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Berechnungsmodus des BGH (Zweidrittelmethode) zum nachehelichen Unterhalt vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben

Die ab Anfang des Jahres 2008 begründete und angewendete Rechtsprechung des BGH zur Berechnung des nachehelichen Unterhalts (Aufstockungsunterhalt, Betreuungsunterhalt) hat einer verfassungsrechtlichen Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht nicht standgehalten.

Das Bundesverfassungsgericht (Urt. v. 25.01.2011, Az. 1 BvR 918/10) hob am 25.01.2011 ein Urteil des OLG Saarbrücken auf (Urteil v. 4.03.2010, Az. 6 UF 86/09), mit dem der Unterhalt nach den Grundsätzen des BGH nach der sog. „Zweidrittelmethode“ berechnet worden war, auf.
Die ab Anfang des Jahres 2008 vom BGH geschaffene „Zweidrittelmethode“ berücksichtigt das Einkommen des neu mit dem Unterhaltspflichtigen verheirateten Ehepartners mit. Der Effekt ist über die Ansetzung von 2/3 des Einkommens oftmals eine deutliche Reduzierung des Unterhalts bzw. des Bedarfs des geschiedenen Ehepartners gegenüber der vorher geltenden Berechnungsmethode. Nach Anwendung der 2/3- Methode hatte sich im vorliegenden Ausgangsfall, über den das BVerfG zu entscheiden hatte, der Unterhalt auf 488,00 € belaufen, nach der alten Berechnungsmethode hätten sich 761,00 € ergeben.
Mit dem Verfahren wollte der Kläger einen über mehrere Jahre bestehenden (älteren) Titel über 618,00 € zu seinen Gunsten abändern lassen, nachdem er nach einer Scheidung im Jahre 2008 wieder heiratete und sich daher die Berechnung nach der damals neuen Berechnungsmethode, also der „Zweidrittelmethode“ ergab. Die deutliche Reduzierung des Unterhalts gelang dem Unterhaltsschuldner zunächst in erster und zweiter Instanz. Der Kläger wurde nun aber durch das Bundesverfassungsgericht gestoppt, das die Zweidrittelmethode als Überschreitung der Grenzen der zulässigen Rechtsfortbildung durch die Gerichte (hier durch den BGH) ansah und das Verfahren zur neuen Ausurteilung an das OLG Saarbrücken zurück verwies.

Der BGH begründete die Schaffung der 2/3-Methode damals mit dem in der Gesellschaft zu beobachtenden Wandel der Verhältnisse (hohe Scheidungsrate und nicht wenige Fälle der Widerverheiratung) und setzte sich damit in Widerspruch zur Norm des § 1578 Abs. 1 Satz 1, die den Unterhalt nach dem Willen des Gesetzgebers den „ehelichen Verhältnissen“ bemessen wollte und eben nicht nach wandelbaren bzw. weiterentwickelten Verhältnissen. Die vom Gesetzgeber geäußerten Motive anlässlich der Unterhaltsreform 2008 ergeben keinen Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber den Berechnungsmodus so verändern wollte, dass die ehelichen Verhältnisse (der ersten Ehe) keine Bedeutung bei der Berechnung mehr haben sollen.

Hinweis des Verfassers: Mit dem Urteil schaffte das Bundesverfassungsgericht eine klare Grenze der Rechtsfortbildung durch die ordentlichen Gerichte, die durchaus eine Bedeutung über das familienrechtliche Unterhaltsverfahren hinaus hat.

Profitieren können von dem Urteil die Personen, die einen Unterhaltsanspruch haben, und deren geschiedener Ehegatte nach Neuverheiratung (oder ein neu entstandenes unterhaltsberechtigtes Kind) im Anschluss an die Scheidung ab Anfang 2008 oder später entweder den Unterhalt erstmalig berechnen ließen (sei es durch Gericht oder Anwälte), oder ab diesem Datum den Unterhalt abändern bzw. neu berechnen ließen.
In diesen Fällen ist davon auszugehen, dass die Zweidrittelmethode ab Anfang 2008 zum Nachteil des unterhaltsberechtigten geschiedenen Ehegatten Anwendung gefunden hat. Erstmals wurde vom BGH die 2/3 Methode ab dem 06.02.2008 bei Unterhaltspflichten begründet, wenn Unterhaltsansprüche von Kindern später (nach Unterhaltsberechnung z. B. bei Scheidung oder im separaten Unterhaltsprozess) entstehen (siehe BGHZ 175, 182, 195). Diese Rechtsprechung wurde dann vom BGH am 30.06.2008 erweitert auf die Fälle, in denen später Unterhaltsansprüche von Ehegatten infolge von Neuverheiratung des Unterhaltspflichtigen entstanden sind (siehe BGHZ 177, 356, 367).
Die Rechtsprechung wird nun notgedrungen das alte Verfahren wieder anwenden müssen. Für Unterhaltsberechtigte, bei denen sich nach der 2/3-Methode ein reduzierter Unterhalsbetrag errechnet hatte, besteht daher ein Unterhaltsabänderungsanspruch, der sich gerichtlich durchsetzen lässt.

Dr. jur. Ulrich Walter Stoklossa, der Verfasser des Artikels, ist seit dem Jahr 2001 Fachanwalt für Familienrecht (zusätzlich Fachanwalt für Arbeitsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht). Die Kanzlei liegt in Marktheidenfeld, Unterfranken, im Einzugsbereich der Städte Wertheim und Lohr a. Main. Im Bereich des Bankrechts und des Kapitalanlagerechts sind die Mandate sehr oft überregional, so dass die Kanzlei regelmäßig auch Mandanten aus benachbarten Großstädten betreut.
 
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