Justizia
 
 
Martin Josef Haas
MJH Rechtsanwälte, Fachanwalt für Bankrecht und Kapitalmarktrecht
Fuggerstr. 14
86830 Schwabmünchen


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12 Abs 4 MTV: Anteiliges Weihnachtsgeld auch im Fall der Eigenkündigung

(Augsburg – München) Das Landesarbeitsgericht München hat mit seiner Entscheidung vom 7.12.11, (A. z.: 11 Sa 717/11; erste Instanz: Arbeitsgericht Augsburg 10 Ca 3169/10) zu Gunsten eines Arbeitnehmers entschieden, der bei der Beklagten aufgrund einer Eigenkündigung zum 31.07.2010 ausgeschieden war.

Gerade weil keine eindeutige tarifliche Regelung vorlag bzw. ein mutmaßlicher Wille der Tarifparteien nicht eindeutig festgestellt werden konnte, wurde die Arbeitgeberin zur Zahlung anteiligen Weihnachtsgeldes verpflichtet.

Der Kläger, der vom 01.11.2006 bis 31.07.2010 bei der Beklagten als Rezeptionssekretär beschäftigt war machte mit seiner am 08.11.2010 beim Arbeitsgericht Augsburg eingegangenen Klage u.a. Ansprüche auf ein anteiliges Weihnachtsgeld für die Zeit von Januar bis Juli 2010 geltend.

Er war diesbezüglich der Auffassung, dass nach dem klaren Wortlaut des § 12 Abs. 4 MTV ein anteiliges Weihnachtsgeld in Höhe von 529,38 € brutto geschuldet sei. Anspruchsvoraus-
setzung sei nach dieser tarifvertraglichen Regelung lediglich eine Mindestbeschäftigungs-dauer von elf Monaten und keine Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses von mehr als einem Jahr. Eine Einschränkung im Hinblick auf die Art des Ausscheidens, insbesondere im Hinblick auf ein vorzeitiges Ausscheiden vor Ablauf der Befristung sei in der tariflichen Regelung nicht beinhaltet.

Die Arbeitgeberin und Beklagte hingegen war erstinstanzlich der Auffassung, dass ein Anspruch auf Weihnachtsgeld deswegen nicht bestehe, da die Regelung des § 12 Abs. 4 MTV nicht auf den Fall der Eigenkündigung des Arbeitnehmers mit vorzeitiger Beendigung anzuwenden sei. Sinn und Zweck der Regelung sei es gewesen, den zahlreichen Saisonarbeitern in der Gastronomie einen Anspruch auf Weihnachtsgeld zu ermöglichen, da in diesem Gewerbe die Saisonarbeit weit verbreitet sei und ohne eine entsprechende Regelung die befristet beschäftigten Mitarbeiter kaum in den Genuss eines Weihnachtsgeldes hätten kommen können, da sie die Stichtagsregelung nicht hätten erfüllen können. In der Regelung seien aber Saisonarbeitnehmer bzw. befristet Beschäftigte nicht besser zu stellen als unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer. Insofern sei die Regelung des § 12 Abs. 4 MTV dahingehend auszulegen, dass ein Weihnachtsgeld nur geschuldet sei, wenn das Arbeitsverhältnis durch Ablauf der Befristung ende.

Der Kläger unterlag mit seiner Forderung auf anteiliges Weihnachtsgeld in erster Instanz, wogegen er Berufung eingelegt hatte:

Er ist im Rahmen der Berufung der Auffassung, dass eine planwidrige Regelungslücke nicht vorliege und er aufgrund der eindeutigen Regelung des § 12 Abs. 4 MTV Anspruch auf das anteilige Weihnachtsgeld habe. Die Tatsache, dass die Regelung seit 1990 unverändert in den Tarifverträgen fortgeführt worden sei, spreche gegen eine planwidrige Regelungslücke. Insoweit hätten Veränderungen im Arbeitsleben auch nicht zu Veränderungen im Tarifvertrag geführt. Zwar würden befristet beschäftigte Mitarbeiter gegenüber unbefristet beschäftigten Arbeitnehmern im Falle eines vorzeitigen Ausscheidens bevorzugt, eine Gleichbehandlung sei aber deswegen nicht erforderlich, da hier beide Arbeitnehmergruppen ungleiche Voraussetzungen besäßen, weil insbesondere befristet Beschäftigte keinen gleichwertigen Bestandsschutz genießen würden wie unbefristete Mitarbeiter.

Aus der tarifvertraglichen Regelung würde sich im Übrigen ergeben, dass zwar der Betriebstreueaspekt betont sei, allerdings die Betriebstreue bei befristet beschäftigten Arbeitnehmern, die wegen der Befristung keine gleiche Betriebstreue zeigen könnten wie unbefristet Beschäftigte, i. S. der abgeleisteten Arbeitszeit belohnt werden solle.

