Justizia
 
 
Thomas Loos
mensch hat recht
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EuGH: Fremdenrecht verletzt Rechte türkischer Staatsbürger

Der Europäische Gerichtshof stellt klar: Das österreichische Fremdenrecht widerspricht bezüglich türkischer Staatsangehöriger dem EU-Recht (EuGH Rs C-256/11, Dereci, vom 15.11.2011)

In den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts versprach die EU (damals noch unter der Bezeichnung EWG) der Türkei den EU-Beitritt für die Zukunft. Da ein sofortiger Beitritt nicht möglich bzw. gewünscht war wurde eine Assoziation zwischen der EU und der Türkei gegründet. Ein wesentlicher Bestandteil dieses Assoziationsabkommens war, dass die Türkei schrittweise an die Freizügigkeiten der EU herangeführt wird. Es wurde daher eine sogenannte Stillhalteklausel vereinbart, nach der die Mitgliedstaaten zwar gültige Beschränkungen zu Lasten von Türken aufrechterhalten, jedoch keine neuen Beschränkungen einführen dürfen. Wird einmal eine Erleichterung eingeführt, darf diese Erleichterung nicht mehr zurückgenommen werden. Mit dieser Maßnahme soll schrittweise die Freizügigkeit mit der Türkei hergestellt werden.

Viele EU-Mitgliedstaaten, darunter auch Österreich an vorderster Stelle, missachteten jahrelang aus politischem Opportunismus diese EU-rechtliche Vorgabe. Insbesondere seit der Fremdenrechtsgesetzgebung 1997 (FrG 1997), vor allem aber mit der Einführung des Fremdenrechtspakets 2005 (NAG und FPG 2005), wurden immer neue Beschränkungen zu Lasten türkischer Staatsangehöriger eingeführt. In der nunmehr zweiten zu diesem Thema ergangenen Entscheidung stellt der EuGH in seiner aktuellen Entscheidung Rs C-256/11, Dereci, nun klar, dass dies dem Assoziationsabkommen EWG-Türkei und damit geltendem EU-Recht widerspricht.

Was bedeutet dies? Österreich ist am 1.1.1995 der EU beigetreten, seit diesem Datum gilt auch das Assoziationsabkommen EWG-Türkei in Österreich. Seit dem 1.1.1995 ergangene Beschränkungen der Freizügigkeiten selbstständiger türkischer Staatsangehöriger oder Arbeitnehmer widersprechen EU-Recht und sind damit nicht anwendbar. Erleichterungen sind anwendbar.

Im Ergebnis führt dies zu einer weitgehenden Rückkehr zur Rechtslage vor 2006, also zum FrG 1997. Dies bedeutet beispielsweise niedrigere Einkommensgrenzen und auch freie Zuwanderung für Familienangehöriger von Österreichern.

Es wird wohl noch eine Zeit lang dauern, bis die Fremdenbehörden die nunmehr geltende günstigere Rechtslage für Türken beachten, die Rechtsprechung ist allerdings bereits anwendbar und kann vor den Gerichten durchgesetzt werden. Die Entscheidung des EuGH wurde für Österreich durch den VwGH bereits bestätigt (VwGH 2007/18/0430).

 
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