspoint>&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=3664&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE120002411%3Ajuris-r02&doc.part=L&doc.price=0.0&doc.hl=1#focuspoint
II.
Betriebliches Eingliederungsmanagement - Überwachungsrecht des Betriebsrats
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 07.02.2012, Az. 1 ABR 46/10
Der Arbeitgeber hat für Arbeitnehmer, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen arbeitsunfähig sind, die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (bEM) zu prüfen (§ 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). In diesem Verfahren soll geklärt werden, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Ob der Arbeitgeber seiner Pflicht zur Einleitung des bEM nachkommt, hat der Betriebsrat zu überwachen (§ 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX). Die Wahrnehmung dieser Aufgabe ist nicht von der Zustimmung der betroffenen Arbeitnehmer abhängig.
Im Betrieb eines auf dem Gebiet der Luft- und Raumfahrttechnik tätigen Arbeitgebers besteht eine Betriebsvereinbarung über die Durchführung des bEM. Nach dieser erhält der Betriebsrat quartalsweise ein Verzeichnis der Mitarbeiter, die im Jahreszeitraum mehr als sechs Wochen arbeitsunfähig waren. Der Arbeitgeber möchte die Namen dieser Arbeitnehmer nur mit deren Einverständnis offen legen.
Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat dem Antrag des Betriebsrats entsprochen, mit dem dieser die Angabe sämtlicher Arbeitnehmer verlangt hat, die für die Durchführung eines bEM in Betracht kommen. Der Arbeitgeber durfte deren namentliche Benennung nicht vom Einverständnis der Arbeitnehmer abhängig machen. Er hat ein bEM allen Beschäftigten anzubieten, die im Jahreszeitraum mehr als sechs Wochen arbeitsunfähig gewesen sind. Für die Ausübung seines gesetzlichen Überwachungsrechts muss der Betriebsrat diesen Personenkreis kennen; einer namentlichen Benennung stehen weder datenschutzrechtliche Gründe noch das Unionsrecht entgegen.
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2012&nr=15664&pos=0&anz=10>&Art=pm&Datum=2012&nr=15664&pos=0&anz=10
III.
Schadensersatz wegen Gehaltseinbußen
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.02.2012, Az. 8 AZR 98/11
Ohne besondere vertragliche Vereinbarung besteht grundsätzlich keine Pflicht des Arbeitgebers, seine Organisationsgewalt so auszuüben, dass die Höhe des erfolgsabhängigen variablen Entgelts einzelner Mitarbeiter sich nicht verändert.
Die Beklagte vertreibt Versicherungsleistungen. Dabei arbeitet sie im Zielgruppenvertrieb mit dem Verein „B.“ zusammen. Der Kläger ist angestellter Versicherungsvertreter in diesem Bereich. Für B. tätige Werber werden zugleich als sog. „Beauftragte“ für die Beklagte aktiv und versuchen, mit den Mitgliedern des B. ein Beratungsgespräch über Versicherungen zu vereinbaren. Dieses wird dann von „Beratern“ der Beklagten durchgeführt. Die Berater erhalten Provisionen, wobei ein bestimmtes Fixum von der Beklagten garantiert wird. Der Kläger war zunächst als Berater tätig, dann leitete er als Gruppenleiter mehrere Beauftragte und schließlich als Vertriebsleiter mehrere Berater an. Das erfolgsabhängige variable Entgelt des Klägers überstieg das vertraglich garantierte Fixum immer um ein Mehrfaches. Im Bereich B. nahm die Zahl der Beauftragten von 2003 bis 2008 um etwa 60 % ab.
Mit der Klage verlangt der Kläger Schadensersatz wegen Gehaltseinbußen in den Jahren 2006 bis 2008. Dazu hat er die Auffassung vertreten, die Beklagte habe schuldhaft die Zahl der Beauftragten reduziert, wodurch die Beratungstermine zurückgegangen seien. Die Beklagte sei verpflichtet, eine ausreichende Zahl von Beratern und Beratungsterminen zur Verfügung zu stellen.
