Anlageberatung: Optimistische Erwartung der wirtschaftlichen Entwicklung einer Kapitalanlage führt nicht zur Prospekthaftung oder zur Beraterhaftung
Bei Geldanlagen entsteht oft ein sehr umfangreiches Risiko des Anlegers im betriebswirtschaftlichen oder volkswirtschaftlichen Bereich, welches mit juristischen Maßstäben oft nur eingeschränkt aufgearbeitet werden kann. Dies gilt besonders bei Immobilienfonds, bei denen eine sichere Prognose der zukünftigen Marktbedingungen und die betriebswirtschaftliche Planung oft über Erfolg oder Misserfolg des Fonds entscheiden.
Eingegangen werden soll hier auf das BGH- Urteil vom 27.10.2009 (XI ZR 227/08), das sich mit Prognoserisiken des Fonds und auch mit der grundsätzlichen Pflicht des Beraters, bei der Beratung auf ein etwaiges Totalverlustrisiko hinzuweisen, beschäftigt. Dieses Urteil ist von der Rechtsprechung der ersten beiden Instanzen nun mittlerweile schon zahlreich umgesetzt worden ist.
Mit diesem Urteil hat der BGH das vorherige Urteil zu einer missglückten Medienfondsanlage und der dort begründeten Aufklärungspflicht zum Totalverlustrisiko für die Fälle des Immobilienfonds (siehe BGH Urt. v. 20.01.2009, XI ZR 510/07) modifiziert.
Ferner hat er ausgeführt, dass ein Berater grundsätzlich nicht für Prognoserisiken (hier des Gewerbemietmarkts in Berlin) hafte.
Der Beitrag soll sich auf die Voraussetzungen der Haftungsfreiheit des Beraters für Fehlprognosen konzentrieren.
Voraussetzung einer Haftungsfreiheit ist nach Ansicht des BGH, dass die eine positive Erwartung stützenden Tatsachen „sorgfältig ermittelt“ worden sind und die darauf gestützte Prognose der künftigen Entwicklung „aus damaliger Sicht vertretbar“ ist.
Zum einen muss also die Prognose aus damaliger Sicht (betriebswirtschaftlich oder volkswirtschaftlich) „vertretbar“ sein.
Zum anderen müssen die Tatsachen, die einer solchen Prognose zugrunde liegen, „sorgfältig ermittelt“ worden sein.
Letztlich handelt es sich bei den vom BGH angeführten Kriterien um betriebswirtschaftliche Maßstäbe, wobei aber sicher keine strengen Maßstäbe an die Qualität der Prognose zu stellen sind, weil diese nur „vertretbar“ sein muss.
Engere Voraussetzungen gibt es bei der Ermittlung der die Prognose stützenden Tatsachen. Diese müsse sogar „sorgfältig ermittelt“ worden sein.
In der Praxis läuft dieses Erfordernis oftmals darauf hinaus, dass ein Kläger beweisen muss, dass die tatsächlichen Grundlagen einer Prognose Fehler aufgewiesen haben oder aber die Prognose selbst aus damaliger Sicht nicht vertretbar war.
Dies wird im Prozess, sofern Anhaltspunkte für Fehler bei der Tatsachenermittlung oder erhebliche Fehler bei der Prognose vorlagen, zumeist ein Sachverständigengutachten erforderlich machen. Problem dabei ist, dass sich die tatsächlichen Grundlagen, die eine Prognose tragen, nicht in einer Beratung überprüfen lassen, weil der Berater die tatsächlichen Grundlagen für eine Prognose oft nicht nennen bzw. aufzählen wird. Gleiches dürfte für den Prospekt gelten. Auch Prospekte nennen die Grundlagen einer Prognose oft nicht.
