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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart
I.
Kündigung wegen Arbeitsverweigerung aus Glaubensgründen
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Februar 2011, Az. 2 AZR 636/09
Volltext der BAG-PE:
Weigert sich ein Arbeitnehmer aus religiösen Gründen, eine Arbeitsaufgabe zu erfüllen, zu der er sich vertraglich verpflichtet hat, kann dies eine Kündigung durch den Arbeitgeber rechtfertigen. Voraussetzung ist, dass keine naheliegenden anderen Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen. Ein als "Ladenhilfe" in einem Einzelhandelsmarkt beschäftigter Arbeitnehmer muss mit der Zuweisung von Arbeitsaufgaben rechnen, die den Umgang mit Alkoholika erfordern. Macht er geltend, aus religiösen Gründen an der Ausübung vertraglich geschuldeter Tätigkeiten gehindert zu sein, muss er dem Arbeitgeber mitteilen, worin genau die religiösen Gründe bestehen, und aufzeigen, an welchen Tätigkeiten er sich gehindert sieht. Besteht für den Arbeitgeber im Rahmen der von ihm zu bestimmenden betrieblichen Organisation die Möglichkeit einer vertragsgemäßen Beschäftigung, die den religionsbedingten Einschränkungen Rechnung trägt, muss er dem Arbeitnehmer diese Tätigkeit zuweisen.
In Anwendung dieser Grundsätze hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben, die die - ordentliche - Kündigung eines Arbeitsverhältnisses für wirksam erachtet hat. Der Kläger ist gläubiger Moslem. Er war seit 1994 als Mitarbeiter eines großen Warenhauses tätig. Seit dem Jahr 2003 wurde er als "Ladenhilfe" beschäftigt. Im Februar 2008 weigerte er sich, im Getränkebereich zu arbeiten. Er berief sich auf seinen Glauben, der ihm jegliche Mitwirkung bei der Verbreitung von Alkoholika verbiete. Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis.
Die Revision des Klägers führte zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Ob die Weigerung des Klägers, in der Getränkeabteilung zu arbeiten, der Beklagten einen Grund zur Kündigung gab, steht noch nicht fest und bedarf der weiteren Sachaufklärung. Den Darlegungen des Klägers lässt sich nicht hinreichend deutlich entnehmen, welche Tätigkeiten ihm seine religiöse Überzeugung verbietet. Dementsprechend kann auch nicht abschließend beurteilt werden, ob es der Beklagten möglich war, dem Kläger eine andere Arbeit zu übertragen.
Siehe:
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2011&nr=14999&pos=0&anz=16
II.
Anspruch auf Erteilung oder Berichtigung eines Arbeitszeugnisses
Hess. Landesarbeitsgericht, Urteil vom 07. Februar 2011, Az. 16 Sa 1195/10
1.Der Anspruch auf Erteilung oder Berichtigung eines Arbeitszeugnisses ist eine Holschuld. Hieraus folgt, dass der Arbeitnehmer das Zeugnis beim Arbeitgeber abzuholen hat. Der Schuldner darf bei Holschulden aber auch bringen oder schicken. In diesem Fall tritt der Leistungserfolg am Ort seiner gewerblichen Niederlassung ein.
2.Ist der Anspruch des Arbeitnehmers auf Erteilung eines Zeugnisses durch Erfüllung erloschen, geht das Zeugnis verloren oder wird es beschädigt, ist der Arbeitgeber im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren verpflichtet, dem Arbeitnehmer eine neue Ausfertigung zu überlassen. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob der Verlust oder die Beschädigung von dem Arbeitnehmer zu vertreten ist. Entscheidend ist vielmehr allein die Frage, ob dem bisherigen Arbeitgeber die Ersatzausstellung zugemutet werden kann.
Siehe:
http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/jportal/portal/t/qyt/page/bslaredaprod.psml?doc.hl=1&doc.id=JURE110003542%3Ajuris-r00&documentnumber=3&numberofresults=3054&showdoccase=1&doc.part=L¶mfromHL=true#focuspoint
III.
Regelungen zur Altersgrenze im Manteltarifvertrag der Hamburger Hochbahn AG wirksam
Landesarbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 22. Februar 2011, Az. 4 Sa 76/10
Volltext LAG-PE:
Das Landesarbeitsgericht Hamburg hat heute auf die Berufung der Hamburger Hochbahn AG das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 26. Juli 2010 abgeändert und die Klage eines Mitarbeiters, der sich gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses wegen Erreichens der tariflichen Altersgrenze gewendet hatte, abgewiesen.
Der Mitarbeiter Herr A.-R. erreichte im Mai 2010 das 65. Lebensjahr und begehrte die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über das 65. Lebensjahr hinaus. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und die Tarifnorm des § 20 Abs. 5 MTV Hochbahn wegen Verstoß gegen § 10 AGG für unwirksam angesehen.
Dem ist das Landesarbeitsgericht nicht gefolgt. Es hat angenommen, dass die Vorschrift des § 20 Abs. 5 MTV Hochbahn rechtswirksam ist und das Arbeitsverhältnis zum Ablauf des 31. Mai 2010 beendet wurde. Ein Sachgrund für die Befristung des Arbeitsverhältnisses bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze liege gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. TzBfG vor, denn das Erreichen der Regelaltersgrenze sei nach der Rechtsprechung des BAG ein in der Person des Arbeitnehmers liegender Grund, der die Befristung rechtfertige. Die dadurch vorliegende Ungleichbehandlung wegen des Alters sei gemäß § 10 S. 3 Nr. 5 AGG gerechtfertigt. Die vorgenannte Vorschrift sei anzuwenden, da sie nicht gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht verstoße. § 10 S. 3 Nr. 5 AGG sei eine taugliche, europarechtskonforme Gesetzesgrundlage für tarifvertragliche Altersgrenzen. § 20 Abs. 5 MTV Hochbahn verfolge ausweislich der Protokollnotiz primär arbeitsmarktpolitische Ziele; neben der Förderung der Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen solle damit auch ein positiver Beitrag zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit geleistet werden. Diese Ziele gingen unter Anwendung der Rechtsprechung des EuGH nicht über das hinaus, was zur Erreichung der verfolgten Ziele erforderlich sei, wenn der weite Ermessensspielraum berücksichtigt werde, der den Mitgliedsstaaten und den Sozialpartnern auf dem Gebiet der Sozial- und Beschäftigungspolitik zur Verfügung zustehe.
Die Revision wurde nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen zur Zulassung der Revision nicht gegeben seien. Die Berufungskammer folge der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung.
