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Mathias Nittel
Rechtsanwalt Mathias Nittel - Fachanwalt für Erbrecht, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
Maximilianstraße 2
80539 München


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Immobilienfonds-Misere: Viele betroffene Anleger haben Chancen auf Rückabwicklung

Immer lauter schrillen die Alarmglocken bei offenen Immobilienfonds. Bei 17 Fonds ist die Rücknahme der Anteile ausgesetzt, teilweise kommen Anleger seit zwei Jahren nicht mehr an ihr Geld heran. Zuletzt machten die schweizerische Großbank UBS und Allianz Global Investors vor wenigen Wochen jeweils einen Fonds dicht. Das Einfrieren der Anlegergelder soll die Fondsgesellschaften davor schützen, in der Not Immobilien zu Dumpingpreisen verschleudern zu müssen, um ihre Anleger auszuzahlen. Bei drei Fonds haben hilft nicht einmal mehr das: Der KanAm US-Grundinvest Fonds, der Morgan P2 Value Fonds und der zur Commerzbank-Gruppe zählende Degi-Europa-Fonds werden nun abgewickelt. Zug um Zug sollen die Fondsimmobilien verkauft und die Erlöse an die Investoren verteilt werden.

Sowohl die befristete Aussetzung der Anteilsrücknahme wie auch die Liquidation ist den Fondsgesellschaften vom Gesetzgeber erlaubt, um bei Liquidätsengpässen eine Insolvenz zu vermeiden. Im Gegensatz zur Liquidation im Rahmen eines Insolvenzverfahrens kann die Auflösung eines offenen Immobilienfonds vom Fondsmanagement in Eigenregie durchgeführt werden.

Gefangen im unkalkulierbaren Abenteuer

Bitter für die betroffenen Anleger ist, dass sie weder an ihr Geld kommen noch ihre Verluste nach Abschluss des Liquidationsverfahrens verlässlich abschätzen können. Wer einst in ein scheinbar sicheres und jederzeit verfügbares Anlageprodukt investiert hatte, ist heute in einem finanziellen Abenteuer mit ungewissem Ausgang gefangen.

Allerdings liegt genau in dieser Diskrepanz zwischen Erwartung und Realität auch der Schlüssel zur Chance auf Rückabwicklung wegen fehlerhafter Anlageberatung. Zur anlegergerechten Beratung gehört, dass die Bank den Kunden über die Risiken des jeweiligen Anlageproduktes aufklären muss - und das ist bei offenen Immobilienfonds häufig nicht geschehen. Dazu genügt es nicht, dem Anleger einen 100-seitigen Verkaufsprospekt auszuhändigen, sondern die Risiken sowie die im Ernstfall daraus resultierenden Konsequenzen müssen im Beratungsgespräch erläutert werden. Dass offene Immobilienfonds häufig als Alternative zu Festgeldkonten und Sparbriefen angeboten wurden, lässt darauf schließen, dass genau dies nicht geschehen ist.

Dass das Einfrieren von Anlegergeldern kein ausschließlich theoretisches Risiko ist, kann seit Dezember 2005 als erwiesen betrachtet werden. Damals schloss die Deutsche Bank vorübergehend den Grundbesitz-Invest-Fonds, nachdem Anleger aus Furcht vor Wertberichtigungen massenhaft Gelder abgezogen hatten. Spätestens seit diesem Zeitpunkt hätten Anlageberater ihre Kunden ausdrücklich darauf hinweisen müssen, dass die Verfügbarkeit ihrer Kapitalanlage von heute auf morgen verloren gehen kann.

Besondere Konstellation bei Auszahlplänen

Dies betrifft insbesondere Anleger, die - beispielsweise zur Aufbesserung der Rente - ihre Fondsanteile in Form eines Auszahlplans erworben hatten. Auch hier herrscht seit längerer Zeit Klarheit: Ende November 2008 untersagte die Finanzaufsichtsbehörde BaFin den Fondsgesellschaften ausdrücklich, bei einer vorübergehenden Schließung des Fonds Auszahlpläne weiter zu bedienen. Einige Fondsgesellschaften hatten bis dahin den Anlegern zwar die Rückgabe von Fondsanteilen untersagt, jedoch bei Auszahlplänen eine Ausnahme gemacht. Bei den Fonds, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingefroren waren, hätten die Banken ihre Kunden mit Auszahlplänen unverzüglich informieren und ihnen eine Umschichtung empfehlen müssen.

Wurde der Anleger nicht ausdrücklich darauf hingewiesen, dass offene Immobilienfonds auch Verluste erwirtschaften können und bei einer Aussetzung der Rücknahme von Anteilen die Kapitalanlage nicht mehr frei verfügbar ist, dann können Anleger von der Bank die Rückabwicklung des Anlagegeschäfts verlangen. Lässt sich diese juristisch durchsetzen, wird die Bank dazu verurteilt, den Anleger so zu stellen, als hätte er die Fondsanteile nicht erworben. Der Anleger erhält dann den ursprünglich investierten Betrag plus Zinsen zurück und die Bank muss im Gegenzug die Fondsanteile in den eigenen Bestand übernehmen.

Vor allem für diejenigen, die sich mit einem Auszahlplan ein regelmäßiges Zusatzeinkommen erhofft haben und deren Liquidität nun eingeschränkt ist, kann die Rückabwicklung den ursprünglichen finanziellen Spielraum wiederherstellen. Wie sich die Chancen für einzelne Betroffene darstellen, hängt von der individuellen Konstellation ab und sollte vor dem Einleiten juristischer Schritte von einem kompetenten Fachanwalt geprüft werden.
 
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