Beim Unterhalt Behinderter ist vorrangig der Staat in der Pflicht
Nur bei wirklich sehr hohen Einkommen müssen Eltern selbst für den Unterhalt volljähriger behinderter oder schwer kranker Kinder aufkommen. Ansonsten sieht das Gesetz die Gesellschaft und damit die Sozialhilfe in der Pflicht, heißt es in einem am Montag, 10. Oktober 2011, veröffentlichten Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen in Celle (Az.: L 8 SO 10/09). Die Entscheidung ist übertragbar auf die Unterstützung alter Menschen durch ihre Kinder.
Schwer kranke und behinderte Menschen, die nicht selbst für sich sorgen können, haben von der Sozialhilfe Anspruch auf „Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung“. Die jeweiligen Eltern oder auch die Kinder müssen laut Gesetz nur dann für sie aufkommen, wenn ihr Einkommen höher ist als 100.000 Euro pro Jahr. Allerdings ist umstritten, ob diese Grenze für jeden Elternteil einzeln oder für beide gemeinsam gilt.
Im Fall eines psychisch Kranken aus Niedersachsen entschied nun das LSG Celle, die Einkommensgrenze müsse für jeden Elternteil einzeln gelten. Bei der Neuordnung der Sozialhilfe habe der Gesetzgeber „bewusst weitgehend auf einen Unterhaltsrückgriff gegenüber Eltern und Kindern verzichtet“, um die Betroffenen aus der versteckten Armut zu holen. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers habe für den Lebensunterhalt schwer kranker und behinderter Menschen „vorrangig die staatliche Gemeinschaft einzustehen“.
Daraus folgert das LSG, der Gesetzgeber habe nur nahe Angehörige mit „sehr hohen Einkommen“ zu einem eigenen Beitrag heranziehen wollen. Würde die Grenze von 100.000 Euro aber auf beide Eltern gemeinsam bezogen, „würden auch Bezieher mittlerer Einkommen erfasst“.
Höchstrichterlich ist die Streitfrage noch nicht entschieden. Mit seinem am 28. Juli 2011 verkündeten und jetzt schriftlich veröffentlichten Urteil ließ das LSG daher die Revision zum Bundessozialgericht in Kassel zu.
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Mitgeteilt von Rechtsanwalt Thorsten Blaufelder, Kanzlei Blaufelder, Ludwigsburg
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