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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart
I.
Bauvertrag - unwirksame Klausel in AGB des Auftraggebers
BGH, Urteil vom 09,12,2010, Az. VII ZR 7/10
Die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers eines Bauvertrags enthaltene Klausel, dass der Auftragnehmer zur Sicherung der vertragsgemäßen Ausführung der Werkleistungen eine Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 10 % der Auftragssumme zu stellen hat, ist unwirksam, wenn in dem Vertrag zusätzlich bestimmt ist, dass die sich aus den geprüften Abschlagsrechnungen ergebenden Werklohnforderungen des Auftragnehmers nur zu 90 % bezahlt werden.
II.
Scheingewinne
BGH, Urteil vom 23.11.2010, Az. XI ZR 26/10
Scheingewinne, die von einem der Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen zugeordneten Institut in Kontoauszügen oder Saldenbestätigungen ausgewiesen werden, sind nicht entschädigungsfähig ("Phoenix").
III.
Anfertigung und Verwertung von Garten- und Bauwerksfotografien
BGH, Urteil 03.12.2010, Az, V ZR 45/10
a)Das ausschließliche Recht zur Anfertigung und Verwertung von Fotografien von Bauwerken und Gartenanlagen steht dem Grundstückseigentümer zu, soweit diese Abbildungen von seinem Grundstück aus angefertigt worden sind (Anschluss an BGH, Urteil vom 20. September 1974 - I ZR 99/73, NJW 1975, 778, 779 und Urteil vom 9. März 1989 - I ZR 54/87, NJW 1989, 2251, 2252).
b)Ein öffentlichrechtlicher Grundstückseigentümer kann öffentlichrechtlich verpflichtet sein, die Anfertigung und Verwertung solcher Fotografien zu gestatten. Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten in Berlin-Brandenburg ist nicht verpflichtet, die Anfertigung und Verwertung von Fotografien ihrer Schlösser und Gärten zu gewerblichen Zwecken unentgeltlich zu gestatten.
IV.
Wohnungseigentümer in Verzug darf nicht ausgeschlossen werden
BGH, Beschluss, vom 10.12.2010, Az. V ZR 60/10
a) Ein Wohnungseigentümer, der mit der Zahlung von Beiträgen in Verzug ist, kann deswegen nicht von der Wohnungseigentümerversammlung ausgeschlossen werden; ihm kann auch nicht das Stimmrecht entzogen werden.
b) Die Ungültigerklärung von Beschlüssen scheidet in der Regel aus, wenn feststeht, dass sich ein Beschlussmangel auf das Abstimmungsergebnis nicht ausgewirkt hat; anders verhält es sich jedoch bei schwerwiegenden Eingriffen in den Kernbereich elementarer Mitgliedschaftsrechte, die dazu führen, dass das Teilnahme- und Mitwirkungsrecht eines Wohnungseigentümers in gravierender Weise ausgehebelt wird.
V.
Mitteilung von Mieter an Vermieter muss innerhalb von 12 Monaten erfolgen
BGH, Urteil vom 12.01.2011, Az. VIII R 148/10
Der Mieter muss dem Vermieter innerhalb von zwölf Monaten seit Erhalt einer Betriebskostenabrechnung mitteilen, dass einzelne Betriebskosten mit Rücksicht auf eine hierfür vereinbarte Pauschale nicht abzurechnen sind.
VI.
Nach dem Lebensalter gestaffelte Urlaubsansprüche im Manteltarifvertrag Einzelhandel Nordrhein-Westfalen verstoßen gegen das Verbot der Altersdiskriminierung
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 18.01.201, Az. 8 Sa 1274/10
Die inzwischen 24jährige Klägerin ist als Einzelhandelskauffrau bei einer Einzelhandelskette beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis unterliegt dem Manteltarifvertrag Einzelhandel Nordrhein-Westfalen, wonach der jährliche Urlaubsanspruch bei einer 6-Tage-Woche nach dem Lebensalter wie folgt gestaffelt ist:
· bis zum vollendeten 20. Lebensjahr 30 Urlaubstage; nach dem vollendeten 20. Lebensjahr 32 Urlaubstage; nach dem vollendeten 23. Lebensjahr 34 Urlaubstage und nach dem vollendeten 30. Lebensjahr 36 Urlaubstage
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat wie die Vorinstanz erkannt, dass die Klägerin durch diese Regelung wegen ihres Alters diskriminiert wird. Die nach dem Alter unterscheidende Regelung ist nicht gemäß § 10 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes gerechtfertigt. Es fehlt an einem legitimen Ziel für diese Ungleichbehandlung, das im Tarifvertrag oder in dessen Kontext Anklang gefunden hat. Dies gilt insbesondere für das von der Arbeitgeberseite vorgebrachte Argument, mit der Regelung solle die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gefördert werden.
Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Klägerin, der nach der tariflichen Regelung nur 34 Urlaubstage zuständen, wegen des Verstoßes gegen das Verbot der Altersdiskriminierung 36 Urlaubstage pro Jahr beanspruchen kann. Diese Angleichung nach oben entgegen der bestehenden tariflichen Regelung folgt aus dem Grundsatz der effektiven und wirksamen Durchsetzung von EU-Rechtsvorgaben.
Die Revision ist zugelassen.
VII.
