Krankengeldbezug nach Beendigung der Beschäftigung kann den Urlaubsabgeltungsanspruch des Arbeitnehmers „retten“
Das BAG hatte mit Urteil vom 17.11.2010 (10 AZR 649/09)einen Rechtsfall zu entscheiden, bei dem ein Arbeitnehmer, der Krankengeld und danach ALG I Leistungen bezog, zuvor einen Urlaubsabgeltungsanspruch gegen den Arbeitgeber geltend gemacht hatte.
Abgegeolten wurden vom Arbeitgeber 28 Tage an nicht gewährtem Urlaub. Wie bereits ausgeführt, bezog der Arbeitnehmer im Anschluss an das Beschäftigungsverhältnis zunächst 6 Wochen Krankengeld.
Danach forderte die BA für Arbeit vom Arbeitgeber Auszahlung des Urlaubsabgeltungsbetrages, soweit dieser Anspruch die Höhe des ALG I Betrages für 28 Tage erreicht, weil bezüglich dieses Betrages ein gesetzlicher Forderungsübergang vorliege. Die Arbeitnehmerin hatte zuvor in mindestens dieser Höhe ALG I Leistungen (für 28 Tage) erhalten.
Der Arbeitgeber vertrat daraufhin die Rechtsansicht, die Arbeitnehmerin sei insoweit ungerechtfertigt bereichert und müsse diesen Teilbetrag (der hier natürlich geringer war, als der Betrag der Urlaubsabgeltung) an den Arbeitgeber zurückgewähren.
Im Gegensatz zu den Vorinstanzen führte das BAG aus, dass die Arbeitnehmerin den Betrag nicht an den Arbeitgeber auskehren müsse und nicht bereichert sei.
Der Grund liege darin, dass die Anrechnung der Urlaubsabgeltung gem. § 143 Abs. II Satz 2 SGB III am ersten Tag nach der Beendigung der Beschäftigung beginne.
Das Gesetz verwendet hier die Formulierung:
„Der Ruhenszeitraum beginnt mit dem Ende des die Urlaubsabgeltung begründenden Arbeitsverhältnisses“.
An diesem und den folgenden Tagen nach Beendigung der Beschäftigung bezog die Arbeitnehmerin aber zu Recht Krankengeld. Zum Ende der Krankengeldphase nach 6 Wochen konnte keine Anrechnung des Urlaubsabgeltungsanspruchs mehr stattfinden, weil nur eine Abgeltung für 28 Tage geleistet worden war. Nur wenn die Abgeltung für mehr als 6 Wochen hatte stattfinden müssen, hätte also eine Anrechnung in Betracht kommen können. Vorliegend hätte also der Arbeitgeber die Forderung der BA für Arbeit nicht erfüllen dürfen. Es war ihm daher verwehrt, Rückgriff auf die Arbeitnehmerin zu nehmen.
Hinweis des Verfassers:
Grundsätzlich kann es zwar so sein, dass es sich aus Sicht des Arbeitnehmers öfters kaum lohnt, einen Urlaubsabgeltungsanspruch gelten zu machen, wenn er nach Beendigung der Beschäftigung arbeitslos sein wird. Ist er jedoch erkrankt, scheidet eine „Anrechnung“ des Urlaubsabgeltungsanspruchs auf den ALG I Bezug aus, sofern die abgegoltenen Urlaubstage nicht die Anzahl der Tage des Krankengeldbezugs übersteigen. Auch wenn er eine neue Beschäftigung zeitnah, also vor Ablauf des Anrechnungszeitraums aufnehmen kann, lohnt sich die Geltendmachung des Urlaubsabgeltungsanspruchs.
Nicht vergessen werden darf in diesem Zusammenhang auch, dass die Anrechnung "für bestimmte Leistungstage" erfolgt und der Urlaubabgeltungsanspruch für z. B. 28 Tage immer deutlich höher ist, als der ALG I Bezug für 28 Tage. Insoweit lohnt eine Geltendmachung für den Arbeitnehmer regelmäßig.
Dr. Ulrich Walter Stoklossa, der Verfasser des Artikels, ist nachhaltig auf dem Gebiet des Arbeitsrechts als Anwalt tätig. Er ist Fachanwalt für Arbeitsrecht seit dem Jahr 2003, Fachanwalt für Familienrecht seit dem Jahr 2001 und Fachanwalt für Versicherungsrecht seit dem Jahr 2010. Die Kanzlei liegt in Marktheidenfeld, Unterfranken, im Einzugsbereich der Städte Wertheim und Lohr a. Main, Landkreis Würzburg. Die Kanzleihomepage lautet: http://www.rechtsanwalt-marktheidenfeld.de
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