Siehe:
http://justiz.hamburg.de/landesarbeitsgericht/aktuelles/2797450/pressemeldung-2011-1.html
IV.
Entschädigung; Benachteiligung wegen Behinderung; Beweislast für Vorliegen einer Benachteiligung
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 01.02.2011, Az. 22 Sa 67/10
Die Beweiserleichterung des § 22 AGG erstreckt sich zumindest dann auch auf die Benachteiligung selbst, wenn die Benachteiligung im Vergleich zu einer hypothetischen Vergleichsperson in Frage steht. Dass daneben aktuelle Vergleichspersonen genauso behandelt wurden wie der behinderte Bewerber, steht dem nicht generell entgegen.
Siehe:
http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2011&nr=14028&pos=2&anz=6
V.
Vergütungsrückzahlungsanspruch
Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 24. 02.2011, Az. 4 Sa 1056/10
Zweitinstanzlich erfolgreicher Anspruch auf Rückzahlung der Arbeitsvergütung, die von der Betriebsübernehmerin nach deren Arbeitgeberkündigung während des Zeitraums der Freistellung der gekündigten Arbeitnehmerin gezahlt wurde, nach späterem - wirksamen - Widerspruch der Arbeitnehmerin gegen den Betriebsübergang aufgrund dessen Rückwirkung und damit bruchloser Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit der "alten" Arbeitgeberin und dadurch gegebener Rechtsgrundlosigkeit der erfolgten Vergütungszahlung (Leistungskondiktion gem. § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB wegen späteren Wegfalls des ursprünglich vorhandenen Rechtsgrundes).
Im vorliegenden Fall fehlende Entreicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) der rückzahlungsverpflichteten Arbeitnehmerin auch im Hinblick darauf, dass sie nach Widerspruch gegen den Betriebsübergang ohne Weiteres einen Anspruch auf Vergütungszahlung für denselben Zeitraum gegen ihre bisherige Arbeitgeberin hatte (wenngleich dieser im konkreten Fall aufgrund einer einzelvertraglichen Ausschlussfristenregelung tatsächlich verfallen war, was jedoch in den Risikobereich der Arbeitnehmerin fällt).
Siehe:
http://www.arbg.bayern.de/imperia/md/content/stmas/lag/muenchen/4sa1056_10.pdf
VI.
Tarifliche Sonderzahlung/ Arbeitsentgelt/ Gratifikation/ Zwölftelung/ Wegfall der Leistung bei fristloser Entlassung/ Verfall/ Geltendmachung/ irrige Geltendmachung gegenüber Betriebsveräußerer / Auslegung/ falsa demonstratio
Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 27.01.2011, Az. 8 Sa 2010/10
1.Entfällt nach der tariflichen Regelung der Anspruch auf anteilige Sonderzahlung im Austrittsjahr im Fall der fristlosen Entlassung, so folgt aus dem hiermit verbundenen Anreiz, den Arbeitnehmer zur Vermeidung vertragswidriger Verhaltensweisen zu veranlassen, dass es sich bei der tariflichen Leistung nicht um Arbeitsentgelt im Sinne der laufend verdienten Vergütung, sondern um eine Leistung mit Mischcharakter handelt. Dies hat zur Folge, dass der Arbeitnehmer die Leistung auch im Krankheitsfall zu beanspruchen hat.
2.Ein irrtümlich an den Betriebsveräußerer gerichtetes Geltendmachungsschreiben wahrt die tarifliche Ausschlussfrist, wenn es noch vor Fristablauf an den Betriebserwerber weitergeleitet wird und dieser aus den Umständen erkennen kann, dass er (und nicht der frühere Betriebsinhaber) als Schuldner gemeint ist (§ 133 BGB).
Siehe:
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/arbgs/hamm/lag_hamm/j2011/8_Sa_2010_10urteil20110127.html
VII.
Haushaltsbefristungen bei der Bundesagentur für Arbeit
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 9.03.2011, Az. 7 AZR 728/09
Die Bundesagentur für Arbeit kann die Befristung von Arbeitsverhältnissen nicht damit rechtfertigen, ein von ihr aufgestellter Haushaltsplan sehe Haushaltsmittel für befristete Arbeitsverträge vor. Sie kann sich nicht auf § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) berufen. Das gebietet die verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift.
Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG liegt ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsverhältnisses vor, wenn der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird. Damit eröffnet der Gesetzgeber für den öffentlichen Dienst eine Möglichkeit zur Befristung von Arbeitsverhältnissen, die der Privatwirtschaft nicht zur Verfügung steht. Die damit verbundene Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer in ihrem von Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Bestandsschutz ist nicht mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, wenn das den Haushaltsplan aufstellende Organ und der Arbeitgeber identisch sind. Das ist bei der Bundesagentur für Arbeit der Fall. Ihr Vorstand stellt den Haushaltsplan auf und vertritt zugleich die Bundesagentur als Arbeitgeber. Bei Anwendbarkeit des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG könnte er daher durch die Ausgestaltung des Haushaltsplans den Sachgrund für die Befristung der von ihm geschlossenen Arbeitsverträge selbst schaffen. Für eine solche Privilegierung der Bundesagentur für Arbeit in ihrer Doppelrolle als Haushaltsplangeber und Arbeitgeber gibt es keine hinreichende sachliche Rechtfertigung.
Der Kläger hat sich gegen die Befristung seines Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2008 gewehrt. Die Bundesagentur für Arbeit hat sich zur Begründung der Befristung auf § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG gestützt und sich darauf berufen, dass ihr Haushaltsplan für 2008 Haushaltsmittel für 5800 befristete Stellen vorsah und der Kläger aus diesen Mitteln vergütet wurde.
Der Kläger hatte - wie bereits beim Landesarbeitsgericht - mit seiner Klage vor dem Siebten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die Befristung des Arbeitsverhältnisses war unwirksam.
Der Siebte Senat hat mit denselben Erwägungen der Klage einer Arbeitnehmerin gegen die Befristung ihres Arbeitsverhältnisses bei der Bundesagentur für Arbeit stattgegeben, die auf den Haushaltsplan für 2007 gestützt wurde (- 7 AZR 47/10 -).
Siehe:
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2011&nr=15021&pos=0&anz=17
VIII.
Regelmäßige Überprüfung der Zeiteinstellung des Faxgeräts
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.01.2011, Az. III ZB 55/10
Soll bei der Ermittlung der genauen Uhrzeit zum Zwecke der Wahrung der Frist allein die Anzeige des in der Anwaltskanzlei verwendeten Faxgerätes ausreichend sein, muss diese Anzeige zuverlässig die maßgebliche Zeit wiedergeben. Ist dieses Faxgerät technisch nicht dafür ausgelegt, selbständig einen stetigen Abgleich mit der gesetzlichen Zeit vorzunehmen, hat der Anwalt dafür Sorge zu tragen, dass regelmäßig eine Überprüfung der Zeiteinstellung am Faxgerät stattfindet.
