Zeugenaussagen sind nie gerichtsbekannt!
Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 4.22.2010 klargestellt:
Es verstößt gegen den zivilprozessualen Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme, wenn ein Gericht Aussagen, die Zeugen vor ihm in einem anderen Verfahren gemacht haben, als gerichtsbekannt verwertet.
Das Berufungsgericht hatte eine entscheidungserhebliche Feststellung (namentlich die Annahme, es könne nicht festgestellt werden, dass abhandengekommenen Pakete im Falle einer Wertdeklaration sorgfältiger behandelt worden wären) hauptsächlich auf die Bekundungen von Zeugen gestützt, die diese in einem anderen Verfahren, an dem die (gleiche) Beklagte beteiligt war, gemacht hatten.
Der Inhalt der Aussagen dieser Mitarbeiter wurden als gerichtsbekannt angesehen und seitens des Gerichts ebenso gewürdigt, wie die anderen, im vorliegenden Rechtsstreit tatsächlich erhobenen Beweise.
Der BGH stellte fest: Mit dieser Verfahrensweise hat das Berufungsgericht gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 355 ZPO) verstoßen. Der Umstand, dass den Richtern des Berufungsgerichts bekannt war, was die Zeugen in einem anderen Verfahren ausgesagt hatten, ändert nichts an dem Grundsatz, dass die Beweisaufnahme nach § 355 Abs. 1 Satz 1 ZPO vor dem Prozessgericht zu erfolgen hat.
Die Ergebnisse der Beweisaufnahme in einem anderen Verfahren können zwar im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden, aber nur, wenn dies von der beweispflichtigen Partei beantragt wird (BGH, Urteil vom 30. November 1999 - VI ZR 207/98, NJW 2000, 1420, 1421). Einen solchen Antrag haben jedoch weder die Klägerin noch die Beklagte gestellt
Unpraktisch, aber einzuhalten.
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