Damit entsteht für einen Kläger naturgemäß das Problem, dass er gar nicht richtig überprüfen kann, ob der Berater oder Prospektherausgeber die tatsächlichen Grundlagen einer Prognose wirklich sorgfältig recherchiert hat. Hier wird ein Kläger also sehr oft erhebliche Beweisprobleme haben. Etwas einfacher ist es, wenn eine Prognose nicht vertretbar war. In beiden Fällen müsste ein Kläger vorsichtshalber Gutachtenbeweis anbieten.
Leider ist nach dem oben zitierten BGH Urteil aber unklar, wie intensiv eine fehlerhafte Prognose z. B. in einem Prospekt beworben wird. Hier macht es für den Anleger einen ganz erheblichen Unterschied ob z. B. nur in einfacher Weise eine Prognose abgegeben wird und ausgeführt wird, der Prospektverfasser halte diese Prognose für zutreffend, oder ob z. B. ganz plakativ mit „Garantie“, „Mietgarantie“, „sehr sichere Geldanlage in Immobilien“ oder gar mit „Geld zurück-Garantie“ geworben wird.
Leider hat sich der BGH mit der Intensität einer solchen falschen Prognose in dem oben zitierten Urteil nicht beschäftigt. Möglicherweise machte der Rechtsfall oder auch der Parteivortrag eine solche Beschäftigung mit der Intensität des Bewerbens eines angeblich sicheren Konzepts der Geldanlage nicht erforderlich.
Unklar ist danach, ob bei einer ganz besonderen Intensität des Bewerbens einer "Fehlprognose" nicht anlegerfreundlicher Maßstäbe gelten müssen.
Hinweis des Verfassers:
Wer infolge einer Fehlprognose des Prospektherausgebers oder des Beraters geschädigt worden ist, muss also prüfen, ob die wirtschaftliche Prognose aus damaliger Sicht vertretbar war. War sie es nicht, müsste der Kläger versuchen, Gutachtenbeweis anzubieten. Sind die Tatsachen, auf denen die Prognose ruhen müsste, nicht genannt, oder fehlerhaft ist, müsste ein Kläger dies im Verfahren vortragen und vorsichtshalber Gutachtenbeweis anbieten. Der beklagten Partei müsste es dann obliegen, eventuell noch Tatsachen bekannt zu geben, die im Prospekt oder in der Beratung nicht genannt worden sind und Grundlage der Prognose geworden sind. In jedem Fall sind dazu auf beiden Seiten halbwegs solide betriebwirtschaftliche oder volkswirtschaftliche Grundkenntnisse erforderlich, die in der Juristenausbildung oder auch in der entsprechenden Fachanwaltsausbildung nicht erlernt werden können. Nicht unüblich war es früher, als Geschädigter einen Rechtsanwalt und Steuerberater aufzusuchen, weil dieser praktische Erfahrungen auch in der betriebswirtschaftlichen Beratung von Unternehmen hat. Der prozentuale Anteil von Anwälten, die als Steuerberater zugleich Gerichtsverfahren betreiben, nimmt jedoch aufgrund politischer Weichenstellungen seit Mitte der 90-iger Jahre des vorigen Jahrhunderts sehr stark ab.
Der Verfasser des Artikels, Dr. Ulrich Walter Stoklossa (Homepage: www.rechtsanwalt-marktheidenfeld.de), ist auf dem Gebiet des Kapitalanlagerechts nahezu 15 Jahr tätig. Er ist von Beruf Bankkaufmann und hat nach seinem Studium zunächst im Kreditbereich einer Bank (Firmenkundenkredite) als Firmenkundenberater gearbeitet. Diese praktische Tätigkeit war ganz überwiegend kaufmännischer bzw. betriebswirtschaftlicher Art. Ab 1997, bei Abschluss der Promotion, war er dann als selbständiger Anwalt tätig. Seit dem Jahr 2010 besteht eine Fachanwaltschaft für Versicherungsrecht, seit 2003 für Arbeitsrecht und seit dem Jahr 2001 für Familienrecht. Die Kanzlei liegt in Marktheidenfeld, Unterfranken, im Einzugsbereich der Städte Wertheim und Lohr a. Main und dem Landkreis Würzburg.
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