Siehe:
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=55244&pos=9&anz=665
IX.
AktG
Oberlandesgericht Frankfurt/Main, Urteil vom 15.02.2011 - 5 U 30/10
Zahlungen des Vorstandes an ein Aufsichtsratsmitglied für Dienstverpflichtungen außerhalb seiner Tätigkeit als Aufsichtsrat sind nur dann erlaubt, wenn der Gesamtaufsichtsrat vorher zustimmt. Die nachträgliche Genehmigung des Gesamtaufsichtsrates ändert an der Pflichtwidrigkeit der Zahlungen nichts.
Siehe:
http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/jportal/portal/t/11ky/page/bslaredaprod.psml?doc.hl=1&doc.id=KORE204912011%3Ajuris-r03&documentnumber=1&numberofresults=1706&showdoccase=1&doc.part=L¶mfromHL=true#focuspoint
Volltext OLG-PE:
Oberlandesgericht Frankfurt am Main bestätigt Nichtigkeit von Entlastungsbeschlüssen von Vorstand und Aufsichtsrat der Fresenius SE durch die Hauptversammlung 2009
Mit Urteil vom 15.2.2011 hat das Oberlandesgericht die Berufung der Fresenius SE gegen ein Urteil des Landgerichts zurückgewiesen, mit dem die Entlastung ihres Vorstands und Aufsichtsrates durch die Hauptversammlung 2009 für nichtig erklärt worden war.
Vorausgegangen waren die Klagen zweier Aktionäre der Fresenius SE, die sich u.a. gegen die Entlastung des Vorstands und Aufsichtsrates richteten. Gestützt wurden diese Klagen insoweit auf den Vortrag, dass der Vorstand Mandatsverträge an eine überörtliche Rechtsanwaltskanzlei vergeben hatte, von der ein Anwaltspartner gleichzeitig Mitglied des Aufsichtsrates von Fresenius war. Die Einzelmandate wurden dabei erst nach Bezahlung der Honorare, die eine erhebliche Höhe erreichten, dem Gesamtaufsichtsrat zur Genehmigung vorgelegt und nachträglich genehmigt.
In seiner Entscheidung führt der für die Berufung zuständige 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main im Einklang mit der Vorinstanz aus, dass diese Praxis nicht mit dem Aktiengesetz vereinbar sei. Um eine unsachgemäße Beeinflussung einzelner Aufsichtsratsmitglieder durch den Vorstand zu verhindern, also eine Abhängigkeit des überwachenden Organs vom überwachten Organ zu unterbinden, bestimme § 114 Abs. 1 Aktiengesetz, dass Zahlungen des Vorstandes an ein Aufsichtsratsmitglied für Dienstverpflichtungen außerhalb seiner Tätigkeit im Aufsichtsrat nur dann erlaubt sind, wenn der Gesamtaufsichtsrat vorher zustimmt. Dies sei hier nicht erfolgt. Dass der Aufsichtsrat alle Zahlungen des Jahres 2008 nachträglich genehmigt habe, lasse die Pflichtwidrigkeit der Zahlungen nachträglich nicht entfallen. Selbst wenn die Genehmigung selbst auf den Zeitpunkt der Vornahme der Zahlungen zurückwirke, lasse dies eine in der Vergangenheit bereits entstandene Abhängigkeit eines Aufsichtsratsmitglieds, die bereits zu Beeinflussungen geführt haben könne, nachträglich nicht wieder entfallen.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, da sie mit der Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH angegriffen werden kann.
X.
Nichtigkeit von Entlastungsbeschlüssen von Vorstand und Aufsichtsrat der Fresenius SE durch die Hauptversammlung 2009
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 15.2.2011, Aktenzeichen 5 U 30/10
Siehe:
http://www.olg-frankfurt.justiz.hessen.de/irj/OLG_Frankfurt_am_Main_Internet?rid=HMdJ_15/OLG_Frankfurt_am_Main_Internet/sub/6dc/6dc70f0b-3139-2e21-f012-f31e2389e481,,,11111111-2222-3333-4444-100000005003%26overview=true.htm
XI.
BRAO
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.02.2011, Az. IX ZR 105/10
Erhebt ein Rechtsanwalt hinsichtlich eines verjährten Anspruchs pflichtwidrig eine aussichtslose Klage, so liegt in der Einlegung eines Rechtsmittels gegen ein die Klage abweisendes Urteil keine einen neuen Schadensersatzanspruch auslösende Pflichtwidrigkeit, sondern lediglich ein auf der ursprünglichen rechtlichen Fehleinschätzung beruhendes weiteres Versäumnis, das - in unverjährter Zeit - die Anknüpfung für eine Sekundärhaftung bilden kann (Fortführung von BGH WM 2009, 283).
Die Mitteilung eines Rechtsanwalts über die Einschaltung seiner Haftpflichtversicherung ist grundsätzlich nicht als Erörterung über den geltend gemachten Schadensersatzanspruch zu werten, wenn der Rechtsanwalt zugleich äußert, zur Haftung dem Grunde und der Höhe nach keine Erklärung abzugeben.
Siehe:
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=55346&pos=6&anz=618
XII.
Durchsetzung von Gebührenforderungen berührt keine allgemeine Interessen
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.02.2011, Az. IX ZB 145/09
Eine als Gesellschaft bürgerlichen Rechts geführte Rechtsanwaltssozietät ist eine parteifähige Vereinigung im Sinne des Prozesskostenhilferechts. Die Durchsetzung von Gebührenforderungen rechtsberatender Berufe berührt keine allgemeinen Interessen.
Siehe:
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=55344&pos=4&anz=618
XIII.
Ruhestand mit Vollendung des 65. Lebensjahres verstößt nicht gegen Verbot der Altersdiskriminierung
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.02.2011, Az. 2 A 11201/10.OVG
Der automatische Eintritt der Beamten in den Ruhestand mit Vollendung des 65. Lebensjahres verstößt nicht gegen das Verbot der Altersdiskriminierung. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz.
Der Kläger war Professor an einer rheinland-pfälzischen Fachhochschule. Nachdem sein Eintritt in den Ruhestand über das 65. Lebensjahr um ein Jahr hinausgeschoben wurde, lehnte das beklagte Land eine weitere Verlängerung der aktiven Dienstzeit des Klägers ab. Die hiergegen erhobene Klage, mit welcher der Kläger geltend macht, eine generelle Altersgrenze sei unzulässig, wies bereits das Verwaltungsgericht ab. Das Oberverwaltungsgericht bestätigte diese Entscheidung.
