Richter muss bei offenkundig fehlgeleiteten Schriftsatz Hinweise erteilen!?
Der BGH hatte mit Entscheidung vom 20.04.2011, A. z.: VII ZB 78/09 festgestellt, dass ausnahmsweise auch ein anwaltlicher Fehler nicht kausal für eine Fristversäumnis ist.
Unterbleibt der notwendige Hinweis hat Wiedereinsetzung zu erfolgen.
Zwar besteht in Fällen, in denen fristgebundene Rechtsmittelschriftsätze irrtümlich bei dem im vorangegangenen Rechtszug mit der Sache bereits befassten Gericht eingereicht werden keine generelle Fürsorgepflicht des für die Rechtsmitteleinlegung unzuständigen Rechtsmittelgerichts, durch Hinweise oder andere geeignete Maßnahmen eine Fristversäumung des Rechtsmittelführers zu verhindern
Die Abgrenzung dessen aber, was im Rahmen einer fairen Verfahrensgestaltung an richterlicher Fürsorge von der Verfassung wegen geboten ist, kann sich nicht nur am Interesse der Rechtsuchenden an einer möglichst weitgehenden Verfahrenserleichterung orientieren, sondern muss auch berücksichtigen, dass die Justiz im Interesse ihrer Funktionsfähigkeit vor zusätzlicher Belastung geschützt werden muss.
Einer Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten muss die Verantwortung für die Ermittlung des richtigen Adressaten fristgebundener Verfahrenserklärungen nicht allgemein abgenommen und auf unzuständige Gerichte verlagert werden
Etwas anders soll aber dann gelten, wenn die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts "ohne weiteres" bzw. "leicht und einwandfrei" zu erkennen war und die nicht rechtzeitige Aufdeckung der nicht gegebenen Zuständigkeit auf einem offenkundig nachlässigen Fehlverhalten des angerufenen Gerichts beruht
Da nach Ansicht des BGH der Vorsitzende der Berufungskammer des Landgerichts S. mit einem Blick auf die Berufungsschrift und das als Anlage beigefügte Urteil des Amtsgerichts C. in der Lage zu erkennen, dass die Zuständigkeit seines Gerichts unter keinem denkbaren Gesichtspunkt gegeben war, galt in diesem Fall anderes:
Da die Zuständigkeitsprüfung nicht schwierig oder nur mittels der Verfahrensakte zu ermitteln, sondern eindeutig allein auf Grund der Zuordnung des Amtsgerichts C. zum Gerichtsbezirk des Landgerichts T. vorzunehmen war musste dem Vorsitzenden die offensichtliche örtliche Unzuständigkeit seines Gerichts sofort und ohne weitere Prüfung ins Auge fallen.
Demnach war ohne Anstrengung und ohne nennenswerte Belastung ernöglicht, den fehlgeleiteten Berufungsschriftsatz an das zuständige Landgericht T. weiterzuleiten oder den Prozessbevollmächtigten der Beklagten jedenfalls auf die fehlende örtliche Zuständigkeit des Landgerichts S. hinzuweisen.
Da die Berufungsfrist erst am 5. Dezember 2008 ablief, und zwischen dem Eingang der Berufungsschrift und der ersten Möglichkeit des Gerichts, die Unzuständigkeit zu bemerken und zu reagieren, ein vergleichsweise langer Zeitraum von 10 Tagen lag, hätten alle Maßnahmen zu einem rechtzeitigen Eingang beim zuständigen Landgericht T. geführt.
In diesem Fall urteilte der BGH geht die nachfolgende Fristversäumung nicht zu Lasten des Rechtssuchenden. Dies, weil das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten wirkt sich dann nicht mehr kausal auswirkt.
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