Kirche kündigt Mitarbeiterin wegen Mitgliedschaft in anderer Religionsgemeinschaft
Einer bei der evangelischen Kirche angestellten Kindergärtnerin kann wegen Mitgliedschaft in einer anderen Religionsgemeinschaft gekündigt werden. Hierin liegt grundsätzlich keine Verletzung des Rechts auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit aus Art. 9 EMRK. Zumindest bei einem aktiven Engagement für eine andere Religionsgemeinschaft kann sich der kirchliche Arbeitgeber regelmäßig nicht darauf verlassen, dass der Arbeitnehmer seine Ideale weiterhin respektiert.
Die Klägerin ist Katholikin und war seit Mai 1997 als Erzieherin in einer Kindertagesstätte einer evangelischen Gemeinde tätig.
Nach dem Arbeitsvertrag der Klägerin waren auf das Arbeitsverhältnis die Arbeitsrechtsregelungen für Mitarbeiter der evangelischen Landeskirche anwendbar. Diese enthalten u.a. eine Bestimmung, wonach die Mitarbeiter zur Loyalität gegenüber der evangelischen Kirche verpflichtet sind und ihnen eine Mitgliedschaft oder Mitarbeit in Organisationen untersagt ist, deren Grundauffassung oder Tätigkeit im Widerspruch zum Auftrag der Kirche stehen.
Im Dezember 1998 wurde die evangelische Kirche anonym über die Mitgliedschaft der Klägerin in einer anderen Religionsgemeinschaft, der "Universalen Kirche/Bruderschaft der Menschheit" informiert sowie darüber, dass sie für diese Gemeinschaft Einführungskurse in deren Lehre anbot. Sie war auch als Kontaktperson auf Anmeldeformularen für "Grundkurse für höheres geistiges Lernen" angegeben.
Nach Befragung der Mitarbeiterin kündigte die Kirche das Arbeitsverhältnis fristlos zum 1.1.1999. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hatte vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) keinen Erfolg. Zur Begründung führte das BAG aus, dass die Kirche angesichts des aktiven Engagements der Klägerin für die "Universale Kirche" berechtigterweise davon habe ausgehen können, dass diese Aktivitäten ihre Arbeit beeinträchtigen und die Glaubwürdigkeit der Kirche in Frage stellen würden.
Die weitere Beschwerde hatte vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Kündigung verletzt die Beschwerdeführerin nicht in ihrem Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit aus Art. 9 EMRK.
Zu prüfen war, ob die von den deutschen Arbeitsgerichten vorgenommene Abwägung zwischen dem Recht der Beschwerdeführerin auf Religionsfreiheit aus Art. 9 EMRK einerseits und den Konventionsrechten der evangelischen Kirche andererseits der Beschwerdeführerin einen ausreichenden Kündigungsschutz gewährt hat. Auf Seiten der Kirche war zu berücksichtigen, dass die Eigenständigkeit von Religionsgemeinschaften gegen unzulässige staatliche Einmischung nach Art. 9 i.V.m. Art. 11 EMRK (Vereinigungsfreiheit) geschützt ist.
Mit seinen Arbeitsgerichten und einem für die Überprüfung von deren Entscheidungen zuständigen Verfassungsgericht erfüllt Deutschland die positive Verpflichtung des Staates gegenüber Klägern in arbeitsrechtlichen Streitfällen. Die Beschwerdeführerin hatte vor einem Arbeitsgericht geklagt, das dazu befugt war, über die Wirksamkeit ihrer Kündigung nach staatlichem Arbeitsrecht unter Berücksichtigung des kirchlichen Arbeitsrechts zu entscheiden.
Die deutschen Arbeitsgerichte haben zudem alle wesentlichen Gesichtspunkte des Falls berücksichtigt und eine sorgfältige Abwägung der Interessen vorgenommen. Nach Auffassung der Gerichte kam die Kündigung einer notwendigen Maßnahme gleich, um die Glaubwürdigkeit der Kirche zu wahren; dieses Interesse wog nach ihrer Einschätzung schwerer als das Interesse der Beschwerdeführerin, ihre Stelle zu behalten. Die Gerichte haben ferner die relativ kurze Betriebszugehörigkeit der Beschwerdeführerin berücksichtigt.
Die Tatsache, dass die deutschen Gerichte den Interessen der evangelischen Kirche nach sorgfältiger Abwägung ein größeres Gewicht eingeräumt haben als denen der Beschwerdeführerin, steht nicht an sich in Konflikt mit der Konvention. Daher liegt im Endergebnis keine Verletzung von Art. 9 EMRK vor.
Quelle: Pressemitteilung des EGMR vom 03.02.2011
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Mitgeteilt von Rechtsanwalt Thorsten Blaufelder, Kanzlei Blaufelder, Ludwigsburg
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