Der allein an die Vollendung eines bestimmten Lebensalters geknüpfte Beginn des Ruhestandes eines Beamten verstoße weder gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz noch gegen europarechtliche Vorgaben. Zwar führe die Altersgrenze zu einer Ungleichbehandlung wegen des Alters, weil der Betroffene aufgrund des Erreichens der Altersgrenze vom aktiven Dienst ausgeschlossen werde. Jedoch stelle diese Ungleichbehandlung keine Diskriminierung wegen des Alters dar, weil sie durch legitime Ziele gerechtfertigt sei. Denn die Altersgrenze diene einer ausgewogenen Altersstruktur in der öffentlichen Verwaltung und der Entlastung des Arbeitsmarktes durch die Schaffung zusätzlicher bzw. früherer Einstellungsmöglichkeiten für junge Beamte. Dem stehe nicht entgegen, dass nach dem Gesetz in Ausnahmefällen ein dienstliches Interesse an der vorübergehenden Weiterbeschäftigung eines Beamten über die Altersgrenze von 65 Jahren hinaus bestehen könne.
Siehe:
http://www.justiz.rlp.de/icc/justiz/nav/a0b/broker.jsp?uMen=a0bc3768-b0b2-11d4-a737-0050045687ab&uCon=cf640a24-3f68-be21-18b6-7be77fe9e30b&uTem=aaaaaaaa-aaaa-aaaa-aaaa-000000000042
VII.
Bemessungsdurchgriff bei der Aufstellung eines Sozialplans im Konzern
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 15. 03.2011, Az. 1 ABR 97/09
Volltext der BAG-PE:
Können sich Betriebsparteien nicht auf die Vereinbarung eines Sozialplans verständigen, entscheidet die Einigungsstelle. Bei ihrem Spruch hat sie gemäß § 112 Abs. 5 BetrVG die sozialen Belange der Arbeitnehmer zu berücksichtigen und auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit der Sozialplandotierung zu achten. Hierfür ist auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers (Unternehmens) abzustellen. Dies gilt grundsätzlich auch für Sozialpläne konzernangehöriger Unternehmen. Ist allerdings ein solches Unternehmen durch eine Spaltung iSd. Umwandlungsgesetzes entstanden und sind dabei die zur Führung seines Betriebs wesentlichen Vermögensteile bei dem übertragenden Unternehmen als Anlagegesellschaft verblieben und dem später sozialplanpflichtigen Unternehmen als Betriebsgesellschaft lediglich zur Nutzung überlassen worden, ist nach § 134 UmwG bei der Bestimmung des Sozialplanvolumens im Wege eines Bemessungsdurchgriffs auch die finanzielle Leistungsfähigkeit der Anlagegesellschaft zu berücksichtigen.
Die K-AG hat sechs Rehakliniken betrieben. Diese gliederte sie Anfang des Jahres 2006 auf sechs Betriebsgesellschaften aus. In fünf Fällen behielt die K-AG das Eigentum an den Klinikgrundstücken. Im sechsten, streitgegenständlichen Fall der O-Klinik GmbH (Arbeitgeberin) war die K-AG nur Pächterin der Klinikimmobilie gewesen. Ende 2006 beschloss die Arbeitgeberin ihren hoch defizitären Klinikbetrieb einzustellen. Daraufhin wurde durch Spruch der Einigungsstelle ein Sozialplan mit einem Gesamtvolumen von 1,3 Mio. Euro aufgestellt. Zu dieser Zeit wies die Bilanz der Arbeitgeberin einen durch Eigenkapital nicht gedeckten Fehlbetrag von rund 3 Mio. Euro aus.
Der auf die Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs gerichtete Antrag der Arbeitgeberin hatte vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Der Spruch der Einigungsstelle überschreitet die Grenzen der wirtschaftlichen Vertretbarkeit und verstößt deshalb gegen § 112 Abs. 5 BetrVG. Ein Bemessungsdurchgriff nach § 134 UmwG auf die vermögende K-AG war der Einigungsstelle verwehrt. Im Zuge der Ausgliederung waren der Arbeitgeberin keine für die Fortführung ihres Klinikbetriebs wesentlichen Vermögensteile entzogen worden.
Siehe:
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2011&nr=15023&pos=0&anz=18
VIII.
Übt ein Arbeitnehmer seine Tätigkeit in mehreren Mitgliedstaaten aus, findet auf einen Rechtsstreit über den Arbeitsvertrag das Recht des Staates Anwendung, in dem der Arbeitnehmer seine beruflichen Verpflichtungen im Wesentlichen erfüllt
Gerichtshof der europäischen Union (EuGH), Urteil vom 15. 03.2011 , Az. Rs. C 29/10
Volltext der EuGH-PE:
Es geht nämlich darum, dem Arbeitnehmer als schwächerer Vertragspartei einen angemessenen Schutz zu gewähren
Nach dem Übereinkommen von Rom über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht1 in Zivil- und Handelssachen unterliegen Arbeitsverträge grundsätzlich dem von den Parteien gewählten Recht. Diese Rechtswahl darf jedoch nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts gewährt wird, das anzuwenden wäre, wenn die Parteien keine Rechtswahl getroffen hätten (Art. 6). Haben die Parteien keine Rechtswahl getroffen, unterliegt der Arbeitsvertrag daher dem Recht des Staates, in dem der Arbeitnehmer „gewöhnlich seine Arbeit verrichtet“ oder, wenn er seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat verrichtet, dem Recht des Staates, in dem sich die Niederlassung des Arbeitgebers befindet. Ausnahmsweise unterliegt der Vertrag dem Recht des Staates, mit dem der Vertrag die engsten Verbindungen aufweist.
Herr Heiko Koelzsch, der seinen Wohnsitz in Deutschland hat, wurde 1998 von der Gesellschaft luxemburgischen Rechts Gasa Spedition Luxembourg SA, die von der Gesellschaft Ove Ostergaard Luxembourg SA übernommen wurde und auf die Beförderung von Blumen und anderen Pflanzen von Dänemark zu Bestimmungsorten vor allem in Deutschland, aber auch in anderen europäischen Ländern spezialisiert ist, als Fahrer im grenzüberschreitenden Verkehr eingestellt. Die Abstellplätze der Lastwagen von Gasa befinden sich in Deutschland, wo die Gesellschaft weder über einen Gesellschaftssitz noch über Geschäftsräume verfügt. Die Lastwagen sind in Luxemburg zugelassen und die Fahrer sind der luxemburgischen Sozialversicherung angeschlossen. Der 1998 unterzeichnete Arbeitsvertrag von Herrn Koelzsch sah für den Fall eines Rechtsstreits die Anwendung des luxemburgischen Rechts vor.
