Eintrittspflicht des Rechtsschutzversicherers bei Auflösungsverhandlungen des Arbeitgebers des rechtsschutzversicherten Arbeitnehmers
Über längere Zeit, nahezu ein Jahrzehnt, war die Frage, ob es für Auflösungsverhandlungen des Arbeitgebers mit dem Arbeitnehmer zu einer Eintrittspflicht des Rechtschutzversicherers kommen kann, oftmals vollkommen unterschiedlich und konträr von den Instanzengereichten behandelt worden.
Nicht selten werden diese Verhandlungen der Arbeitsvertragsparteien in der Praxis mit einem gewissen Druck des Arbeitgebers geführt. Oft geht der Arbeitnehmer auch davon aus, dass er mittlerweile wegen der Dauer seiner Betriebszugehörigkeit unkündbar sei und daher das Ansinnen des Arbeitgebers nicht rechtens sei. Rechtsschutzversicherer neigten dazu, das Vorliegen eines Rechtsschutzfalles sehr oft nicht anzuerkennen. Zudem führten sie nicht selten an, dass der rechtsschutzversicherte Arbeitnehmer wenigstens einen solchen Rechtspflichtenverstoß gegenüber dem Versicherer nicht beweisen könne, da ein solches Personalgespräch auch regelmäßig nicht protokolliert werde.
Dem ist der BGH im Jahre 2008 mit einem sehr grundsätzlich angelegten Urteil entgegengetreten (siehe BGH Urt. v. 19.01.2008, IV ZR 305/07).
In dem Urteil führte der BGH aus, dass es bei der Frage, ob ein Rechtspflichtenverstoß vorliege, nicht auf eine objektive Betrachtung ankommen könne. Wäre dies der Fall, könnte sich der rechtsschutzversicherte Arbeitnehmer immer nur bei klaren Rechtspflichtverstößen an den Versicherer mit dem Wunsch, für den Rechtsfall einzutreten, wenden. Wesen einer Rechtschutzversicherung ist aber, dass diese auch für halbwegs realistisch vermutete Rechtspflichtenverstöße eintreten muss, andernfalls wäre sie in vielen Fällen praktisch wertlos.
Der BGH hat daher in dem vorgenannten Urteil ausgeführt, dass sich ein Rechtspflichtenverstoß lediglich nach dem Eindruck des Versicherungsnehmers ergeben muss. Dieser muss also nicht nachgewiesenermaßen vorhanden sein.
Auch die Beweislast für die vorgebrachten Tatsachen trage der versicherte Arbeitnehmer nicht. Schließlich kann er den Verlauf und Inhalt eins Personalgesprächs regelmäßig nicht beweisen. Manchmal allerdings erhält der Arbeitnehmer einen Vertragsentwurf zur Abänderung oder Auflösung des Arbeitsverhältnisses.
Hinweis des Verfassers:
Auch nach dem Vorliegen des oben genannten BGH Urteils versuchen nicht wenige Rechtschutzversicherer immer noch, mit teilweise grotesken Argumenten, eine Eintrittspflicht in einem solchen Fall abzulehnen. Teilweise wird vorgetragen, das konkrete Paket der Auflösungsvereinbarungen entspreche nicht genau dem, zu dem der BGH das betreffende Urteil erlassen habe. Teilweise wird auch einfach die Kenntnis dieses für die Branche doch sehr einschneidenden Urteils geleugnet.
Vielfach sind in neueren Versicherungsverträgen zudem vermutlich als Reaktion auf dieses BGH Urteil von nicht wenigen Versicherern die Rechtsschutzbedingungen so umgestellt worden, dass der Versicherer nach dem Vertrag nicht für „Rechtspflichtenverstöße“ sondern nur für „Ansprüche“ eintreten muss. Dieser wesentliche Umstand ist dann oft nicht vom Vertreter bei Vertragsschluss bekannt gemacht worden. Zudem geht der Versicherungsnehmer davon aus, dass er einen lückenlosen Rechtsschutz hat und nicht nur Ansprüche verfolgen kann, sondern eine Rechtslage, bei der er nicht legale Beeinträchtigungen vermutet, mit Deckungszusage des Rechtschutzversicherers klären lassen darf.
Man darf also hier davon ausgehen, dass die Branche mehr und mehr versuchen wird, das für sie unerfreuliche BGH Urteil zu umgehen. Diese Umgehungen der Rechtsprechung und die Maßnahmen zur Verweigerung des Eintritts des Versicherers werden in der Praxis als sog. „Schadenmanagement“ bezeichnet. Nicht selten hört man aus der Branche, dass zur Absprache zwischen einzelnen Unternehmen sog. Schadenleiterkonferenzen stattfinden, bei denen eine ganze Reihe von Schadenleitern verschiedener Unternehmen teilnehmen. Ob dies legal ist, kann vom Einzelfall abhängen. Zumeist wird man fordern müssen, dass dem Versicherungsnehmer bei Verhandlungen zu einem Vertrag, bei dem der typischerweise zu erwartende Rechtsschutz (basierend auf dem Grundsatz des Rechtspflichtenverstoßes als jahrzehntelang maßgebliches Kriterium eines Rechtsschutzes) qualitativ unterschritten wird, dies dem VN hinreichend deutlich bekannt gemacht worden ist.
Der Verfasser, Dr. Ulrich Walter Stoklossa, ist nachhaltig auf dem Gebiet des Versicherungsrechts als Anwalt tätig. Seit dem Jahr 2010 besteht eine Fachanwaltschaft für Versicherungsrecht. Die Kanzlei liegt in Marktheidenfeld, Unterfranken, im Einzugsbereich der Städte Wertheim und Lohr a. Main.
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