Berichtigung eines Arbeitszeugnisses ist eine Holschuld
Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 07.02.2011, Az. 16 Sa 1195/10
1. Der Anspruch auf Erteilung oder Berichtigung eines Arbeitszeugnisses ist eine Holschuld. Hieraus folgt, dass der Arbeitnehmer das Zeugnis beim Arbeitgeber abzuholen hat. Der Schuldner darf bei Holschulden aber auch bringen oder schicken. In diesem Fall tritt der Leistungserfolg am Ort seiner gewerblichen Niederlassung ein.
2. Ist der Anspruch des Arbeitnehmers auf Erteilung eines Zeugnisses durch Erfüllung erloschen, geht das Zeugnis verloren oder wird es beschädigt, ist der Arbeitgeber im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren verpflichtet, dem Arbeitnehmer eine neue Ausfertigung zu überlassen. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob der Verlust oder die Beschädigung von dem Arbeitnehmer zu vertreten ist. Entscheidend ist vielmehr allein die Frage, ob dem bisherigen Arbeitgeber die Ersatzausstellung zugemutet werden kann.
VII.
Entschädigungsanspruch eines nicht zum Auswahlgespräch eingeladenen schwerbehinderten Bewerbers um eine Professorenstelle
VG Weimar, Urteil vom 20.01.2011, Az. 5 K 1602/09 We
1. Auch ein Beamtenbewerber (hier: Professorenstelle C 4 BBesO) kann sich auf die Entschädigungsregelungen des § 81 SGB 9 berufen.(Rn.28)
2. Eine Benachteiligung im Sinne von § 81 Abs 2 SGB 9 kann darin liegen, dass der schwerbehinderte Bewerber nicht zum Auswahlgespräch eingeladen worden ist und ihm die Bewerbungsunterlagen zurückgesandt wurden. (Rn.31)
3. Die Einladung zu einem Bewerbungsgespräch ist nur dann entbehrlich, wenn der Bewerber unter keinem Gesichtspunkt für die ausgeschriebene Stelle geeignet erscheint (vgl. VGH München, Beschluss vom 07. Oktober 2004 - 3 CE 04.2770 - ZBR 2006, 137).(Rn.32)
4. Mit der nachträglichen Einladung zu einem Auswahlgespräch ist der vorangehende Verfahrensverstoß allein in rechtlicher Hinsicht mit Wirkung für die Zukunft beseitigt, nicht hingegen entfällt die verfahrenswidrige Vorgehensweise als tatsächliche Grundlage der Benachteiligungsvermutung (vgl. LArbG Hamm, Urteil vom 17.11.2005 - 8 Sa 1213/05 – Juris -).(Rn.34)
5. Die Benachteiligungsvermutung kann der Arbeitgeber nur entkräften, indem er Tatsachen vorträgt und gegebenenfalls beweist, aus denen sich ergibt, dass es ausschließlich andere Gründe waren als die Behinderung, die zu der weniger günstigen Behandlung führten (vgl. BAG, Urteil vom 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 -, NJW 2009, 3319).(Rn.38)
6. Zur Bemessung einer angemessenen Entschädigung im Sinne von § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB 9.(Rn.40)
VIII.
Bankenhaftung
OLG München, Urteil vom 15.02.2011, Az. 5 U 4507/10
Durch Outsourcing der Beratungstätigkeit auf eine Tochtergesellschaft der Bank kommt die Verpflichtung zur Aufklärung des Bankkunden über die - nun an die Bankentochter fließende - Rückvergütung jedenfalls dann nicht in Fortfall, wenn die Beratungsgesellschaft die der Bank bekannten Kundendaten und Vermögensverhältnisse zum Zwecke der Einfädelung von Beratungsgesprächen mit Wissen und Wollen der Bank nutzt und an das im bankenvertraglichen Verhältnis gewachsene Vertrauen des Bankkunden anknüpft (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 15.04.2010 - III ZR 196/09, WM 2010, 885).
IX.
Schaden des Anlegers liegt in der Differenz zwischen eingesetztem Kapital und Verkaufserlös
OLG Celle, Urteil vom 26.01.2011, Az. 3 ‚U 101/10
1.Verkauft der Anleger die aufgrund einer Pflichtverletzung der Bank erworbenen Wertpapiere vor Beginn des Prozesses oder jedenfalls bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung mit Verlust, besteht sein Schaden in der Differenz zwischen eingesetztem Kapital und erzieltem Verkaufserlös.
2.Der auf Ersatz in Geld gerichtete Schadensersatzanspruch des Anlegers setzt die Ablehnung der Bank voraus, Naturalrestitution durch Rückzahlung des Kapitals Zug um Zug gegen Übertragung der Wertpapiere zu leisten, nachdem sie hierzu vom Anleger aufgefordert worden ist.
X.
Gesamtaufsichtsrat muss vor Zahlungen zustimmen
OLG Frankfurt, Urteil vom 15.02.2011, Az. 5 U 30/10
Zahlungen des Vorstandes an ein Aufsichtsratsmitglied für Dienstverpflichtungen außerhalb seiner Tätigkeit als Aufsichtsrat sind nur dann erlaubt, wenn der Gesamtaufsichtsrat vorher zustimmt. Die nachträgliche Genehmigung des Gesamtaufsichtsrates ändert an der Pflichtwidrigkeit der Zahlungen nichts.
Die Urteile wurden von Rechtsanwalt Michael Henn zusammengestellt.
Michael Henn ist Schriftleiter der mittelstandsdepesche und Mitglied in der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V.
Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Michael Henn
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