Nach der Ankündigung der Restrukturierung von Gasa und der Reduzierung des Einsatzes von Transportfahrzeugen von Deutschland aus gründeten die Beschäftigten im Jahr 2001 in Deutschland einen Betriebsrat, dem Herr Koelzsch als Ersatzmitglied angehörte. Mit Schreiben vom 13. März 2001 kündigte der Direktor von Gasa den Arbeitsvertrag von Herrn Koelzsch zum 15. Mai 2001.
Nachdem Herr Koelzsch Klage vor den deutschen Gerichten erhoben hatte, die sich für örtlich unzuständig erklärten, klagte er im Jahr 2002 vor dem Arbeitsgericht Luxemburg gegen die Ove Ostergaard Luxembourg SA, die Rechtsnachfolgerin von Gasa, mit dem Antrag, diese zur Zahlung von Schadensersatz wegen unrechtmäßiger Kündigung sowie einer Kündigungsabfindung und von rückständigem Lohn zu verurteilen. Er trug vor, dass das luxemburgische Recht zwar auf den Arbeitsvertrag anwendbar sei, ihm jedoch nach dem Übereinkommen von Rom nicht der Schutz entzogen werden dürfe, der ihm ohne die Rechtswahl durch die Anwendung der zwingenden Bestimmungen des deutschen Gesetzes gewährt würde, das die Kündigung von Mitgliedern des Betriebsrats verbiete. Er machte daher geltend, dass seine Kündigung nach deutschem Recht und nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, das das Kündigungsverbot auf Ersatzmitglieder ausgedehnt habe, rechtswidrig sei.
Das Arbeitsgericht Luxemburg entschied, dass der Rechtsstreit ausschließlich luxemburgischem Recht unterliege, was durch den Berufungsgerichtshof und den Kassationsgerichtshof bestätigt wurde.
Im März 2007 erhob Herr Koelzsch daher beim Bezirksgericht Luxemburg eine Schadensersatzklage gegen den Staat Luxemburg wegen fehlerhafter Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens von Rom durch die nationalen Gerichte.
Der Berufungsgerichtshof Luxemburg, der mit der von Herrn Koelzsch eingelegten Berufung befasst war, beschloss, dem Gerichtshof die Frage vorzulegen, ob, wenn ein Arbeitnehmer seine Arbeit in mehreren Staaten verrichtet, aber regelmäßig in einen von ihnen zurückkehrt, das Recht dieses Staates als das „Recht des Staates, in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet,“ im Sinne des Übereinkommens von Rom anzuwenden ist.
In seinem Urteil vom heutigen Tag weist der Gerichtshof darauf hin, dass Art. 6 des Übereinkommens von Rom spezielle Kollisionsnormen für Einzelarbeitsverträge enthält. Diese Normen weichen von denjenigen ab, die die freie Rechtswahl bzw. die Kriterien zur Bestimmung des mangels einer solchen Wahl anzuwendenden Rechts betreffen. Art. 6 des Übereinkommens beschränkt daher die freie Rechtswahl. Er sieht vor, dass die Vertragsparteien die Anwendbarkeit der zwingenden Bestimmungen des Rechts, dem der Vertrag unterläge, wenn sie keine Rechtswahl getroffen hätten, nicht durch Vereinbarung ausschließen können. Ferner stellt diese Vorschrift spezielle Anknüpfungskriterien auf, nämlich erstens das des Staates, in dem der Arbeitnehmer „gewöhnlich seine Arbeit verrichtet“, und zweitens, in Ermangelung eines solchen Orts, das der „Niederlassung, die den Arbeitnehmer eingestellt hat“.
Hierzu stellt der Gerichtshof fest, dass das Übereinkommen von Rom einen angemessenen Schutz des Arbeitnehmers sicherstellen soll. Übt der Arbeitnehmer seine Tätigkeit in mehreren Vertragsstaaten aus, ist das Übereinkommen daher so zu verstehen, dass es die Anwendung des ersten Kriteriums gewährleistet, das auf das Recht des Staates verweist, in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrags seine Verpflichtungen gegenüber seinem Arbeitgeber im Wesentlichen erfüllt, und somit auf das Recht des Orts, an dem oder von dem aus der Arbeitnehmer seine berufliche Tätigkeit tatsächlich ausübt, und, in Ermangelung eines Mittelpunkts der Tätigkeit, auf das Recht des Orts, an dem er den größten Teil seiner Arbeit ausübt.
Das anwendbare Recht bestimmt sich nämlich nach dem Staat, in dem der Arbeitnehmer seine wirtschaftliche und soziale Tätigkeit ausübt, da das geschäftliche und politische Umfeld dort die Arbeitstätigkeit beeinflusst. Daher muss die Einhaltung der im Recht dieses Staates vorgesehenen Arbeitnehmerschutzvorschriften so weit wie möglich gewährleistet werden.
Dieses Kriterium des Orts der Ausübung der beruflichen Tätigkeit ist weit auszulegen und wie im vorliegenden Fall anzuwenden, wenn der Arbeitnehmer seine Tätigkeit in mehreren Vertragsstaaten ausübt, sofern das nationale Gericht den Staat ermitteln kann, mit dem die Arbeit eine maßgebliche Verknüpfung aufweist.
Daher muss der Berufungsgerichtshof das im Übereinkommen von Rom aufgestellte Anknüpfungskriterium bei der Prüfung, ob Herr Koelzsch seine Arbeit gewöhnlich in einem Vertragsstaat verrichtet hat, und bei der Bestimmung, in welchem er sie gewöhnlich verrichtet hat, weit auslegen.
Hierbei muss das nationale Gericht aufgrund des Wesens der Arbeit im internationalen Transportsektor sämtlichen Gesichtspunkten Rechnung tragen, die die Tätigkeit des Arbeitnehmers kennzeichnen.
Es muss insbesondere ermitteln, in welchem Staat sich der Ort befindet, von dem aus der Arbeitnehmer seine Transportfahrten durchführt, Anweisungen zu diesen Fahrten erhält und seine Arbeit organisiert und an dem sich die Arbeitsmittel befinden. Es muss auch prüfen, an welche Orte die Waren hauptsächlich transportiert werden, wo sie entladen werden und wohin der Arbeitnehmer nach seinen Fahrten zurückkehrt.
