Justizia
 
 
Thorsten Ruppel
Bender & Ruppel Rechtsanwälte
Sportparkstr. 13
35578 Wetzlar


» zum Anwaltsprofil

Betriebsrente: Verweigerte Anpassung (Rechte der Betriebsrentner)

Deutschlands Unternehmen sind überwiegend gut aus der Wirtschaftskrise herausgekommen, viele schreiben sogar wieder Gewinne. Davon profitieren die Arbeitnehmer, die Löhne steigen, viele Firmen haben sogar Lohnerhöhungen vorgezogen. Doch was ist mit den Betriebsrenten?

Viele Rentner wissen nicht, dass sie auch höhere Betriebsrenten von ihrem ehemaligen Arbeitgeber erhalten können.

Angesichts der Rentenkürzungen der letzten Jahre ist die Anpassung der Betriebsrenten für Millionen von Rentnerinnen und Rentnern in Deutschland ein immer wichtigerer Bestandteil zur Sicherung und zum Erhalt des Alterseinkommens.

Arbeitgeber müssen alle drei Jahre die betriebliche Altersversorgung überprüfen und ihre Betriebsrenten an die gesteigerten Lebenshaltungskosten anpassen, damit der Werterhalt der Betriebsrenten sichergestellt ist. Die meisten Betriebsrentner wissen allerdings nicht, dass sie die Erhöhung alle drei Jahre selbst anfordern müssen.

Die Anpassung der Betriebsrente ist eine Holschuld, d.h. sie muss vom Empfänger (also dem Betriebsrentner) zum jeweiligen Stichtag bei ehemaligen Arbeitgeber oder dem zuständigen Versorgungsträger ausdrücklich angefordert werden. Wer dies nicht tut, erhält auch nicht mehr Rente und verzichtet so auf viel Geld.

Die Arbeitgeber nutzen die Unkenntnis oder sogar die falsch verstandene Solidarität der Betriebsrentner zum ehemaligen Unternehmen aus und kommen ihrer gesetzlichen Anpassungspflicht nicht nach, um die Betriebsrenten einzufrieren, abzuschmelzen, zu reduzieren oder deren Zahlung gänzlich einzustellen.

Viele Unternehmen scheuen sich nicht, gegen Recht und Gesetz zu verstoßen, um die Anpassungen zu umgehen. Damit werden die Betriebsrentner um den wohl verdienten Lohn ihrer Leistungen im Arbeitsleben gebracht und eine Anpassung ihrer Betriebsrenten an die immer weiter steigenden Lebenserhaltungskosten verhindert. Viele Betriebsrentner akzeptieren stillschweigend die zur Entwertung ihrer Renten führenden Taktiken der Arbeitgeber oder bemerken gar nicht erst, dass ihnen höhere Renten verloren gehen.

Vor dem Hintergrund, dass es in Deutschland etwa 14 Millionen Betriebsrentner und etwa 17 Millionen Beschäftigte mit einer Anwartschaft auf Betriebsrente gibt, wird das Interesse der Arbeitgeber deutlich: Die Anpassung der Betriebsrenten möglichst gering zu halten und dadurch zu Unrecht und „auf dem Rücken“ der berechtigten Betriebsrentner Milliardenbeträge einzusparen. Die Leistungen der betrieblichen Alterversorgung in der Privatwirtschaft betrugen – laut Sozialbericht 2009 – im Jahr 2008 geschätzte 21,53 Mrd. Euro in Deutschland.

Die nachstehenden Ausführungen sollen einen Überblick über die Voraussetzungen der Anpassung geben.

Der gesetzliche Anspruch auf Anpassung der Betriebsrenten

Der Arbeitgeber hat gemäß § 16 Abs. 1 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz-BetrAVG) seinen ehemaligen Beschäftigten bzw. deren Hinterbliebenen, denen er eine Betriebsrente gewährt, alle drei Jahre eine Anpassung dieser Betriebsrente zu prüfen und im Regelfall auch vorzunehmen. Der Arbeitgeber entscheidet nach billigem Ermessen, ob und in welcher Höhe er die Rente anpasst. Dabei sind die Belange des Versorgungsempfängers (Betriebsrentners) zum einen und zum anderen die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen.

Der Anpassungsbedarf richtet sich nach dem seit der letzten Überprüfung oder seit dem Rentenbeginn eingetretenen Kaufkraftverlust der Rente, der für Prüfungsstichtage nach dem 01.01.2003hhg an dem Verbraucherpreis-Index (VPI) gemessen wird. Dafür werden die Basisdaten des Statistischen Bundesamtes in Anpassungsquoten umgerechnet und für den jeweiligen Betriebsrentner individuell ermittelt.

Nach § 16 Abs. 2 BetrAVG gilt die Prüfungsverpflichtung des Arbeitgebers als erfüllt, wenn die Anpassung nicht geringer ist als der Anstieg des VPI oder der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens im Prüfungszeitraum. Lehnt der Arbeitgeber die Anpassung der Betriebsrenten mit der Begründung ab, sie würde zu einer übermäßigen wirtschaftlichen Belastung führen, so trägt er die Darlegungs- und Beweislast, so dass er die Billigkeit seiner Entscheidung darlegen und, soweit die tatsächlichen Grundlagen bestritten werden, beweisen muss.

Der Gesetzestext sieht noch weitere Ausnahmesituationen vor, beispielsweise wenn sich der Arbeitgeber verpflichtet hat, die laufenden Leistungen jährlich um ein Prozent anzupassen („Ein-Prozent-Anpassung“) oder eine Beitragszusage mit Mindestleistung erteilt wurde, d. h. wenn sich die Leistungsverpflichtung lediglich auf den Werterhalt der zugesagten Beiträge bezieht. Eine weitere Ausnahme liegt auch vor, wenn es sich um Direktversicherungen oder Pensionskassen handelt und ab Rentenbeginn sämtliche auf den Rentenbestand entfallende Überschussanteile zur Erhöhung der laufenden Leistungen verwendet werden.

