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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart



I.
Zur Haftung bei missbräuchlicher Abhebung von Bargeld an Geldautomaten
BGH, Urteil vom 29.11.2011, Az. XI ZR 370/10

a)Bei missbräuchlicher Abhebung an einem Geldautomaten unter Eingabe der richtigen persönlichen Geheimzahl (PIN) spricht der Beweis des ersten Anscheins nur dann dafür, dass der Karteninhaber pflichtwidrig die PIN auf der Karte notiert oder gemeinsam mit dieser verwahrt hat, wenn bei der Abhebung die Originalkarte eingesetzt worden ist (Bestätigung des Senatsurteils vom 5. Oktober 2004 - XI ZR 210/03, BGHZ 160, 308, 314 f.).

b)Zur Auslegung einer Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer kartenausgebenden Bank, nach der der Karteninhaber vor Anzeige des Verlustes der Karte lediglich bis zu einem bestimmten Höchstbetrag haftet.

c)Legt eine kartenausgebende Bank in Allgemeinen Geschäftsbedingungen einen Höchstbetrag für Bargeldauszahlungen an Geldautomaten pro Tag fest, schützt diese Klausel auch den Karteninhaber, sodass dessen Haftung im Falle eines Kartenmissbrauchs auf diesen Betrag begrenzt sein kann, wenn die Bank ihrer Pflicht, die Einhaltung des Höchstbetrags zu sichern, nicht genügt hat.
II.
Versagung der Restschuldbefreiung bei unrichtigen/unvollständigen Angaben
BGH, Beschluss vom 01.12.2011, Az. IX ZB 260/10

Die Restschuldbefreiung kann dem Schuldner auf Antrag eines Insolvenzgläubigers auch dann versagt werden, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig in der Zeit zwischen Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Schlusstermin schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse macht, um einen Kredit zu erhalten, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen oder Leistungen an öffentlichen Kassen zu vermeiden.

III.
Gläubigerbenachteiligung bei Zahlung auf Direktversicherung
BGH, Urteil vom 12.01.2012, Az. IX ZR 95/11

Entrichtet eine GmbH nach drohender Zahlungsunfähigkeit die Prämien für eine Direktversicherung ihres Geschäftsführers weiter, auf welche dieser nach seinem Anstellungsvertrag Anspruch hat, so benachteiligt dies im Regelfall trotz der als Gegenleistung erhaltenen Dienste die Gläubiger der Gesellschaft und kann bei entsprechendem Vorsatz gegenüber dem Geschäftsführer angefochten werden.

IV.
Arbeitsaufnahme "zur Probe" - Beweislast für Dienstvertrag
Landesarbeitsgericht Nürnberg, Beschluss vom 21.11.2011, Az. 4 Ta 180/11

Bewirbt sich ein Stellensuchender erfolgreich auf ein Stellenangebot, das die Begründung eines sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses zum Inhalt hat, kommt spätestens durch die tatsächliche Arbeitsaufnahme eine solche Rechtsbeziehung auch zustande.

Konkrete Umstände für die Begründung eines anderen Rechtsverhältnisses - freier Dienstvertrag oder Werkvertrag - hat in diesem Fall die Beklagte darzulegen und zu beweisen

V.
Mutterschutz, Beschäftigungsverbot, Durchschnittsverdienst
Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 28.12.2011, Az. 8 Sa 1328/10

1.Nach § 11 MuSchG ist einer schwangeren Arbeitnehmerin für die Dauer eines Beschäftigungsverbots grundsätzlich der Verdienst auf der Grundlage der letzten 13 Wochen vor Eintritt in das Beschäftigungsverbot zu gewähren.

2.Dem Zweck der Vorschrift des § 11 MuSchG (zum Zweck der Vorschrift siehe insbesondere BAG, Urteil vom 05.07.1995 – 5 AZR 134/94 – AP Nr. 7 zu § 3 MuSchG 1968), der darin liegt, die Aufrechterhaltung des Lebensstandards zu garantieren, ist nicht entsprochen, wenn sich aus dem zugrundezulegenden Dreimonatszeitraum der Durchschnittsverdienst deshalb nicht korrekt ableiten lässt, weil eine vertraglich vereinbarte Arbeitszeitreduzierung einer Arbeitnehmerin – wie im Streitfall – erst durch sogenannte Teilzeittage eines vollen Jahres ausgeglichen ist und sich daher bei Zugrundelegung des Referenzzeitraums nach § 11 Abs. 1 Satz 1 MuSchG ein vom Durchschnittsverdienst erkennbar abweichender Verdienst ergibt. In einem derartigen Fall ist für den Verdienst während des Beschäftigungsverbots der die gesamte Arbeitszeitreduzierung berücksichtigende Jahreszeitraum vor Beginn der Schwangerschaft zugrundzulegen

VI.
Mobiltelefon als erforderliches Kommunikationstechnik des Betriebsrats
Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 28.11.2011, Az. 16 TaBV 129/11