1 Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, aufgelegt zur Unterzeichnung am 19. Juni 1980 in Rom (ABl. L 266, S. 1). Das Übereinkommen von Rom wurde durch die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) (ABl. L 177, S. 6) ersetzt. Da diese Verordnung auf Verträge anwendbar ist, die nach dem 17. Dezember 2009 geschlossen wurden, findet sie auf diese Rechtssache keine Anwendung.
Siehe:
http://curia.europa.eu/jcms/jcms/P_73291/
IX
Junge Mutter für zwei Tage pro Woche nach London zur Arbeit geschickt
Hess. Landesarbeitsgericht , Urteil vom 15.02.2011, Az. 13 SaGa 1934/10
Volltext der LAG-PE:
Nach einer Eilentscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts ist es einem Arbeitgeber untersagt, eine Mutter in Elternzeit aus Frankfurt am Main anzuweisen, zwei Tage pro Woche in der Konzernzentrale des Arbeitgebers in London zu arbeiten.
Die 39-jährige Klägerin des Eilverfahrens ist Leiterin der Rechtsabteilung und Mutter einer 13-monatigen Tochter. Vor ihrer Elternzeit hatte sie mit ihrem Arbeitgeber vereinbart, dass sie während der Elternzeit 30 Stunden/Woche weiterarbeiten werde, und zwar drei Tage von zuhause aus und zwei Tage "im Büro". Dieses Büro lag seinerzeit ca. 30 km vom Wohnort der Klägerin entfernt. Einige Monate später erhielt die Klägerin die Mitteilung, dass ihr bisheriges Büro geschlossen worden sei und sie nunmehr zwei Tage/Woche in der Konzernzentrale in London arbeiten solle. Die Kosten für Anreise und Übernachtung sollte die Klägerin im wesentlichen selbst tragen.
Den Antrag der Klägerin auf Unterlassung dieser Weisung und Weiterbeschäftigung von zuhause oder dem bisherigen Büro aus hat das Arbeitsgericht abgewiesen.
Die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung der Klägerin hatte Erfolg. Das Landesarbeitsgericht untersagte dem Arbeitgeber die Weisung, die Klägerin an zwei Tagen/ Woche in London arbeiten zu lassen und verpflichtete den Arbeitgeber, die Klägerin weiter von zuhause oder dem bisherigen Büro aus arbeiten zu lassen. Das Landesarbeitsgericht hielt es schon für nicht erwiesen, dass die bisherige Niederlassung des Arbeitgebers nahe dem Wohnort der Klägerin tatsächlich geschlossen worden war. Jedenfalls komme die Weisung einer unzulässigen "Strafversetzung" gleich. Die wöchentliche Reise von Frankfurt am Main nach London zur Arbeitsleistung an zwei Tagen nehme allein deutlich mehr als einen Arbeitstag in Anspruch. Den vereinbarten 30 Arbeitsstunden pro Woche stünde ein Reiseaufwand und Abwesenheitszeiten von mindestens gleicher Zeit gegenüber. Dies sei unzumutbar und sprenge das vereinbarte Modell zur Vereinbarung von Kinderbetreuung und Beruf vollends. Das Interesse des Arbeitgebers, die Klägerin als Leiterin der Rechtsabteilung regelmäßig am Sitz des Arbeitgebers in London zu sehen, müsse demgegenüber und angesichts der bisherigen Praxis der betrieblichen Kommunikation zurückstehen. Das Landesarbeitsgericht hielt es auch für geboten, dies im einstweiligen Verfügungsverfahren zu entscheiden. Zwar werde es regelmäßig als zumutbar angesehen, in ähnlichen Fällen eine Klärung im üblichen Klageverfahren herbeizuführen und die Weisung so lange zu befolgen. Anders sei dies nur, wenn Weisungen offenkundig rechtswidrig sind und den betreffenden Arbeitnehmer in seinem Persönlichkeitsrecht beschränken oder andere erhebliche Beeinträchtigungen in der Lebensführung des Arbeitnehmers drohen. Dies hat das Hessische Landesarbeitsgericht im vorliegenden Fall angenommen.
Siehe:
http://www.lag-frankfurt.justiz.hessen.de/irj/LAG_Hessen_Internet?rid=HMdJ_15/LAG_Hessen_Internet/sub/263/263146a4-aa2b-e21f-012f-31e2389e4818,,,11111111-2222-3333-4444-100000005003%26overview=true.htm
X.
Falsche Anrede in der Ablehnung einer Bewerbung keine Diskriminierung wegen ethnischer Herkunft
Arbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 09.03.2011, Az. 14 Ca 908/11
Volltext der PE:
Die Klägerin bewarb sich bei der Beklagten um die Stelle als lebensmitteltechnische Assistentin. Ihre Bewerbung wurde abgelehnt. In dem Ablehnungsschreiben wurde die Klägerin unzutreffend mit „Sehr geehrter Herr“ angeredet. Sie ist der Ansicht, aus dieser Anrede ergebe sich, dass sie wegen ihres Migrationshintergrunds nicht eingestellt worden sei. Aus ihrer mit Foto eingereichten Bewerbung gehe eindeutig hervor, dass sie weiblich sei. Dies belege, dass man ihre Bewerbung offensichtlich keines Blickes gewürdigt und diese wegen ihres bereits aus dem Namen sich ergebenden Migrationshintergrundes aussortiert habe. Mit der Klage hat sie eine Entschädigung in Höhe von 5.000 Euro verlangt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Ein Entschädigungsanspruch gemäß § 15 Abs. 2 AGG setzt voraus, dass die Klägerin wegen eines der in § 1 AGG genannten Merkmale wie der Rasse oder ethnischen Herkunft benachteiligt worden ist. Nach der Beweislastregel des § 22 AGG genügt es dabei, dass der Arbeitnehmer Tatsachen vorträgt, aus denen sich nach allgemeiner Lebenserfahrung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine solche Benachteiligung ergibt. Dann muss der Arbeitgeber nachweisen, dass keine Benachteiligung vorliegt. Das Arbeitsgericht hat entschieden, dass der Vortrag der Klägerin für eine solche Beweislastverlagerung nicht ausreicht. Die Verwechslung in der Anrede lasse keine Benachteiligung wegen der Rasse oder der ethnischen Herkunft vermuten. Es sei genauso wahrscheinlich, wenn nicht sogar näher liegend, dass der falschen Anrede in dem Ablehnungsschreiben ein schlichter Fehler bei der Bearbeitung dieses Schreibens zu Grunde liege.
Siehe:
http://www.justiz.nrw.de/JM/Presse/presse_weitere/PresseLArbGs/22_03_2011/index.php
XI.