Wie schon in den Vorinstanzen blieb die Klage auch vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg. Die zwischen den Parteien getroffenen Entgeltvereinbarungen sind unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu beanstanden. Dem Wesen eines variablen Entgeltbestandteils entspricht es, in der Höhe von Einflüssen des Marktes, der Vertriebsorganisation des Arbeitgebers oder solchen, die von der Person des Arbeitnehmers ausgehen, abhängig zu sein. Grundsätzlich besteht, soweit die vertraglich vereinbarte Aufgabe nicht verändert wird, keine Pflicht des Arbeitgebers, seine Organisation so vorzuhalten, dass die erfolgsabhängig Vergüteten ein maximales variables Entgelt erzielen. Dies bedürfte einer gesonderten vertraglichen Vereinbarung. Im konkreten Fall kam hinzu, dass ein Gebiets- oder Kundenschutz arbeitsvertraglich ausgeschlossen worden war und sich die Beklagte selbst bei Übertragung der Vorgesetztenfunktionen vorbehalten hatte, die Zahl der unterstellten Beauftragten oder Berater jederzeit verändern zu können.
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2012&nr=15699&pos=0&anz=14>&Art=pm&Datum=2012&nr=15699&pos=0&anz=14
IV.
Entschädigung wegen der Benachteiligung eines schwerbehinderten Bewerbers
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.02.2012, Az. 8 AZR 697/10
Ein öffentlicher Arbeitgeber hat nach § 82 Satz 2 SGB IX einen schwerbehinderten Menschen, der sich auf eine ausgeschriebene Stelle unter Mitteilung seiner Schwerbehinderteneigenschaft beworben hat, zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, es sei denn, diesem fehlt offensichtlich die fachliche Eignung für die ausgeschriebene Stelle. Eine unterbliebene Einladung ist ein Indiz für die Vermutung, der Bewerber sei wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden. Diese Vermutung kann der öffentliche Arbeitgeber durch den Beweis widerlegen, dass für die Nichteinladung nur solche Gründe vorgelegen haben, welche nicht die fehlende Eignung des Bewerbers oder dessen Schwerbehinderung betreffen.
Der schwerbehinderte Kläger hatte sich bei der Beklagten auf eine Ausschreibung der Bundespolizeidirektion Flughafen Frankfurt am Main als „Pförtner/Wächter“ beworben. In seiner Bewerbung hatte er auf seinen GdB von 60 hingewiesen. Bei der Beklagten besteht eine Rahmenvereinbarung zur Integration Schwerbehinderter. Nach dieser Integrationsvereinbarung kann von einer Einladung schwerbehinderter Bewerber zum Auswahlverfahren abgesehen werden, wenn zwischen Zentralabteilung, Schwerbehindertenvertretung und Gleichstellungsbeauftragter Einvernehmen besteht, dass der Bewerber für den freien Arbeitsplatz nicht in Betracht kommt. Die Bundespolizeidirektion sah im Einvernehmen mit den zu beteiligenden Stellen von einer Einladung des Klägers zu einem Vorstellungsgespräch ab. Dieser sieht sich durch diese Nichteinladung wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt und verlangt von der Beklagten eine Entschädigung in Höhe von 5.723,28 Euro.
Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung von 2.700,00 Euro verurteilt. Die Revision der Beklagten blieb vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolglos. Die Bundespolizeidirektion hätte den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einladen müssen, weil durch die Integrationsvereinbarung das Recht des schwerbehinderten Bewerbers auf ein Vorstellungsgespräch nicht eingeschränkt werden sollte. Deshalb besteht die Vermutung, dass der Kläger wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden ist. Diese Vermutung hat die Beklagte nicht durch Tatsachen widerlegt, die keinen Bezug zur Schwerbehinderung des Klägers und zu dessen fachlicher Eignung haben. Nur auf solche hätte sich die Beklagte mit Erfolg berufen können, weil § 82 Satz 3 SGB IX hinsichtlich der Verpflichtung des öffentlichen Arbeitgebers zur Einladung schwerbehinderter Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch abschließenden Charakter hat. Die gegen die Höhe der ausgeurteilten Entschädigung gerichtete Revision des Klägers hat der Senat aus formalen Gründen als unzulässig verworfen.