1.Die arbeitsgerichtliche Kontrolle der Entscheidung des Betriebsrats über die Erforderlichkeit eines verlangten Sachmittels ist auf die Prüfung beschränkt, ob das verlangte Sachmittel aufgrund der konkreten betrieblichen Situation der Erledigung der gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrats dient und der Betriebsrat bei seiner Entscheidung nicht nur die Interessen der Belegschaft berücksichtigt, sondern auch berechtigten Belangen des Arbeitgebers Rechnung getragen hat (BAG 14.7.2010 - 7 ABR 80/08 - AP Nr. 107 zu § 40 BetrVG 1972).
2.Durch das zur Verfügung stellen von Mobiltelefonen wird die Erreichbarkeit der Betriebsratsmitglieder für die Beschäftigten und die Kommunikation unter den Betriebsratsmitgliedern verbessert. Der Betriebsrat hat bei seiner Entscheidung auch dem berechtigten Interesse des Arbeitgebers an einer Begrenzung der Kostentragungspflicht Rechnung getragen. Es hält sich im Rahmen des dem Betriebsrat zustehenden Beurteilungsspielraums, wenn er die Kosten für 16 weitere Mobiltelefone in Höhe von insgesamt 352 € monatlich bei konzernweit 32.000 Mobiltelefonen mit einer monatlichen Belastung von 704.000 € für den Arbeitgeber als zumutbar erachtet hat.

VII.
Voraussetzungen für die Erstattungspflicht des Haftpflichtversicherers für Kosten der Einholung einer Deckungszusage
BGH, Urteil vom 13.12.2011, Az. VI ZR 274/10

Befindet sich bei der Regulierung eines Verkehrsunfallschadens der Haftpflichtversicherer des Schädigers mit der Ersatzleistung in Verzug, sind Rechtsanwaltskosten, die der Geschädigte im Zusammenhang mit der Einholung einer Deckungszusage seines Rechtsschutzversicherers verursacht hat, nur zu erstatten, soweit sie aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren.

VIII.
Anlageberatung: Prüfpflichten der beratenden Bank im Hinblick auf einen Anlageprospekt, den sie zur Grundlage ihrer Beratung macht (hier: Umfang einer Mietbürgschaft)
OLG Frankfurt, Urteil vom 25.01.2012, Az. 9 U 71/10

Nimmt die anlageberatende Bank die Beratung auf der Grundlage eines Anlageprospektes vor und ist der Prospekt fehlerhaft, hat sie den Anleger falsch beraten. Für ihren Vortrag, sie habe den Prospektfehler (hier: Umfang einer Mietbürgschaft) nicht erkennen können, ist die Bank darlegungs- und beweispflichtig. Da die Bank bei einem Beratungsvertrag zu mehr als nur einer Plausibilitätsprüfung verpflichtet ist, kann dies im Einzelfall bedeuten, dass sie verpflichtet ist, den tatsächlichen Umfang der Mietbürgschaft über das Prospekt hinaus zu überprüfen.

IX.
BGH, Urteil vom 24.01.2012, Az. II ZR 109/11

1.Wenn ein Einziehungsbeschluss weder nichtig ist noch für nichtig erklärt wird, wird die Einziehung mit der Mitteilung des Beschlusses an den betroffenen Gesellschafter und nicht erst mit der Leistung der Abfindung wirksam.

2.Die Gesellschafter, die den Einziehungsbeschluss gefasst haben, haften dem ausgeschiedenen Gesellschafter anteilig, wenn sie nicht dafür sorgen, dass die Abfindung aus dem ungebundenen Vermögen der Gesellschaft geleistet werden kann, oder sie die Gesellschaft nicht auflösen.

X.
Grundbuchberichtigung nach Tod eines GbR-Gesellschafters
OLG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 04.01.2012, Az. 2 W 186/11

1.Wenn das Grundbuch nach dem Tod eines Gesellschafters einer als Eigentümerin eingetragenen GbR berichtigt werden soll, muss das Grundbuchamt in jedem Fall Feststellungen darüber treffen, wer hinsichtlich des Gesellschaftsanteils Rechtsnachfolger des Verstorbenen geworden ist.

2.Auch wenn die Grundbuchberichtigung auf Bewilligung der Betroffenen (§ 19 GBO) erfolgen soll, sind diese Feststellungen zu treffen, weil zu überprüfen ist, ob alle erforderlichen Bewilligungen vorliegen.

3.Dies gilt gleichermaßen, wenn das Grundstück - unter den ggf. zu prüfenden Voraussetzungen des § 40 GBO - ohne vorherige Grundbuchberichtigung an einen Dritten übertragen werden soll.

4.Wenn der Gesellschaftsvertrag nicht in der Form des § 29 GBO vor-liegt, genügt zur Überprüfung der Bewilligungsberechtigung auch die Vorlage eines Gesellschaftsvertrages in einfacher Schriftform; wenn der Gesellschaftsvertrag lediglich mündlich abgeschlossen worden ist, haben die verbliebenen Gesellschafter und alle Erben des Verstorbenen übereinstimmende Erklärungen über den Inhalt des mündlich geschlossenen Vertrages in der Form des § 29 GBO abzugeben.

5.Das Grundbuchamt kann je nach Lage des Einzelfalls auch verlangen, dass die Richtigkeit der Angaben der verbliebenen Gesellschafter und der Erben an Eides Statt zu versichern ist.

Die Urteile wurden von Rechtsanwalt Michael Henn zusammengestellt.

Michael Henn ist Schriftleiter der mittelstandsdepesche und Vizepräsident der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V.

Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

Michael Henn
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