Unwirksamkeit einer qualifizierten tariflichen Differenzierungsklausel (hier: sog. „Spannensicherungsklausel“)
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.03.2011, Az. 4 AZR 366/09
Volltext der BAG-PE:
Eine tarifvertragliche Klausel, in der eine Sonderleistung für Arbeitnehmer vereinbart ist, die Mitglieder der tarifschließenden Gewerkschaft sind (sog. einfache Differenzierungsklausel), verstößt nicht gegen höherrangiges Recht und ist wirksam (Bestätigung von BAG 18. März 2009 - 4 AZR 64/08 - BAGE 130, 43). Wird die Exklusivität dieses Anspruchs für Gewerkschaftsmitglieder tariflich durch eine sog. Spannensicherungsklausel oder Abstandsklausel abgesichert, wonach etwaige Kompensationsleistungen des Arbeitgeber an nicht oder anders organisierte Arbeitnehmer jeweils zwingend und unmittelbar einen entsprechenden - zusätzlichen - Zahlungsanspruch auch für Gewerkschaftsmitglieder begründen, so dass der „Vorsprung“ der Gewerkschaftsmitglieder nicht ausgleichbar ist, überschreitet diese Klausel die Tarifmacht der Koalitionen und ist unwirksam.
Im Jahre 2008 hatten die Parteien des Rechtsstreits, ein Unternehmen der Hafen-Logistik und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, einen Tarifvertrag über eine Erholungsbeihilfe von jährlich 260,- Euro geschlossen. Nach dessen Ziff. I sollte diese Erholungsbeihilfe an Mitglieder von ver.di gezahlt werden. Nach Ziff. V des Tarifvertrages sollten die ver.di-Mitglieder im Falle einer Zahlung von „entsprechenden oder sonstigen Leistungen“ des Arbeitgebers an Nichtgewerkschaftsmitglieder unmittelbar einen gleichhohen, zusätzlichen Anspruch erhalten. Der Arbeitgeber hat auf Feststellung der Unwirksamkeit sowohl der einfachen Differenzierungsklausel in Ziff. I des Tarifvertrages als auch der Spannensicherungsklausel in Ziff. V des Tarifvertrages Klage erhoben.
Anders als das Arbeitsgericht, das die Klage vollständig abgewiesen hatte, hat das Bundesarbeitsgericht auf die Sprungrevision des Arbeitgebers der Klage teilweise stattgegeben. Zwar ist die in Ziff. I des Tarifvertrages geregelte einfache Differenzierungsklausel wirksam. Der Tarifvertrag darf jedoch nicht, wie in Ziff. V vorgesehen, dem Arbeitgeber die arbeitsvertragliche Gestaltungsmöglichkeit nehmen, die nicht oder anders organisierten Arbeitnehmer mit den Gewerkschaftsmitgliedern gleichzustellen. Der Tarifvertrag darf nur den Inhalt von Arbeitsverhältnissen zwingend und unmittelbar regeln, die der Tarifmacht der Koalitionen unterworfen sind. Hierzu gehören die Arbeitsverhältnisse der nicht oder anders organisierten Arbeitnehmer nicht.
Siehe:
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2011&nr=15040&pos=0&anz=21
XII.
Keine Anwendung der im Entleiherbetrieb geltenden Ausschlussfristen auf „Equal Pay“-Anspruch des Leiharbeitnehmers
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.03.2011, Az. 5 AZR 7/10
Volltext der BAG-PE:
Kann der Leiharbeitnehmer von seinem Vertragsarbeitgeber, dem Verleiher, nach § 10 Abs. 4 AÜG die Erfüllung der wesentlichen Arbeitsbedingungen verlangen, wie sie der Entleiher vergleichbaren eigenen Arbeitnehmern gewährt, muss er die im Entleiherbetrieb geltenden Ausschlussfristen nicht einhalten.
Der Kläger wurde von der Beklagten bei der tarifgebundenen C. GmbH mehrjährig als Leiharbeitnehmer eingesetzt. Er hat nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses geltend gemacht, die C. GmbH gewähre ihren vergleichbaren eigenen Arbeitnehmern eine höhere Vergütung als die ihm von der Beklagten geleistete. Er fordert Vergütungsnachzahlung für mehrere Jahre. Sein Arbeitsvertrag enthält keine Ausschlussfrist für die Geltendmachung von Ansprüchen. Arbeitnehmer der Stammbelegschaft des Entleiherbetriebs müssen eine tarifvertraglich geregelte Ausschlussfrist beachten. Die Parteien streiten darüber, ob diese Ausschlussfrist die Entgeltansprüche des Klägers untergehen ließ, weil er diese nicht fristwahrend schriftlich geltend machte. Mit dieser Begründung hat das Landesarbeitsgericht die Klage im Wesentlichen abgewiesen.
Auf die Revision des Klägers ist die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen worden. Im Entleiherbetrieb geltende Ausschlussfristen gehören bei unionsrechtskonformer Auslegung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes nicht zu den wesentlichen Arbeitsbedingungen, die der Verleiher den Leiharbeitnehmern „gewähren“ muss. Das Landesarbeitsgericht muss deshalb noch feststellen, ob mit dem Kläger hinsichtlich Qualifikation und Tätigkeit vergleichbare Stammarbeitnehmer des Entleiherunternehmens ein insgesamt höheres Entgelt als der Kläger erzielten.
Siehe:
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2011&nr=15039&pos=1&anz=21
XIII.
Befristeter Arbeitsvertrag
Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 27.01.2011, Az. 4 Sa 806/10
Keine hinreichend konkrete Zweckbestimmung für Aufgaben von lediglich vorüber-gehender Dauer, anhand objektiver Umstände, der im Haushalt für das Jahr 2008 der E. ausgebrachten Haushaltsmittel für den Abschluss befristeter Arbeitsverträge.
rechtskräftig: siehe jetzt BAG, Urteil vom 09.03.2011, 7 AZR 728/09, Pressemitteilung Nr. 17/11 des BAG
Siehe:
http://www.arbg.bayern.de/imperia/md/content/stmas/lag/muenchen/4sa806-10.pdf
XIV.
Nachträgliche Klagezulassung
Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 02.02.2011, Az. 11 Sa 17/10
1. Im Verfahren über den Antrag einer nachträglichen Klagezulassung gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 KSchG ist der strittige Zugang der Kündigung festzustellen (Anschluss an BAG vom 28.05.2009, 2 AZR 732/08).
2. Aufgrund gewandelter Verkehrsanschauung (liberalisierte Briefzustellung) ist von allgemeinen arbeitstäglichen Postzustellzeiten bis mindestens 14.00 Uhr auszugehen. Erst ein deutlich späterer Einwurf in den privaten Briefkasten bewirkt keinen taggleichen Zugang mehr.