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2012&nr=15697&pos=1&anz=14>&Art=pm&Datum=2012&nr=15697&pos=1&anz=14
V.
Frage nach der Schwerbehinderung im bestehenden Arbeitsverhältnis
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.02.2012, Az. 6 AZR 553/10
Im bestehenden Arbeitsverhältnis ist jedenfalls nach sechs Monaten, also nach dem Erwerb des Sonderkündigungsschutzes für behinderte Menschen, die Frage des Arbeitgebers nach der Schwerbehinderung zulässig. Das gilt insbesondere zur Vorbereitung von beabsichtigten Kündigungen.
Der mit einem GdB von 60 schwerbehinderte Kläger stand seit dem 1. November 2007 in einem bis zum 31. Oktober 2009 befristeten Arbeitsverhältnis. Am 8. Januar 2009 wurde der Beklagte zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der Arbeitgeberin bestellt. Während des Insolvenzeröffnungsverfahrens erbat der Beklagte in einem Fragebogen zur Vervollständigung bzw. Überprüfung der ihm vorliegenden Daten ua. Angaben zum Vorliegen einer Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten. Der Kläger verneinte seine Schwerbehinderung. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kündigte der Beklagte als Insolvenzverwalter am 26. Mai 2009 dem Kläger zum 30. Juni 2009.
Der Kläger, der in der Klageschrift vom 9. Juni 2009 seine Schwerbehinderung mitgeteilt hat, hält die Kündigung vom 26. Mai 2009 für unwirksam, weil das Integrationsamt ihr nicht zugestimmt habe. Das Arbeitsgericht ist dem gefolgt und hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat dagegen angenommen, der Kläger könne sich auf den Kündigungsschutz für Schwerbehinderte nicht berufen, weil er die Frage nach der Schwerbehinderung wahrheitswidrig verneint habe.
Die Revision des Klägers hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Die Frage nach der Schwerbehinderung im Vorfeld einer vom Arbeitgeber beabsichtigten Kündigung steht im Zusammenhang mit der Pflichtenbindung des Arbeitgebers durch die Anforderungen des § 1 Abs. 3 KSchG, der die Berücksichtigung der Schwerbehinderung bei der Sozialauswahl verlangt, sowie durch den Sonderkündigungsschutz nach § 85 SGB IX, wonach eine Kündigung der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes bedarf. Sie soll es dem Arbeitgeber ermöglichen, sich rechtstreu zu verhalten. Die Frage diskriminiert behinderte Arbeitnehmer nicht gegenüber solchen ohne Behinderung. Auch datenschutzrechtliche Belange stehen der Zulässigkeit der Frage nicht entgegen. Infolge der wahrheitswidrigen Beantwortung der ihm rechtmäßig gestellten Frage nach seiner Schwerbehinderung ist es dem Kläger unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens verwehrt, sich im Kündigungsschutzprozess auf seine Schwerbehinderteneigenschaft zu berufen.
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2012&nr=15696&pos=2&anz=14>&Art=pm&Datum=2012&nr=15696&pos=2&anz=14
VI.