Durchsetzung des Anspruchs auf Anpassung von Betriebsrenten

Die Erhöhung bzw. die Anpassung der Betriebsrenten ist eine Holschuld, so dass der Betriebsrentner die Anpassung zum jeweiligen Stichtag selbst anfordern muss. Nicht selten reagieren die Arbeitgeber auf die begehrte Anpassung verzögerlich und versuchen dadurch, die Anpassung bis zum Zeitpunkt der Verjährung hinaus zu zögern. Bei unzureichender oder unterlassener Anpassung muss der Betriebsrentner gegen den Bescheid innerhalb von drei Monaten begründeten Widerspruch einlegen. Sonst geht ein Nachholanspruch wegen „stillschweigender“ Zustimmung verloren. Der Eintritt der Verjährung (drei Jahr mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist) kann durch Klage beim Arbeitsgericht unterbrochen werden.

„Wirtschaftliche Lage“ des Arbeitgebers/Ermessensentscheidung

Gemäß § 16 Abs. 1 BetrAVG hat der Arbeitgeber alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistung der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen.

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, grundsätzlich den realen Wert der Betriebsrente zu erhalten. Etwas anderes gilt nur dann, wenn es ihm aufgrund seiner wirtschaftlichen Lage nicht zuzumuten ist, die sich aus der Anpassung ergebenden Mehrbelastungen zu tragen. Der Zweck der Versorgungsleistungen selbst und der Zweck des Betriebsrentengesetzes verlangen, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Anpassungen vorzunehmen sind, so lange und soweit der Arbeitgeber leistungsfähig ist. Deshalb ist die Anpassung der Regelfall und die Nichtanpassung die Ausnahme. Allerdings gibt es keine Anpassungsgarantie. Der Arbeitgeber kann eine Anpassung entsprechend dem seit dem individuellen Rentenbeginn eingetretenen Kaufkraftverlust ganz oder teilweise ablehnen, wenn und soweit dadurch das Unternehmen übermäßig belastet würde.

Die Arbeitsgerichte haben gemäß § 315 BGB zu überprüfen, ob der Arbeitgeber bei seiner Anpassungsentscheidung den ihm eingeräumten Ermessensspielraum überschritten hat.

Die Belange des Versorgungsempfängers werden durch den Anpassungsbedarf bestimmt. Dieser richtet sich nach dem zwischen Rentenbeginn und Anpassungsstichtag eingetretenen Kaufkraftverlust (maßgebliche Preissteigerungsgarantie).

Die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers rechtfertigt die Ablehnung einer Betriebsrentenanpassung nur, wenn das Unternehmen dadurch übermäßig belastet und seine Wettbewerbsfähigkeit gefährdet wird. Diese Voraussetzung ist dann erfüllt, wenn der Arbeitgeber annehmen darf, dass es ihm mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht möglich sein wird, den Teuerungsausgleich aus den Unternehmenserträgen und den verfügbaren Wertzuwächsen des Unternehmens Vermögen aufzubringen. Danach kommt es auf die voraussichtliche Entwicklung der Eigenkapitalverzinsung und der Eigenkapitalausstattung des Unternehmens an. Bei einer ungenügenden Eigenkapitalverzinsung reicht die Ertragskraft des Unternehmens nicht aus. Die angemessene Eigenkapitalverzinsung besteht aus einem Basiszins und einem Risikozuschlag. Der Basiszins entspricht der Umlaufrendite öffentlicher Anleihen. Der Risikozuschlag beträgt für alle Unternehmen einheitlich 2 %. Die wirtschaftliche Belastbarkeit des Unternehmens ist auch dann beeinträchtigt, wenn die Eigenkapitalausstattung ungenügend ist. Bei einer Eigenkapitalauszehrung muss verlorene Vermögenssubstanz wieder aufgebaut werden.

Die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers im Sinne von § 16 BetrAVG ist eine zukunftsbezogene Größe. Sie umschreibt die künftige Belastbarkeit des Arbeitgebers und setzt eine Prognose voraus. Beurteilungsgrundlage für die insoweit langfristig zum Anpassungsstichtag zu erstellende Prognose ist grundsätzlich die bisherige wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens vor dem Anpassungsstichtag, soweit daraus Schlüsse für dessen weitere Entwicklung gezogen werden können. Für eine zuverlässige Prognose muss die bisherige Entwicklung über einen längeren repräsentativen Zeitraum von in der Regel mindestens drei Jahren ausgewertet werden. Zwar kann sich auch die wirtschaftliche Entwicklung nach dem Anpassungsstichtag auf die Überprüfung der Anpassungsentscheidung des Arbeitgebers auswirken. Sie kann seine frühere Prognose bestätigen oder entkräften. Voraussetzung für die Berücksichtigung der künftigen Entwicklung bei der zum Anpassungsstichtag zu erstellenden Prognose ist jedoch, dass die Veränderungen in den wirtschaftlichen Verhältnissen des Unternehmens am Anpassungsstichtag bereits vorhersehbar waren.

Fazit

Halten Sie die Höhe Ihrer Betriebsrente immer im Auge. Fordern Sie Ihr Recht auf Anpassung aktiv beim Arbeitgeber ein. Nur so stellen Sie sicher, dass Ihre wohlverdiente Betriebsrente auch in Zukunft die finanziellen Bedürfnisse Ihrer Lebensgestaltung dauerhaft gewährleistet.

Thorsten Ruppel
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Familienrecht
 
«  zurück