Die Beklagte berief sich auch in zweiter Instanz darauf, dass eine planwidrige Regelungslücke vorliege. Der der Vorschrift des § 12 Abs. 4 MTV zugrunde liegende Regelungsplan könne nur durch Ergänzung dieser Norm verwirklicht und eine angemessene interessengerechte Lösung erzielt werden - wie vom Erstgericht geschehen.

Die Regelungslücke sei auch planwidrig, da die vorliegende Konstellation vonseiten der Tarifvertragsparteien nicht gesehen worden sei. Dem stehe auch die Tatsache, dass die Vorschrift seit 1990 unverändert in den Tarifverträgen enthalten sei, nicht entgegen. Befristet beschäftigte Mitarbeiter sollten jedenfalls gegenüber unbefristet Beschäftigten nicht bevorzugt werden. Dies zeige auch die Betriebstreueregelung in § 12 Abs. 6 MTV. Befristet beschäftigte Arbeitnehmer könnten auch die Betriebstreue insoweit gleichermaßen wie unbefristet Beschäftigte erbringen, als sie lediglich durch Ablauf der Befristung ausscheiden könnten.

Die Berufung war aus Sicht des Landesarbeitsgerichts München begründet.

Es wurde festgestellt:

Eine planwidrige Lücke kann in der Regelung des § 12 Abs. 4 MTV kann möglicherweise vorliegen, jedenfalls sind diesbezüglich Regelungsmöglichkeiten in unterschiedlicher Art und Weise denkbar, sodass die tatsächliche Regelung den Tarifvertragsparteien vorbehalten bleiben muss.

Wie das Erstgericht zutreffender Weise festgestellt hat und im Übrigen auch zwischen
den Parteien an sich unstreitig ist, beinhaltet § 12 Abs. 4 MTV eine eindeutige Regelung,
die somit einer Auslegung grundsätzlich nicht offen steht.

Nach dem Wortlaut der Vorschrift beinhaltet diese einen eindeutigen Anspruch befristet beschäftigter Mitarbeiter auf ein anteiliges Weihnachtsgeld, wenn sie die in der entsprechenden Regelung enthaltenen Voraussetzungen, nämlich eine elfmonatige Betriebszugehörigkeit und fehlende Unterbrechung von mehr als einem Jahr, erfüllen

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt in Fällen eines eindeutigen
Inhalts grundsätzlich aber eine ergänzende Vertragsauslegung dann in Betracht, wenn Tarifverträge erkennbare Regelungslücken aufweisen.

Die Kammer ist der Auffassung, dass die vonseiten des Erstgerichts im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung angenommene Ergänzung des § 12 Abs. 4 MTV dahingehend, dass in die Regelung gewissermaßen hineingelesen werden müsse, dass der anteilige Weihnachtsgeldanspruch nur dann entsteht, wenn das Arbeitsverhältnis durch Ablauf der Befristung endet, nicht die einzig denkbare Regelungsmöglichkeit durch die Tarifvertragsparteien darstellt.

Da somit nicht eine eindeutige Regelung, die den Interessen der tariflichen Gesamtregelung
entspricht, festgestellt werden kann, also mehrere Möglichkeiten zur Lückenschließung
in Betracht kommen, sodass ein mutmaßlicher Wille der Tarifvertragsparteien nicht
eindeutig festgestellt werden kann, kann eine Schließung der Regelungslücke durch das
Gericht nicht erfolgen, da dies in die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien eingreifen
würde (vgl. BAG a. a. O.).
Es muss daher den Tarifvertragsparteien vorbehalten bleiben, ggf. die vorliegende Regelungslücke zu schließen. Solange dies nicht der Fall ist, verbleibt es bei der Regelung des § 12 Abs. 4 MTV in der vorliegenden Form mit der Konsequenz, dass der Kläger Anspruch auf das anteilige Weihnachtsgeld hat. Insoweit war der Berufung stattzugeben und das erstinstanzliche Urteil entsprechend zu ändern.

Angesichts der grundlegenden Bedeutung auch im Hinblick auf die Auslegung der tarifvertraglichen Norm wurde die Revision gem. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG zugelassen.

MJH Rechtsanwälte, Martin J. Haas meint: Im Rahmen des gebotenen Arbeitnehmerschutzes ist die Entscheidung des LAG München zu begrüßen. Da häufig verschiedene Auslegungsmöglichkeiten bestehen, sollte der Arbeitnehmer nicht vorzeitig „klein beigeben“.
 
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