Urlaub - Ausschluss von Doppelansprüchen bei unwirksamer Kündigung
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.02.2012, Az. 9 AZR 487/10
Der Anspruch auf Urlaub besteht nach § 6 Abs. 1 BUrlG nicht, soweit dem Arbeitnehmer für das laufende Kalenderjahr bereits von einem früheren Arbeitgeber Urlaub gewährt worden ist. Die Vorschrift regelt den Urlaubsanspruch, wenn der Arbeitnehmer während des Urlaubsjahres den Arbeitgeber wechselt. Sie erfasst jedoch nicht den Fall, dass ein Arbeitnehmer nach einer Kündigung des Arbeitgebers ein anderweitiges Arbeitsverhältnis eingegangen ist und festgestellt wird, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. In einem solchen Fall liegt ein Doppelarbeitsverhältnis vor. Hätte der Arbeitnehmer seine Pflichten aus beiden Arbeitsverhältnissen nicht gleichzeitig erfüllen können und hat der Arbeitgeber, mit dem er während des Kündigungsrechtsstreits ein Arbeitsverhältnis eingegangen ist, ihm für ein laufendes Kalenderjahr Urlaub gewährt, hat er im Umfang des ihm erteilten Urlaubs grundsätzlich keinen weiteren Urlaubsanspruch für dieses Jahr. Einem doppelten Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers steht entgegen, dass dieser im Falle eines Obsiegens im Kündigungsrechtsstreit grundsätzlich so zu stellen ist, als hätte keine tatsächliche Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses stattgefunden. Zwar handelt es sich beim Urlaub nicht um Entgelt für geleistete Dienste, sodass die Anrechnungsvorschriften § 11 Nr. 1 KSchG und § 615 Satz 2 BGB keine unmittelbare Anwendung finden. Wegen der Gleichheit der Interessenlage ist jedoch eine analoge Anwendung dieser Bestimmungen geboten.
Die Klägerin wurde bei der Beklagten als Fachexpertin für Fotogrammetrie eingestellt. Im Arbeitsvertrag sind 29 Arbeitstage Urlaub vereinbart. Nachdem die Beklagte das Arbeitsverhältnis mehrmals gekündigt hatte und die Klägerin ein anderweitiges Arbeitsverhältnis eingegangen war, wurden ihr im Kalenderjahr 2008 21 Arbeitstage Urlaub gewährt. Mit einem Schreiben vom 6. November 2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten erfolglos Urlaub für die Zeit vom 14. November bis zum 30. Dezember 2008. Im Kündigungsrechtsstreit der Parteien wurde rechtskräftig festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigungen der Beklagten nicht vor Ablauf des Jahres 2008 aufgelöst worden ist. Die Vorinstanzen haben der Klage, mit der die Klägerin einen Ersatzurlaubsanspruch von 29 Arbeitstagen für das Jahr 2008 festgestellt haben wollte, stattgegeben.
Die Revision der Beklagten, mit der diese die Anrechnung von 21 Urlaubstagen auf den Urlaubsanspruch der Klägerin für das Kalenderjahr 2008 erreichen wollte, hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Der Klägerin steht für das Jahr 2008 nur ein Ersatzurlaubsanspruch von acht Arbeitstagen zu. Da sie nicht gleichzeitig ihre Pflichten aus beiden Arbeitsverhältnissen erfüllen konnte, hat sie keinen doppelten Urlaubsanspruch, sondern muss sich die ihr gewährten 21 Urlaubstage auf ihren Urlaubsanspruch gegenüber der Beklagten anrechnen lassen.
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2012&nr=15700&pos=0&anz=15>&Art=pm&Datum=2012&nr=15700&pos=0&anz=15
VII.
Fristlose Kündigung unwirksam, wenn der Betriebsrat nicht vorher umfassend unterrichtet wurde
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 10.01.2012, Az. 2 Sa 305/11
Vor einer Kündigung wegen Diebstahls oder des Verdachts eines Diebstahls muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat nicht nur die von ihm festgestellten Fakten mitteilen, sondern auch den Verlauf des Arbeitsverhältnisses und seine Interessenabwägung (Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein vom 10.01.2012 – 2 Sa 305/11).