Siehe:
http://www.arbg.bayern.de/imperia/md/content/stmas/lag/muenchen/11sa17_10.pdf
XV.
Vergütungsrückzahlungsanspruch
Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 24.02.2011, Az. 4 Sa 1056/10
Zweitinstanzlich erfolgreicher Anspruch auf Rückzahlung der Arbeitsvergütung, die von der Betriebsübernehmerin nach deren Arbeitgeberkündigung während des Zeitraums der Freistellung der gekündigten Arbeitnehmerin gezahlt wurde, nach späterem - wirksamen - Widerspruch der Arbeitnehmerin gegen den Betriebsübergang aufgrund dessen Rückwirkung und damit bruchloser Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit der "alten" Arbeitgeberin und dadurch gegebener Rechtsgrundlosigkeit der erfolgten Vergütungszahlung (Leistungskondiktion gem. § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB wegen späteren Wegfalls des ursprünglich vorhandenen Rechtsgrundes).
Im vorliegenden Fall fehlende Entreicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) der rückzahlungsverpflichteten Arbeitnehmerin auch im Hinblick darauf, dass sie nach Widerspruch gegen den Betriebsübergang ohne Weiteres einen Anspruch auf Vergütungszahlung für denselben Zeitraum gegen ihre bisherige Arbeitgeberin hatte (wenngleich dieser im konkreten Fall aufgrund einer einzelvertraglichen Ausschlussfristenregelung tatsächlich verfallen war, was jedoch in den Risikobereich der Arbeitnehmerin fällt).
Siehe:
http://www.arbg.bayern.de/imperia/md/content/stmas/lag/muenchen/4sa1056_10.pdf
XVI.
Vertragliche Ausschlussfrist, gerichtliche Geltendmachung
Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 12.01.2011, Az. 4 Sa 437/10
Eine durch Erhebung der Kündigungsschutzklage gewahrte einzelvertragliche Ausschlussfrist, die eine klageweise Geltendmachung verlangt, muss vom Arbeitnehmer nicht ein zweites Mal durch Einreichung einer Zahlungsklage nach rechtskräftigem Abschluss des Bestandsstreits gewahrt werden.
Siehe:
http://www.arbg.bayern.de/imperia/md/content/stmas/lag/nuernberg/entscheidungen/2011/4_sa_437_10.pdf
XVII.
Beschlussverfahren - Einstweilige Verfügung - Untersuchungsgrundsatz
Landesarbeitsgericht Nürnberg, Beschluss vom 08.02.2011, Az. 6 TaBVGa 17/10
Entscheidungen des Wahlvorstandes können im Wege einstweiliger Verfügung vor den Arbeitsgerichten angegriffen werden, wenn schwerwiegende Mängel vorliegen, die mit größter Wahrscheinlichkeit zur Anfechtbarkeit der Wahl führen würden.
Ein solcher Verstoß kann auch in der fehlerhaften Annahme eines gemeinsamen Betriebs mehrerer Unternehmen oder in der fehlerhaften Bestellung des Wahlvorstandes liegen.
Zwar gilt auch für das Verfügungsverfahren grundsätzlich der Untersuchungsgrundsatz. Dieser ist allerdings im Hinblick auf das mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung verfolgte Ziel, effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, eingeschränkt. Es hat eine Abwägung stattzufinden, die einerseits den Aufwand der nötigen Ermittlungen, andererseits die Eilbedürftigkeit der beantragten Maßnahme und die Schwere der mit Erlass oder Nichterlass der einstweiligen Verfügung befürchteten Nachteile für die Beteiligten berücksichtigt.
4. Steht die Verkennung des Betriebsbegriffs durch den Wahlvorstand nicht mit größter Wahrscheinlichkeit fest, so haben die Unternehmen, die nach Ansicht des Wahlvorstands einen gemeinsamen Betrieb führen, die benötigten Auskünfte zur Erstellung der Wählerliste zu geben.
Siehe:
http://www.arbg.bayern.de/imperia/md/content/stmas/lag/nuernberg/entscheidungen/2011/6_tabvga_17_10.pdf
XVIII.
Fristlose Kündigung gegenüber einem Vorstandsmitglied der NordLB nicht wirksam
Landgericht Hannover, Urteil vom 07.03.2011, AZ. 1 O 57/10
Volltext der LG-PE:
Mit Urteil vom heutigen Tage hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Hannover entschieden, eine durch die NordLB ausgesprochene fristlose Kündigung des Dienstvertrages eines ihrer Vorstandsmitgliedes im Jahr 2010 sei nicht wirksam gewesen.
Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt: Die von der NordLB vorgebrachten Gründe seien für eine fristlose Kündigung nicht ausreichend. Als Pflichtverstoß des ehemaligen Vorstandsmitgliedes sei nur nachgewiesen, dass er dienstliche E-Mails mit vertraulichem Inhalt ungesichert an seine private E-Mail-Adresse weitergeleitet habe. Mit diesem Verhalten habe er zwar gegen die Kommunikationsregeln der NordLB und gegen dienstliche Pflichten verstoßen. Dies allein reiche für eine fristlose Kündigung aber noch nicht aus, so die Kammer. Vielmehr müsse noch eine Abwägung aller Umstände vorgenommen werden. Hierbei sei zu beachten, dass der Kläger selbständig und ohne Aufforderung durch die NordLB das pflichtwidrige Verhalten beendet habe, konkrete Schäden für die NordLB nicht bekannt seien und - insbesondere - damals auch andere Vorstandsmitglieder mit dem Kläger über dessen private E-Mail-Adresse kommuniziert hätten. Insoweit stelle sich der Pflichtverstoß in der Abwägung nicht als so schwerwiegend dar, dass die schärfste mögliche Rechtsfolge - eine fristlose Kündigung - gerechtfertigt sei.
Siehe:
http://www.landgericht-hannover.niedersachsen.de/live/live.php?navigation_id=27683&article_id=94708&_psmand=58
XIX.
Beweisaufnahme
Bundesgerichtshof, Urteil vom 4.11.2010, Az. I ZR 190/08
Es verstößt gegen den zivilprozessualen Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme, wenn ein Gericht Aussagen, die Zeugen vor ihm in einem anderen Verfahren gemacht haben, als gerichtsbekannt verwertet.
Siehe:
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=55483&pos=2&anz=629
Mit freundlichen kollegialen Grüßen
Ihr
Michael Henn
Rechtsanwalt/
Fachanwalt für Arbeitsrecht/
Fachanwalt für Erbrecht
VdAA - Präsident
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