Die 41-jährige Klägerin war bei der Beklagten seit 1999 als Reinigungskraft in einer Badeanstalt tätig. 2009 erhielt sie eine Abmahnung wegen Verlassens des Geländes ohne vorherige Abmeldung. Danach wurde sie noch zweimal ermahnt. Sie hatte den Arbeitsplatz ohne Abmeldung verlassen und sie hatte während der Arbeitszeit ein privates Telefonat geführt, ohne dieses Gespräch als „privat“ zu kennzeichnen. Die Klägerin wurde arbeitsunfähig krank. Jemand sah sie im Betrieb, wie sie das Fundsachenregal durchsuchte und ohne Rücksprache mit dem Arbeitgeber einen Tauchring mitnahm. Über dem Arm trug sie Kleidungsstücke. Der Arbeitgeber hegte den Verdacht des Diebstahls. Er gab der Klägerin Gelegenheit, sich zu dem Geschehen zu äußern. Nach ihren Angaben hatte sie den verlorenen Tauchring ihres Sohnes gesucht und Kleidungsstücke aus ihrem Spind geholt. Der Arbeitgeber schilderte dem Betriebsrat den Sachverhalt und hörte ihn zu einer beabsichtigten Kündigung wegen des Verdachts des Diebstahls an. Die Abmahnung und die Ermahnungen erwähnte er nicht. Auch begründete er nicht, was ihn erwogen hatte, trotz der langen Betriebszugehörigkeit zu kündigen. Danach wurde, trotz Bedenken des Betriebsrates, eine fristlose und vorsorglich eine fristgemäße Kündigung ausgesprochen.
Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben und die Kündigung als unverhältnismäßig eingeordnet. Das Landesarbeitsgericht bestätigte das Urteil, aber mit einer anderen Begründung: Danach ist die Kündigung bereits aus formellen Gründen unwirksam, weil dem Betriebsrat zu wenig mitgeteilt wurde. Grundsätzlich müsse der Arbeitgeber dem Betriebsrat mehr als nur die konkreten Fakten mitteilen, aus denen sich der Verdacht des Diebstahls ergebe. Er müsse ihn in der Anhörung auch über Abmahnungen, Ermahnungen usw. informieren und schildern, welche Gesichtspunkte er vor seinem Kündigungsentschluss wie gegeneinander abgewogen habe.
Die Revision wurde gegen dieses Urteil nicht zugelassen.
http://www.schleswig-holstein.de/LAG/DE/Service/MedienInformationen/PI/prm112.html
VIII.
ZPO § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.12.2011, Az. XI ZB 13/11
a)Klagt eine Partei im eigenen Gerichtsstand, so sind die Reisekosten ihres Rechtsanwalts, der weder am Gerichtsort noch am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässig ist ("Rechtsanwalt am dritten Ort"), zur zweckentsprechen-den Rechtsverfolgung grundsätzlich nicht erforderlich. Es sind deshalb nur diejenigen Reisekosten zu erstatten, die aus dem Auseinanderfallen von Gerichtsort einerseits und Geschäfts- oder Wohnsitz der Partei andererseits entstehen (Fortführung von BGH, Beschlüsse vom 22. Februar 2007 - VII ZB 93/06, NJW-RR 2007, 1071 Rn. 11 und vom 22. April 2008 - XI ZB 20/07, juris Rn. 8).
b)Die Beauftragung eines spezialisierten auswärtigen Rechtsanwalts am dritten Ort ist zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nur dann ausnahmsweise notwendig, wenn ein vergleichbarer ortsansässiger Rechtsanwalt nicht beauftragt werden kann (Fortführung von BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2002 - I ZB 29/02, NJW 2003, 901, 902).
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&Seite=0&nr=59155&pos=14&anz=598>&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&Seite=0&nr=59155&pos=14&anz=598
IX.
LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 21.02.2012, Az. 6 Ta 11/12
Prozesskostenhilfe, Beiordnung eines Rechtsanwalts, teilweise Versagung, Erforderlichkeit, Vergütungsansprüche, einfach gelagerter Fall
http://www.sit.de/lagsh/ehome.nsf/93D5807FE1074775C12579AB004E47F8/$file/N_6Ta11-12_02-02-2012.pdf
X.
LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 17.02.2012, Az. 3 Sa 367/11
Kündigung, Wirksamkeit, Erbfall, Gläubigerstellung, Schuldnerstellung, Arbeitsverhältnis, Erlöschen, Kündigungsschutzklage, treuwidrig, widersprüchliches Verhalten
http://www.sit.de/lagsh/ehome.nsf/E4B8CBEA80137749C12579A700395D61/$file/U_3Sa367-11_25-01-2012.pdf
XI.
LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 17.02.2012, Az. 6 Ta 7/12
Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten, Zuständigkeit, sachliche, sic-non-Fall, Fußballtrainer, Arbeitnehmereigenschaft, Feststellungsklage, Arbeitsverhältnis, Bestehen eines
http://www.sit.de/lagsh/ehome.nsf/33D7B14A4FDA776EC12579A700395D62/$file/N_6Ta7-12_02-02-2012.pdf
XII.
LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 17.02.2012, Az. 6 TaBV 47/11
Einigungsstelle, Einsetzung einer Einigungsstelle, Unzuständigkeit (offensichtliche), Gefährdungsbeurteilung, Unterweisung, Betriebsrat, Mitbestimmungsrecht, Aufgabenübertragung
http://www.sit.de/lagsh/ehome.nsf/883BA1BE4C1AC2C7C12579A700395D63/$file/N_6TaBV47-11_18-01-2012.pdf
XIII.
LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 09.02.2012, Az. 5 Sa 339/11
Kündigung, ordentlich, Öffentlicher Dienst, Probezeit, Wartezeit, Rechtsmissbrauch, Sittenwidrigkeit, Lehrer, Disziplinarmaßnahmen, Einstellungserklärung, Angaben, falsche, Eignungsbeurteilung (negative), Leistungsbeurteilung (negative), Vorgesetzter
http://www.sit.de/lagsh/ehome.nsf/FD2C46760A8AE560C125799F002C3613/$file/U_5Sa339-11_12-01-2012.pdf
XIV.
LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 09.02.2012, Az. 6 Ta 28/12
Prozesskostenhilfe, Versagung, sofortige Beschwerde, Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, Vordruck, Vorlage, rechtzeitige, Fehlen eines Vordruckes, Beendigung der Instanz, Nachfrist, Fristablauf, Nachreichen, Berücksichtigung, keine rückwirkende, Mitwirkungspflicht
http://www.sit.de/lagsh/ehome.nsf/AC46832EEA6BE380C125799F002C3614/$file/N_6Ta28-12_02-02-2012.pdf
XV.
LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 09.02.2012, Az. 3 Sa 284/11
Schadensersatz, Diebstahl, Videoüberwachung, verdeckte, Geständnis, Verwertungsverbot, "Früchte des verbotenen Baumes", Schadenshöhe, Anscheinsbeweis
http://www.sit.de/lagsh/ehome.nsf/5A9CC303DACBBCC9C125799F002C611A/$file/U_3Sa284-11_16-11-2011.pdf
XVI.
LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 03.02.2012, Az. 6 Ta 3/12
Zwangsvollstreckung, Zwangsgeld, Vergleich, Zeugnis (Erteilung), qualifiziertes Zeugnis, Nichterfüllung
http://www.sit.de/lagsh/ehome.nsf/9B7708FD3E128604C12579990045D5D4/$file/N_6Ta3-12_10-01-2012.pdf
XVII.
Aussetzung wegen Strafverfahren
Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 2.01.2012, Az. I-6 W 74/11
1.Die Begründung des Aussetzungsbeschlusses muss ausreichende Erwägungen zur Ermessensausübung erkennen lassen.
2.Es bedarf einer Abwägung der Tatsachen, die eine Aussicht auf bessere Erkenntnis im Strafverfahren eröffnen, mit den achtenswerten Interessen des Klägers an einer alsbaldigen Entscheidung über sein Begehren, also ihrem Interesse an der Beachtung des Beschleunigungsgebots. Dabei ist unter anderem auch der Stand des Strafverfahrens zu beachten. Bei einem schon weit fortgeschrittenen Strafverfahren ist eine Aussetzung eher vertretbar, als bei einem noch im Anfangsstadium befindlichen.
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/hamm/j2012/I_6_W_74_11beschluss20120102.html
Mit freundlichen kollegialen Grüßen
Ihr
Michael Henn
Rechtsanwalt/
Fachanwalt für Arbeitsrecht/
Fachanwalt für Erbrecht
VDAA - Präsident
VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V.
Theodor-Heuss-Str. 11
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